#1

Was JOE COCKER mit einer aktuellen Ausstellung in DRESDEN zu tun hat

in Off-Topic 22.07.2009 18:47
von HH aus EE (gelöscht)
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JOE COCKER in Dresden - „KEINE GEWALT!“ - eine AUSSTELLUNG, 21.7.2009

JOE COCKER und die friedliche Revolution 1989 in Dresden. Auf den ersten Blick scheint das nicht zusammen zu passen, dachte ich vor einem halben Jahr, und dennoch sind Exponate von mir, das COCKER-Konzert von 1988 in Dresden betreffend, in einer Ausstellung unter dem Titel „ KEINE GEWALT – Revolution in Dresden 1989“ im Stadtmuseum Dresden ab dem 22. Juli dieses Jahres bis zum 10. Januar 2010 zu sehen. Da bin ich wohl eine Erklärung schuldig.

Am 23. November 2008 habe ich im „Puhdys-Forum“ und bei der „Deutschen Mugge“ einen Beitrag veröffentlicht und betitelte ihn mit „Woodstock war in Dresden“. Darin beschrieb ich meine Erinnerungen an jenes legendäre Konzert, das Joe Cocker am 2. Juni 1988 vor rund 85.000 begeisterten Fans im Großen Garten von Dresden gab. Reichlich 20 Jahre waren seither vergangen, Grund genug für mich, meine Erinnerungen in Worte zu fassen und sie mit ein paar Fotos und Belegen von damals garniert zu veröffentlichen:

http://www.puhdys-forum.de/t2947f7-WOODS...html#msg7944169

So etwas wie „friedliche Revolution“ oder „Wende“ hatte ich beim Schreiben nicht im Hinterkopf. Mir ging’s um den einmaligen und schönen Moment, den ich mit Freunden erleben durfte, um ein Konzert, das so nicht zu erwarten war. Eine politische Dimension wurden mir erst danach bewußt, denn so ein Konzert war zu DDR-Zeiten kein normales Ereignis, schon gar nicht in dieser Größenordnung. Da mußten schon gravierende Dinge passiert sein, wenn FDJ- und Staatsführung in den letzten Monaten der Jahre 1988/89 plötzlich Dinge zuließen, die sie bis dahin als westlich dekadent verteufelt hatten.

Irgendwann zum Ende des vergangenes Jahres bimmelte mein Telefon und eine freundliche Frauenstimme fragte mich, ob ich derjenige wäre, der das geschrieben hätte. Ich war mir keiner Schuld bewußt und bestätigte die Anfrage positiv. Die Frauenstimme erklärte mir, sie würde im Stadtmuseum Dresden arbeiten und dort wäre eine Ausstellung zum Thema Wende, friedliche Revolution in Dresden und einiger Ereignisse im Umfeld in Vorbereitung. Dieses Konzert im Großen Garten würde man in diesem Zusammenhang sehen und die Frauenstimme fragte mich, ob ich bereit wäre, die Originale dafür zu Verfügung zu stellen.

Oups! So viel zum Thema Internet, Google und Beiträge, die man so schreibt.

Was vielleicht keiner glaubt, ich war sehr skeptisch, eigentlich sogar ablehnend.
Wir haben ausgiebig telefoniert und schließlich bin ich am 12. Januar dieses Jahres zu einem Treff nach Dresden gefahren, um mir ein Bild der Frauenstimme und einen Eindruck vom Konzept der Ausstellung zu machen. Die möglichen Exponate hatte ich zur Besichtigung mit und bin danach wieder mit ihnen nach Hause gefahren. Skeptisch war ich danach noch immer und wollte mich aufgrund gemachter Erfahrungen, für welchen Zweck auch immer, nicht mehr „vereinnahmen“ lassen. Es gibt auch weniger schöne Erinnerungen von früher, über die ich nicht gern spreche.

