#1

Montags: TINY VIPERS, USA - Live im THALIA, Dresden

in Off-Topic 11.08.2009 19:03
von HH aus EE (gelöscht)
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Zu Gast im THALIA, Dresden – TINY VIPERS, USA - 10.08.09

Was macht jemand, der am Wochenende ein tolles Konzert besucht und sich auch sonst viel mit seinem Lieblingsthema Rockmusik & Co. beschäftigt hat?
Genau, er geht auch am Montag zu einem Konzert! Was denn sonst.

Ein kleines und schnuckeliges Kino in der Dresdner Neustadt mit einer ziemlich interessanten Historie und einem auffälligen Ambiente. Alles sehr intim, sehr einladend und sehr entspannend. Andere kaufen sich für 6,00 Euro eine Packung Glimmstengel, ich erstehe ein Ticket für ein Konzert zum gleichen Preis.

Im „THALIA“ ist eine junge Songschreiberin, Gitarristin und Sängerin aus den USA angekündigt. Eine, deren Namen ich nicht kannte, doch das will nichts heißen. Je mehr ich über die Spielarten des Rock weiß, je mehr ich zu kennen glaube, desto größer die Chance für eine neue Überraschung.

TINY VIPERS, eigentlich Jesy Fortino, ist Mitte 20, stammt aus Texas und lebt in Seattle, in dem Ort, aus dem der GRUNGE gekrochen kam und wo JIMI HENDRIX zu Hause war. Dort wird man auf sie aufmerksam und 2007 veröffentlicht sie ihre erste CD „Hands Across The Void“. Inzwischen liegt mit „Life On Earth“ der aktuelle Longplayer aus diesem Jahr vor. So einfach klingt das, war’s aber sicher nicht.

Ich bin auf sie gestoßen, weil ich für mich selbst ständig auf der Suche nach etwas anderem bin. So habe ich SERENA RYDER für mich entdeckt, weil diese so faszinierend Leonard Cohen und sich selbst singt und nun eben auch TINY VIPERS, weil sie, auf musikalische Vorlieben angesprochen, neben anderen ausgerechnet YES und die INCREDIBLE STRING BAND nennt. Da bin ich eben hellhörig geworden, denn beide zählen schon seit Jahrzehnten auch zu meinen Favoriten und stehen bei mir im Regal.

Nach einem heftigen Gewitterguß, der mich auf der Fahrt nach Dresden begleitet hat, finde ich das „THALIA“ in der Görlitzer Straße relativ schnell. Zum kleinen Kino gehört ein „Caffee & Cigaretts“, in dem die Zeit bis zum eigentlichen Konzertbeginn wie im Fluge vergeht.

Da vorn auf der Bühne nimmt ein unscheinbar wirkendes Persönchen, eine zierliche junge Dame auf einem Stuhl Platz und nuschelt im typischen Amerikanisch „Thanks for coming“ und während die meisten überlegen, wie sie reagieren sollen, perlen schon die ersten Töne in den Raum.

Was dann eine reichliche Stunde lang passiert, habe ich so noch nie erlebt. Die junge Lady spielt die Gitarre nicht auf eine uns langläufig bekannte Weise. Da brechen keine Akkorde aus den Saiten und die erhofften hochtechnischen Soli bleiben aus. JESY FORTINO zelebriert die einzelnen Töne und Klänge, fügt ihnen die Schwingungen der tiefen E-Seite zu, läßt die leisen, beinahe minimalistischen Klangeflechte leben, sich entfalten und über allem schwebt eine Stimme, die leise und beschwörend, beinahe entrückt, erzählt. Sie läßt uns die Welt erleben, mit „Eyes Like Ours“ (Augen wie unsere) und tut dies wie einer ihrer Songs in „Slow Motion“ (Zeitlupe).
Die zierlichen Finger sind über die Klänge weit gespreizt, liegen wie eine Spinne auf den 6 Saiten der Gitarre, als wollten sie über deren Hals kriechen. Jedes der vier „Beinchen“ lebt für einen anderen Ton. Manchmal setzt sie, so bei „Development“, wie kleine Zaubereien, einen Flageoletton (Oberton) darüber und läßt ihn schwingen. Wo sie den Finger dafür hernimmt, scheint ein Rätsel.

