Mike Harrison – vom spukenden Zahn und dem Warten auf Wind – SPOOKY TOOTH
MIKE HARRISON, der englische Blues-Sänger mit der markanten Stimme, ist schon sehr lange im Rock’n’Roll Zirkus unterwegs. Bereits 1965 gründete er seine erste Band, aus der THE ART hervorging. Die spielten mit „Supernatural Fairy Tales“ eines der schönsten Psychedelic-Alben ein, auf dem sich mit „Think I’m Going Weird“ ein Welthit versteckt hielt.
Im Jahre 1967 komplettierte der Amerikaner Gary Wright die Band, die von da an SPOOKY TOOTH hieß und 1968 die erste LP veröffentlichte. Den einzigen Hit dieser Platte „Sunshine Help Me“ spielen sie noch heute ab und an live, das Markenzeichen der LP aber war eine herausragende Cover-Version von „Tobacco Road“. Mit dieser Art, äußerst exaltiert, feinfühlig und ideenreich ausgefallene Songs anderer mit zähflüssig exakten Orgelklängen und schwermütig lyrischen Blues-Gesang in Kombination mit einer zweiten klagenden Falsett-Stimme neu zu interpretieren, haben sich Spooky Tooth auf ewig in die Rock-Analen eingraviert.
Neben der Harrison/Wright-Nummer „Waiting For The Wind“ und dem Beatles-Cover „I Am The Walrus“, die beide in England und Deutschland zu Hits avancierten, schockten sie die Rockwelt mit Geräusch- und Klangcollagen auf dem nächsten Album „Ceremony“, dessen Cover-Gestaltung Negativkritiker zusätzlich inspirierte. Nach einer ersten Trennung der Band und einer kurzzeitigen Re-Union sowie zwei weiteren Alben, war endgültig und für lange Zeit Schluß.
Heute sind sich Musik-Gurus, Kritiker und Fans einig darin, daß Spooky Tooth eine der wichtigsten Bands der Rock-Geschichte überhaupt sind und bleiben werden, auch wenn sie immer unterschätzt wurden. Ich gehöre seit den Zeiten von THE ART zu denen, die Mike Harrison Blues-Stimme lieben und mit Spooky Tooth regelmäßig Gänsehautgefühl bekommen.
Eher zufällig bekam ich im Herbst 2007 mit, daß eben dieser Mike Harrison mit eigener Band und neuen Album auf Tour war und ein Termin im Brauhaus Radigk Finsterwalde, quasi um die Ecke, stattfinden würde.
Es war der 2. Oktober und an diesem diesig kalten Abend fuhr ich allein und sehr zeitig los in der Befürchtung, einen guten Platz zu verpassen. Erste Überraschung – der Saal war noch leer, zweiter Aha-Effekt – die Band saß mit dem Engerling-Manager, Gerd Leiser, den ich aus früheren Zeiten kannte, gemütlich vor der Theke beim Abendessen. In einem Anflug von Selbstüberschätzung bin ich einfach hin und hab’ die Herren direkt angesprochen, hab’ einen Small-Talk in deutsch mit Gerd Leiser und ein Gespräch in englisch mit Mike Harrison geführt. Nach angenehmen Minuten hatte ich die Widmungen auf meinen Mitbringseln und die Möglichkeit eines gemeinsamen Fotos mit einem meiner Jugendidole. Man muß eben nur auf den „richtigen Wind warten können“, auch wenn das mehr als 30 Jahre gedauert hat.
Der musikalische Teil des Abends war vordergründig den Songs der neuen CD „Late Starter“ gewidmet, auf der man einen gereiften und allseits überzeugenden Soul’n’Blues – Sänger erleben kann. So gestaltet dann der weiße Blues-Mann das Konzert vorwiegend mit steinalten Nummern im aktuellen und eher rockigen Gewand, so wie sie auf der CD zu finden sind. Songs wie „Out Of The Rain“ und „Fool In Love“ überzeugen mit Druck und Stimmgewalt aber auch mit einfühlsamen Arrangements. In jeder Phase spürt man die Reife eines „alten“ Hasen, der im Gefühl hat, wo die Songs ihre Seele versteckt halten und wie man sie hervorlocken und neu erstrahlen lassen kann.
Meine Lieblingsnummer auf der CD ist der alte Klassiker „I’ve Got Dreams To Remember“, den Mike Harrison live wie ein Gebet zelebriert, sich dabei voll und ganz in die Botschaft fallen läßt. Ihm scheint völlig egal, daß da nur 30 oder 40 Leute stehen und wohl auch nicht wirklich begreifen, wer da vor ihnen steht und so seelenvoll den Blues singt. Da hat wohl in den letzten Jahren, dank Bohlen und dem Business, in Deutschland nicht nur die Allgemeinbildung gelitten.
Natürlich fehlen die Spooky Tooth – Klassiker nicht! Einige rufen nach „Waiting For The Wind“ und bekommen den Song. Harrison schiebt noch „Better By You, Better Than Me“ und natürlich „That Was Only Yesterday“ nach, heizt die Stimmung routiniert an, um dann endlich „I Am The Walrus“ genüßlich langsam, wie einen sich zäh steigernden Orgasmus, zu zelebrieren.
Ich steh’ die ganz Zeit etwas seitwärts mit gutem Blick auf den Mann am Mikro und kann so auch manchmal seinen dankbaren Blick erhaschen – schön, daß wir vor dem Konzert Gelegenheit zum Plaudern hatten! Nach dem Konzert von Mike Harrison, bin ich noch mal in die Garderobe (!) und habe mich persönlich von einem meiner Jugendidole verabschieden können. So viel Aufmerksamkeit und Freundlichkeit von einem, der die Stones, Humple Pie, Chris Farlowe und all die anderen persönlich kannte und kennt, ist mir bisher nur selten passiert und ich bin sehr dankbar dafür, solche Momente erleben zu dürfen.
Das anschließende Konzert mit ENGERLING hab’ ich wissentlich geschwänzt, bin im Hochgefühl des Erlebten nach Hause gefahren und hab’ dort den Klängen von „Spooky Two“ gelauscht.
Warum ich das alles erst jetzt schreibe? Weil ich mitbekommen habe, daß die „Spukenden Zähne“ in diesem Jahr wieder auf Tour sind und mein Freund, Hans der Wodka, sie in Aschaffenburg erleben kann und ich mich noch bis zum Herbst gedulden muß. Dann werden sie, wenn wir alle ein wenig Glück haben, die alte „Tante Ju“ in Dresden hoffentlich beehren und ich werde dabei sein und vielleicht erkennt mich ja Mr. Harrison wieder und vielleicht kann ich mir Gary Wright noch „schnappen“ und mit ihm, ebenso wie mit Mike, ein wenig Small Talk erleben. Dafür würde ich auch wieder auf ENGERLING (oder andere) verzichten. Was sein muß, muß schon sein!
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