#1

Eulenspiegel 11/2009

in Presse, Medien 25.10.2009 18:09
von puhdysfan | 138 Beiträge | 138 Punkte

Hier kommt mal ein etwas anderer Artikel über die Puhdys, herausgegeben von Thomas Behlert, illustriert mal wieder von Arno Funke (leider kann ich keine Bilder liefern, da der Artikel von einem Puhdysfan aus Güstrow geborgt und ohne Bilder versendet wurde).


Kurz bevor die DDR 100 wird, werden die Puhdys 40
Untote kennen keine Gnade

Wenn man »Alt wie ein Baum« geworden und Musiker auf Tour ist, sieht man wie
die Rolling Stones aus: zerknautscht bis über beide Ohren, fusselnde Haare und komische Bärtchen an den unmöglichsten Stellen. Die Puhdys allerdings sehen wie die Puhdys aus: zerknautscht bis über beide Ohren, fusselnde Haare und komische Bärtchen an den unmöglichsten Stellen. Von ordentlich formatierten Rundfunkanstalten werden sie ignoriert. Aber von schmierigen Ostjournalen und dem angegliederten MDR bis zum Brechreiz hofiert. Denn die Puhdys erreichen ein Jubiläum!
Vor 40 Jahren fanden sich fünf Buben zusammen, um den Fans des Hardrock die Kante zu geben. Bald waren sie eine grottenschlechte Nachspieltruppe mit deutschen Texten im Gepäck, so weich wie die Malimo-Sofadecke und so brav wie Schlagersternchen. Die ersten Lieder hießen »Wenn ein Mensch lebt« und »Geh zu ihr«, die durch den überbewerteten Film »Die Legende von Paul und Paula« berühmt wurden. Mit diesen und mit »Alt wie ein Baum« hätten die lustlosen, arbeitsscheuen und bildungsfernen Schnösel ihre Karriere, die damals noch »Persönlichkeitsentwicklung« genannt wurde, beenden sollen. Dann wäre über sie heute nur Gutes zu sagen und dieser Artikel hier zu Ende.
Zunächst spielten die Puhdys vor 8o gutwilligen Leuten im sächsischen Freiberg, um dann rasch einen Siegeszug rund um ihre kleine Welt zu beginnen - von Annaberg-Buchholz bis Heringsdorf. Knete raffen und der Partei keinen Ärger machen - das war ihr ästhetisches Programm. Deshalb konnten sie schalten und walten und besorgen, wie sie nur wollten. Im Letzteren war Harry Jeske, dessen Bühnenshow aus dem Wechseln des Standbeines bestand, ganz groß. Erst besorgte er in allen Schuppen und Kneipen Termine und später dann, bei den Auslandsgastspielen in den RGW-Ländern, Verstärker, feine Mikrophone, ganze Mischpulte und ordentlich gelötete Steckerverbindungen, die dann zu Schwarzmarktpreisen an Musikerkollegen weitergereicht wurden - das eigene Studio war längst auf Weststandard. In den 40 Jahren veröffentlichte die Knaben-Group unverschämt viele Schallplatten, einige sogar im Westen.
Junge Combos, die noch nicht das Vertrauen der Kulturfunktionäre errungen hatten, wurden bei Amiga, dem Plattenmonopolisten, mit Verweis auf Rohstoffknappheit und die angespannte Lage im Klassenkampf abgewimmelt. Wenn es dann doch geschah, blieb nur eine lustlos zusammengeklopfte Hitsammlung übrig, die eine Kapelle präsentierte, welche sich in der langen Zeit bis zur ersten Veröffentlichung oft schon wieder aufgelöst hatte. Die Puhdys aber waren fast jedes Jahr dabei: Mal war es ein Jubiläumsalbum, dann eine Live-Einspielung auf einer Doppel-LP (sic!) oder sogar ein Album, auf dem man in der verpönten englischen Sprache singen durfte. Die Schallplatten »Rock'n Roll Music« und »Far From Home« zeugen heute noch von dieser Missetat. Als in den 198oer Jahren im bösen Westen die Neue Deutsche Welle verrückte Blüten trieb, veröffentlichten Birr & Co natürlich sofort auch solches Zeugs, was sich allerdings DDR-brav »Neue Tanzmusik« nannte.
Unter keinen Umständen sollte man heute in die LP »Computerkarriere« rein hören! Das zu tun ist, als würde man ein Gebräu zu sich nehmen, vor dem man sich schon immer gefürchtet hat. Saure Milch zum Beispiel. Außerdem ist ja das schöne an der Vergangenheit, dass sie vergangen ist.