Das alles geschieht ohne fühlbaren Zeitdruck, weit im Raum, nicht von dieser Welt und manchmal, wie bei „Dreamer“ und „Time Takes“ kann das dauern und die Zuhörer lassen sich entspannt auf eine Tonreise ein. Tief in meinen Sessel versunken, kann auch ich mich schweben lassen, einfach nur genießen und entspannen, obgleich ab und an die Neugier siegt und ich mich auch auf die Worte zu konzentrieren suche. Das ist auch so bei „Life On Earth“ und sinnigerweise heißt der folgende Song auch „Life On Earth Continues“. Beinahe ein Songzyklus, eine Wanderung der Gedanken und Emotionen.

Die Songs scheinen von zwei oder drei Akkorden zu leben, manchmal sind es nur drei Töne, die aus den Kompositionen ein musikalische Gebilde machen, das sich langsam und eindringlich wiederholt, von einem weiteren Klangtupfer ergänzt wird. Der Begriff vom Fingerpicking, bei dem man sich meist ein schnelles Saitenzupfen aller Finger vorstellt, bekommt hier so etwas wie eine ursprüngliche Bedeutung, denn jeder Finger zupft, beinahe behutsam und zerbrechlich, jeden Ton fühlbar und fügt ihn mit weiteren zu einer Klangsinfonie. Selbst Pausen scheinen ein Klang zu haben. Das ist betörend, verführerisch und entrückend schön. So müssen Schamanen gezaubert haben, denke ich für mich. Irgend so etwas strahlt von ihr aus. Wo nimmt dieses zierliche Weib diese Inspiration her?

Die einzelnen Stücke fühlen sich an wie Suchen und Entdeckung, wie leises Fragen nach Sinn und Befindlichkeiten. TINY VIPERS will nicht unterhalten oder ablenken vom Geschehen, sie steckt uns mitten hinein und geht mit ihrem Publikum leise auf die Suche und nur wenn man wirklich will, kann man auch entdecken. Sich selbst, andere, das Leben, UNS.

Nach einer Stunde hat sie ihre aktuelle CD „Life On Earth“ komplett präsentiert und die Spitzen ihrer zierlichen Finger lassen vom ständigen Druck auf die Saiten tiefe Narben erkennen, die sie uns da vorn lächelnd zeigt. Eine Zugabe lang halten die Finger noch durch, für ein Stück aus „Hands Across The Void“. Ihr letzter Kommentar ist wieder „Thanks for coming“ und dann verschwindet die Gitarre wieder in einem Koffer, so als wäre nichts gewesen.

Es ist schon paradox zu merken, daß diese leisen Töne eindringlicher und länger wirken können, als die lauten Riffs einer verzerrten Rock-Gitarre. Der Nieselregen in Dresden, der mich zum Auto begleitet, paßt dazu, und fast tut es mir leid, daß ich den Weg nach Hause nicht laufend bewältigen kann, um den Tönen und Klängen in meinen Kopf Raum und Zeit zu geben, ihnen nachzuhängen. Manchmal ist die Welt zum Glück doch anders….


http://www.myspace.com/tinyvipersss


Angefügte Bilder:
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zuletzt bearbeitet 11.08.2009 19:04 | nach oben springen

#2

RE: Montags: TINY VIPERS, USA - Live im THALIA, Dresden

in Off-Topic 12.08.2009 15:46
von Mary (gelöscht)
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Nun nehme ich zum dritten Mal Anlauf auf diesen Bericht zu reagieren. Gestern abend und heute vormittag wurde das Forum "abgeschossen".
Fast vor meiner Haustür hast Du Dir wieder ein Musikerlebnis der besonderen Art verschafft und so bildlich davon geschrieben, dass man meint, etwas verpasst zu haben. Doch man kann nicht überall dabei sein. Manchmal ist es auch einfach schön, einen einfühlsamen Bericht zu lesen. Danke Hartmut.

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#3

RE: Montags: TINY VIPERS, USA - Live im THALIA, Dresden

in Off-Topic 14.08.2009 08:05
von HH aus EE (gelöscht)
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DANKY, liebe Mary!

Dieser Beitrag liegt mir sehr am Herzen!

Nichts gegen die PUHDYS, nichts gegen RENFT. Ich will die Qualitäten von ELECTRA, STERN MEISSEN oder MONOKEL nicht anzweifeln.

Ich habe nichts gegen OSTROCK, nichts gegen Bands und Künstler wie ZÖLLNER, IC oder gar meinen Hans „Die Geige“.
Ich mag KARUSSEL und die KLOSTERBRÜDER, SILLY mit Tamara, die Songs von GUNDERMANN und CÄSAR sowieso.