Bei einem zweiten Treffen am 12. Feburar dieses Jahres habe ich nach reiflicher Überlegung das gesamte Material nach Dresden gebracht, einen Vertrag unterschrieben und dann alles übergeben. Letztlich hat den Ausschlag gegeben, dieses doch schon etwas betagte Originalmaterial mal einer größeren Öffentlichkeit zu zeigen, statt es bei mir in der Schublade liegen zu lassen.
Es war auch die gereifte Erkenntnis, daß ich selbst ja schon in den 60ern oder 70ern Leute wie COCKER, STONES & Co. gern im eigenen Land live gesehen hätte, zumal in einer Zeit, da ich mich noch getrost als Jugendlicher hätte bezeichnen können. In der DDR hatte man mir die Möglichkeit verweigert, die musikalischen Helden meiner Jugend live zu erleben, ihre Original-LP’s zu erwerben oder gar ein Wort mit ihnen zu wechseln. Diesen Argumenten meiner Frau, von Freunden und Bekannten hatte ich nichts entgegen zu setzen und bei ihnen möchte ich mich auf diesem Wege bedanken. Deshalb denke ich, gehören diese und andere Dokumente in einen solchen Rahmen, um den angenehmen Erinnerungen einerseits die engstirnigen Begleitumstände andererseits entgegen zu stellen.

Gestern, am 21. Juli, war nun die Eröffnung der Ausstellung und jeder wird sich vorstellen können, daß ich neugierig, aber auch mit gemischten Gefühlen kurz vor 19.°° Uhr vor dem Haupteingang des Stadtmuseums stand, dort, wo ich beim Vortrag von KUNO zum Thema „Parallelwelten & Nischen in der DDR“ noch den Seiteneingang benutzen mußte.

Was würde mich erwarten?
Wie würde ich das Cocker-Konzert und die Exponate präsentiert vorfinden?
Wie würde das alles auf mich (und andere) wirken?

Zunächst einmal fanden wir uns im riesigen Foyer, das sich über zwei Stockwerke nach oben zieht und schon gut gefüllt war, wieder. Möglichweise war es 300 geladene Gäste, die unten im Foyer sitzend und bis in den zweiten Stock auf den beiden Treppen stehend, die Eröffnung erwarteten. Auch einige durchaus prominent zu nennende Gesichter konnte man entdecken.

Die Oberbürgermeisterin der Stadt Dresden, Helma Orosz, war die erste, die sich an die Anwesenden wandte. Danach wurde ein Grußwort von Vaclav Havel, dem Tschechischen Staatspräsidenten a.D. verlesen und Dr. Holger Starke, Kurator des Museums, gab als letzter Redner eine kurze Einführung zum Ereignis. Danach gingen auch wir nach oben, um uns das Ergebnis der monatelangen Vorbereitungen anzusehen.

Was man dann dort zwischen engen symbolhaften Mauerwänden, in die viele Exponate gekonnt eingearbeitet sind, und bei zumeist düsterem Schummerlicht zu sehen bekommt, löst Aha-Effekte und Rückbesinnung aus. Es ist aber auch Beklemmung, die einen leise beschleicht, wenn man sich bewußt wird, wo und wie wir vor 20 Jahren und mehr gelebt haben, fröhliche und angenehme Erinnerungen, glückliche Momente und ein freundliches Umfeld eingeschlossen. Manchmal kam mir ein leises Lächeln, wie bei Honni’s Pelzmütze, aber auch Ernüchterung bei dem Blick auf Exponate, die auch weniger angenehme Erinnerungen weckten. Diese eigenartige Beklemmung war meist allgegenwärtig und machte auch vor dem eigenen Exponat nicht halt.

Die kleine Glasvitrine, in der ich dann einen Teil meiner Cocker-Erinnerungen fand, empfinde ich natürlich als besonderes Kleinod und ein wenig Stolz kann ich auch nicht verleugnen. Im Umfeld der Ausstellung, zwischen Mauerattrappen und im düsteren Licht, gehen die Gedanken zumeist einen Schritt über das eigene Erlebnis und die eigene Erfahrung von damals hinaus, nicht nur beim Cocker-Konzert.