Frühzeitig (1979) hatte der Schlagzeuger und Bongoklopfer Gunther Wosylus ein Einsehen und verabschiedete sich in den Ruhestand. Als einziger Genosse in der Brigade ging er in den Westen. Peter Meyer, der Verantwortliche für Sicherheit im Kollektiv, hatte versagt. Für den Gunther kam von einer anderen dumpf rockenden Kapelle (Prinzip) der stumpfe Scharfschwerdt. Als die Puhdys für eine Soßenband aus dem Rheinland als Ersatz einspringen mussten - BAP wollte bei »Rock für den Frieden« ein wie immer phonetisch unverständliches Lied singen, aber die Genossen verboten es vorsorglich, waren sie schließlich im Himmel der musikalischen Schleimer und Kriecher angekommen. Diesen verließen sie bis 1989 nicht mehr. In jenen Jahren konnten sich daher auch alle jede Menge Aktivistenabzeichen, Helden der Arbeit-Auszeichnungen, Goldmedaillen des Interpretenwettbewerbes der DDR-Unterhaltungskunst, einen zweitklassigen Nationalpreis und Rundfunk-Klimbim an die stolzen Brüste heften.
Dann kam die Wende. Wer Puhdys, Karat und City gehört hatte, kaufte sich nun all den anderen Schlagermüll wie: Maffay, Reim und Münchner Freiheit. Heimlich, still und endlich auch mal leise lösten sich die Berliner Buben auf und verzogen sich auf ihre Grundstücke und hier könnte dieser Artikel schon wieder zu Ende sein. Aber nein! Drei Jahre später vollführten sie eine Wiedervereinigung, und da wurde jedem klar, dass »Es ist keine Ente wir spielen bis zur Rockerrente« jeglicher Selbstironie entbehrte, ja blutigster Ernst war. Beim depressiven Ost-Publikum siegte noch einmal der schlechte Geschmack und die anerzogene musikalische Genügsamkeit, und ein so genanntes Stück Heimat machte sich in Gestalt der Puhdys breit. Ihre leidenden Gesichter wurden gerne als Werbeträger für allerlei Ostprodukte geordert. Zusammen mit Ute Freudenberg, Gisela Steineckert, Dagmar Frederic, Petra Zieger, Wolfgang Stumph usw. bot man den bösen Wessis die vom Leben in der Diktatur zerfurchte Stirn und ein reines Herz. Schließlich ging Harry Jeske in die weite Welt, aus der er sich stets bei Jubelfeiern meldet, da ihn seine früheren Kumpels wieder nicht eingeladen haben. Den Bass zupft nun der Mann mit dem dämlichsten Spitznamen neben Quaster und Maschine: Bimbo.
Dieter Birr, vordergründig maulfauler, in Wahrheit extrem formulierungsschwacher Berufsjugendlicher mit Runzelrübe und angeklebten Resthaaren von einem längst erschossenen Langhaardackel, wird wohl noch an seinem Grab als letzte Amtshandlung einen Drachen steigen lassen, schließlich in die Grube einfahren und den Teufel mit Osthits bedrohen. Auf seinem Grabstein wird völlig zu Recht stehen: »Maschine kaputt«.
Zum 40. Jubiläum hat die Band abermals ein ewiges Weitermachen als Untote im konspirativen Auftrag des DDR-Komitees für Unterhaltungskunst angedroht. Sie kennt keine Gnade. Bereits erschienen ist das Album »Abenteuer«, das man weder laut noch leise hören kann. Die Fachblätter für den ostdeutschen Phantomschmerz – Super Illu und Bild (Ost) - werfen stetig warme und stinkende Details aus dem Rockerleben unter die Fans, so z.B. wie sich Peter Meyer, als das andere Geschlecht ihn mied, an einem Lenin-Bild vergriff: Er legte es unter sich und pupste es kaputt.
Dieses Jahr nennt sich Puhdys-Jahr, da wird noch viel passieren: Die scheußlichste und verlogenste aller Auszeichnungen, die »Goldene Henne«, wandert in die Vitrine von Dieter Birr, und die Super Illu fahndet nach dem - Achtung, keine Ironie! - »größten Puhdy-Hit aller Zeiten«. Wenn es denn ihr erster Hit »Geh zu ihr« wird (den sie nicht zuletzt dem großartigen Text von Ulrich Plenzdorf zu verdanken haben), dann hätten die Puhdys der Menschheit die restlichen 40 Jahre ihrer Existenz auch gut und gerne ersparen können.