Ich gehe aber auch gern mal einen Schritt in eine Richtung, die viele gar nichts sehen, weil sie auf die oben genannten viel zu sehr fokussiert sind. Ein wenig sehe ich mich in der Rolle, ab und an „um die Ecke“ zu denken und dabei Musik zu entdecken, die noch gar nicht abgeschliffen und völlig unverbraucht im kommerziellen Sinne ist.

TINY VIPERS ist so eine Entdeckung und Überraschung gleichermaßen.
Deshalb war sie mir unbekannt, deshalb kennt sie keiner in diesem Forum.
Das ist nicht schlimm.

Trotzdem möchte ich gern, daß wir ab und an auch mal völliges Neuland betreten und lernen, mit anderen Ausdruckformen von Musik umzugehen, sie zu entdecken.
Belangloses und schales Labern können andere in anderen Foren gern tun.
Auch die angeblich ganz Großen nutzen nur Gitarren und haufenweise Technik.
Ab und an braucht es ein wirkliches ABENTEUER, eine wahre ENTDECKUNG.

Deshalb werde ich diesen Beitrag, den ich ja selbst geschrieben habe, aus voller Überzeugung so lange wieder „hoch holen“, bis mal einer schreibt, daß er sich das Geld für ein Konzert der o.g. Heroen gespart und statt dessen eine CD von TINY VIPERS gekauft hat.
Ich will dann sein Staunen und seine Begeisterung, oder aber seine totale Ablehnung hier lesen.

Das ist „frech“, ich weiß.
Doch wenn ich von dieser Musik begeistert bin, kann das einem Zweiten durchaus auch noch passieren. Ich werde nicht locker lassen und das ist durchaus als „Drohung“ zu verstehen.

Neue Musik braucht eine ehrliche Chance!
Mainstream in der Musik und hier im Forum ist N I C H T mein Anspruch!

zuletzt bearbeitet 14.08.2009 08:07 | nach oben springen

#4

RE: Montags: TINY VIPERS, USA - Live im THALIA, Dresden

in Off-Topic 14.08.2009 10:04
von Mary (gelöscht)
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Aber Hartmut..., neue Musik bekommt eine Chance...! Mit Dir als Fürsprecher auf jeden Fall...!!!
Sicher tut sich jeder in unserem Alter etwas schwer auf Entdeckungsreise zu gehn, meist sind Geschmack und Vorlieben schon gefestigt, aber viele starten trotzdem einen Versuch, auch bisher "ungeliebtem" offen zu begegnen...
Nimm mich, auch wenn das keine newcommer sind, doch Du weißt, ich habe Colosseum, Fermata, Czeslaw Njemen und vieles mehr auf Dein Anraten gehört, dass sie den Weg zum Herzen nicht wirklich fanden..., zweitrangig.
Was ich damit sagen will, ich glaube schon, dass viele Deinen Vorschlägen folgen, aber nur wenige schreiben eben danach, dass sie es getan haben.
Bitte nicht drohen! Damit gewinnt man keinen Musikliebhaber...
Musik ist etwas schönes, wertvolles..., man kann aber niemanden zwingen etwas zu mögen.
Und nun setz ich noch eins drauf, ich habe Haase noch nie live erlebt, ich tue es heute, was meinst Du warum??? Nicht nur Du, viele hier sind des Lobes voll, Kundi, Wodka, auch Petra... - da muss was dran sein...
Wir sehn uns!
Glaub einfach denen, die "freiwillig" Konzerte besuchen, die von anderen vorgeschlagen wurden...

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#5

RE: Montags: TINY VIPERS, USA - Live im THALIA, Dresden

in Off-Topic 14.08.2009 16:53
von Kundi (gelöscht)
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Ja, ich denke auch, dass es hier im Forum schon recht viel Neues zu entdecken gab und immer noch gibt.
Klar gehe ich auch sehr gerne zu MONOKEL, RENFT, KARUSSELL, PUHDYS & Co. Genauso gerne gehe ich aber auch zu AufSturz, Trixi G, KLARtext, HAASE, Eric Fish und vielen anderen. Diese Künstler kannte vor 2 - 3 Jahren kaum jemand hier.Mittlerweile kennen und schätzen einige user dieses Forums8und darüber hinaus) diese Musiker, was mich persönlich auch ein bissel stolz macht.