Den detaillierten Blick in die äußerst gelungene Exposition verkneife ich mir an dieser Stelle und empfehle dem geneigten Leser statt dessen den Gang durch die Räumlichkeiten im Dresdener Stadtmuseum am Pirnaischen Platz. Der eine wird sich in vielen Details wieder finden und ein anderer, jüngerer vielleicht, wird staunend davor stehen und auch möglicherweise ungläubig den Kopf schütteln. Erinnerungen an Vergangenes sind wichtig, um sich im Heute verantwortungsvoll bewegen zu können.
Ich selbst hatte in der DDR eine zumeist glückliche und sorgendfreie Kindheit und Jugend, dank meiner Eltern und dank eines angenehmen sozialen Umfeldes. Die Unzulänglichkeiten, Eingrenzungen und auch Einschüchterungen, die man zuweilen vergessen hatte, waren gestern wieder da und diese Erfahrungen gehören natürlich auch zu meinem Leben, ungeachtet aller schönen Momente und Erinnerungen.

Ein großes Dankeschön all jenen, die die Ausstellung erarbeitet haben und sicher einen hohen Aufwand betrieben. Mein ganz persönlicher Dank gilt Constanze Treue, der freundlichen Stimme, die nicht locker ließ und so letztlich mein persönliches DejA Vu in Form einer Cocker-Vitrine wahr werden ließ.
Es würde mich freuen, wenn der eine oder andere aus diesem Forum sowie Besucher unserer Seiten den Weg in das Stadtmuseum und in die Ausstellung finden würde. Es lohnt, denn diese Exposition ist derzeit einzigartig in Deutschland und vielleicht sind auch ganz persönliche Erinnerungen zu entdecken, die kleine Vitrine mit den Erinnerungsstücken an JOE COCKER 1988 in Dresden natürlich eingeschlossen.


Angefügte Bilder:
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Keine Gewalt back_800_324.jpg
Keine Gewalt front_800_392.jpg
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zuletzt bearbeitet 22.07.2009 20:36 | nach oben springen

#2

RE: Was JOE COCKER mit einer aktuellen Ausstellung in DRESDEN zu tun hat

in Off-Topic 22.07.2009 20:18
von ApfeltraumMatti | 85 Beiträge | 92 Punkte

Oh, Hartmut, ich kann mich an diesen Tag noch sehr genau erinnern. Es war sehr warm und ich war Strohwitwer. Als wir natürlich mit dem Zug in Dresden ankamen und uns Richtung "noch nicht Cockerwiese" bewegten, fuhren immer wieder Busse, in der Heckscheibe mit dem Schild "Joe, wir kommen!" an uns vorbei. Schon allein das war neu!
Nach dem Einlass, sah Menschen, Menschen und noch mehr Menschen. Ich glaube viele waren damals weniger wegen Joe Cocker da, vielmehr wollten sie wissen, wie solch ein Livekonzert diesen Ausmaßes überhaupt funktioniert. NO 55 hatte es an diesem Abend schwer, sie wurden regelrecht ausgepfiffen. Grund war war damals der Wechsel von Georgi Gogow von City zu NO.

Für alle, die damals nicht dabei waren, hier die fast lückenlose Setlist:
- Feeling allright
- I stand in wonder
- Crazy in love
- Guilty
- Unchain my heart
- Up where belong
- All our tomorrows
- Civilized man
- Isolation
- Hitchcock railway
- A woman loves a man
- Basssolo
- ???
- Shelter me
- Rivers rising
- Unchain my heart
- Satisfied
- With a little help from my friend
- You are so beautiful

Die beiden beeindruckensten Stücke für mich waren das Basssolo von T.M. Stevens und natürlich "With a little help from my friend". Mit diesem Schrei entlud sich für mich das gesamte Konzert. Ich habe sogar noch Tondokumente davon, da DT 64 das Konzert in Berlin aufgezeichnet hat
Der technische Aufwand, der damals betrieben wurde, war immens. Wir schritten nach dem Konzert die Boxenwände !!! der Hauptbühne ab und da eine Wand ca. 20 m breit und 5 m hoch. Zusätzlich wurden noch insgesamt vier komplette Boxentürme von heimischen Bands in Zeitverzögerungsschaltung davor gesetzt, um dass die Letzten auch noch was hören.