Bands wie Wunderbuntd, das blaue Einhorn usw.wurden mir durch Beiträge in diesem Forum näher gebracht und stehen auch schon auf meiner Wunschliste.. Warum also nicht auch mal TINY VIPERS? Ich bin gerne mal dabei, wenn sie wieder spielt.

Unser lieber "schäff" war zum Beispiel auch bei MONOKEL und geht mittlerweile auch gerne zu RENFT. Auch das wurde durch die Beiträge der begeisterten user hier möglich;-).
Also haben hier doch schon einige ihren eigenen musikalischen Horizont erweitert und ein Ende ist da nicht in Sicht.

LG Kundi

zuletzt bearbeitet 14.08.2009 16:57 | nach oben springen

#6

RE: Montags: TINY VIPERS, USA - Live im THALIA, Dresden

in Off-Topic 27.08.2009 08:18
von HH aus EE (gelöscht)
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Die beiden CD's von TINY VIPERS verstopfen bei mir seit Tagen den CD-Player und ich kann mich nicht satt hören an der Musik
Ich wollte mal lauschen, ob denn inzwischen mal jemand auch etwas von der jungen Lady gehört hat und wie die Musik gewirkt hat.

Gibt's da jemanden ?

Angefügte Bilder:
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#7

RE: Montags: TINY VIPERS, USA - Live im THALIA, Dresden

in Off-Topic 27.08.2009 20:15
von Wodka (gelöscht)
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Natürlich gibt es jemanden! -lächel-

Bald vielleicht auch mehr:

http://www.myspace.com/tinyvipersss


http://www.subpop.com/artists/tiny_vipers

zuletzt bearbeitet 27.08.2009 20:17 | nach oben springen

#8

RE: Montags: TINY VIPERS, USA - Live im THALIA, Dresden

in Off-Topic 06.09.2009 11:17
von Mary (gelöscht)
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Eine schlaflose Nacht (bei mir herrschte "Mückenalarm") ging in einen "müden" Morgen über... Doch aufsteh'n muss man ja, ...irgendwann...
Unzufrieden mit mir und der Welt, schob ich mich aus dem "Kahn". Lust zu nix...!
Da fiel mein Blick auf eine CD, die seit vielen Tagen auf's Hören wartet, TINY VIPERS "Life on Earth". Woher ich die habe..., "no comment...".
Sanfte Gitarrenklänge..., eine wirklich wundervolle Stimme... und trotzdem..., für mich als "unstetes und wildes Bündel Mensch" viel zu sanft für den täglichen Gebrauch. Diese Art Musik höre ich, wenn meine Seele nach Hilfe schreit. Ich bin aber zum Glück in der glücklichen Lage diesen Anspruch hier und jetzt nicht zu haben....
Einen ganzen Konzertabend a la "Life on Earth" kann ich mir nur schwer oder gar nicht vorstellen. 3 bis 4 Titel am Abend, das ja, z.B. ein öffentliches Programm, wie letzte Woche in Dresden das Hechtfest, wo man die Bühne verlässt, wenn man "genug" hat und weiter zieht...
Mein Feedback ist nicht als Abwertung zu versteh'n. Das Gitarrenspiel klingt gut, aber es zu beurteilen, fehlt mir der fachmännische Musikverstand eines HH. Ich spiele selbst kein Instrument, weder Gitarre noch ein anderes. Meine Empfindungen kommen aus Herz und Bauch, genau in dieser Reihenfolge... Beide sagen mir, "freundlich-friedliche" Gitarrenmusik für sensible Stunden, ...vielleicht in trauter Zweisamkeit, für Liebesnächte... oder am Meer sitzend beim Sonnenuntergang, denkbar für eine Entspannungsstunde vom Alltagsstress (genehmige ich mir aber höchst selten, eigentlich nie...).
TINY VIPERS, hörenswert auf jeden Fall, aber nix für meinen täglichen Musikbedarf. Da muss es rocken, schon um munter zu bleiben.
Sorry, aber ich werde immer mein ehrliches Empfinden schreiben, wenn ich mich denn schon wieder völlig "nackt" mache, was mein Inneres angeht.
Ich habe da eine Idee, ich biete diese Musik meiner Tochter an, die kommendes WE in Dresden ist...

zuletzt bearbeitet 06.09.2009 14:06 | nach oben springen

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