Anbei noch paar Presseartikel der "Sächsischen Zeitung"

Angefügte Bilder:
Cocker1.JPG
Cocker2.JPG
Cocker3.JPG

Drei Akkorde sind einer zuviel !!!

zuletzt bearbeitet 22.07.2009 21:27 | nach oben springen

#3

RE: Was JOE COCKER mit einer aktuellen Ausstellung in DRESDEN zu tun hat

in Off-Topic 22.07.2009 20:32
von PM | 4.235 Beiträge | 5060 Punkte

Ich bin begeistert, was ihr beide hier so erzählt, da ich in dieser Zeit ganz andere kulturelle Interessen hatte, ist das an mir vorbei gegangen.
@Hartmut: ist die Ausstellung was für Jugendliche ( auch für solche aus bildungsfernen Schichten?). Um die Frage zu präzisieren, ist das Thema mit etwas gutem Willen auch für Besucher zu fassen, die nicht so viel Text lesen können oder wollen und kein historisches Hintergrundwissen haben?


Klick mal druff hier:

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#4

RE: Was JOE COCKER mit einer aktuellen Ausstellung in DRESDEN zu tun hat

in Off-Topic 23.07.2009 21:13
von HH aus EE (gelöscht)
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Ein paar Fragen wurden an mich rangetragen und die möchte ich kurz beantworten:

Die Ausstellung ist täglich von 10.°° bis 18.°° Uhr geöffnet. Es ist eine Sonderausstellung des Stadtmuseums und keine "Wanderaustellung". Im Januar wird damit Schluß sein, weil die Ausstellung spezifisch auf Dresden zugeschnitten ist.
Ich kann's nur empfehlen, sie zu besuchen, nicht nur wegen COCKER , sondern weil's inzwischen 20 Jahre her ist und viele alltägliche Dinge von damals so langsam in Vergessenheit geraten. Die Generation, die nach 1989 geboren wurde, sollte sich einen "gelernten" DDR-Bürger mitnehmen, sonst verstehen die nur "Bahnhof" und zum Lachen ist die Ausstellung nicht geeignet.

Bei COCKER sind nur einige wenige Dinge ausgestellt, das Museum hat wesentlich mehr von mir bekommen, so u.a. auch ziemlich alle Zeitungsartikel aus JW, ND, Morgen usw. Das Autogramm von COCKER ist ein original Pressefoto von der Pressekonferenz in Berlin, das JOE eigenhändig signiert hat. Ich habe noch ein zweites Exemplar .

Natürlich bin ich von der Eröffnung nicht ohne ein neues Autogramm nach Hause gefahren. Die Oberbürgermeisterin von Dresden sowie der Kurator des Museum haben mir eine Widmung in die Einladung geschrieben.

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#5

RE: Was JOE COCKER mit einer aktuellen Ausstellung in DRESDEN zu tun hat

in Off-Topic 23.07.2009 21:30
von Mary (gelöscht)
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@HH...
Ältere "Frauenzimmer" brauchen etwas länger...
Beim "Nachholen" verstand ich auch die Worte "morgen Beitrag hochholen"...
Ich gehöre zu den Insidern, wusste schon vor längerer Zeit von dem "Vorhaben", auch von den Zweifeln. Hartmut, schön, dass Du Dich "überwunden" hast. Ich werde mir die Austellung ansehen, wohne ja vor Ort.

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