Thomas Behlert


Aus: Eulenspiegel 11/2009


Puhdysfan - auf Lebenszeit

zuletzt bearbeitet 25.10.2009 18:10 | nach oben springen

#2

RE: Eulenspiegel 11/2009

in Presse, Medien 25.10.2009 19:08
von ConnyCity (gelöscht)
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Die dem Artikel zugeordneten Bilder von Arno Funke zu diesem Bericht sind zu sehen, unter Eulenspiegel, 23.10., eingestellt von Bernd, der aus meinen eindeutig nicht gut gescannten Sachen was gemacht hat. Zugesandt von uns. Richtig deutlich hier als Text in diesem Beitrag zu lesen. Super!! Danke an die Nordlichter. Gruss Conny aus Berlin

zuletzt bearbeitet 25.10.2009 19:15 | nach oben springen

#3

RE: Eulenspiegel 11/2009

in Presse, Medien 26.10.2009 10:00
von Bimbo (gelöscht)
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@Conny,
ja das habe ich im Nachhinein auch gesehen, dass Bernd den Artikel bereits zwei Tage vor uns eingestellt hat.
Mit unserem Text, hat aber auch Peg(gy) die Möglichkeit diesen zu lesen, da sie mit den eingescannten Bildern und Texten, auf Grund ihrer Blindheit Probleme hat .

LG zurück nach Berlin

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#4

RE: Eulenspiegel 11/2009

in Presse, Medien 26.10.2009 10:18
von Bernd (gelöscht)
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Ja, das ist für unsere blinden Freunde Peggy und Susi vom Vorteil, so können sie diesen Artikel auch lesen.

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#5

RE: Eulenspiegel 11/2009

in Presse, Medien 26.10.2009 12:23
von ConnyCity (gelöscht)
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Finde ich richtig toll, dass Ihr auch daran gedacht habt. Super!! Wünsche allen eine schöne Woche. LG Conny

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#6

RE: Eulenspiegel 11/2009

in Presse, Medien 27.10.2009 10:50
von Puhdysfan Matti (gelöscht)
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das bild zum artikel gibt es seit der leipziger buchmesse auch schon als plakat.

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#7

RE: Eulenspiegel 11/2009

in Presse, Medien 27.10.2009 11:30
von Bernd (gelöscht)
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genau, es hängt auch bei mir hier über dem Arbeitsplatz an der Wand. Da hat sich Arno Funke wirklich was schönes einfallen lassen.
Auch bei Puhdys-Konzerten konnte/kann man es sich noch am Fan-Stand erwerben.

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#8

RE: Eulenspiegel 11/2009

in Presse, Medien 28.10.2009 10:58
von puhdysfan | 138 Beiträge | 138 Punkte

Mein Poster hat einen Ehrenplatz in einer ausrangierten Kneipenlampe erhalten.
So ist es sogar immer hinterleuchtet


Puhdysfan - auf Lebenszeit

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#9

RE: Eulenspiegel 11/2009

in Presse, Medien 01.11.2009 13:10
von Gelöschtes Mitglied
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In meiner Abwesenheit gestern (ich war ja auf dem Weg nach Rammenau), war meine Schwiegermutter zu Besuch und brachte mir den Artikel aus ihrer abonnierten "Eule" mit. Gern hat sie das allerdings nicht getan, sie war richtig sauer, was da über die Puhdys geschrieben wurde und dachte, ich würde das auch so sehen. Aber da das ganze ja ironisch ist, find ich den Beitrag klasse. Gut, daß ich nicht Zuhause war, sonst hätte ich ihr die Seite von "Kamelopia" (hier, drei Themen weiter unten) noch gezeigt. Wie hätte sie da erst reagiert? Warum soll man immer alles so ernst nehmen. Man hat ja heutzutage nicht mehr so viel zu lachen, dann wenigstens darüber. Eulenspiegel, macht weiter so !
LG Ingo

zuletzt bearbeitet 01.11.2009 20:00 | nach oben springen

#10

RE: Eulenspiegel 11/2009

in Presse, Medien 01.11.2009 13:44
von Mary (gelöscht)
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Lach...,
das Plakat habe ich auch und sogar fast komplett signiert - dank der verrückten Buchmessetour der Forengemeinde im März diesen Jahres...

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#11

RE: Eulenspiegel 11/2009

in Presse, Medien 29.11.2009 08:09
von Rosalie | 2.774 Beiträge | 5240 Punkte

Inzwischen ist der neue Eulenspiegel 12/09 da. Bei den Leserbriefen kann man ein buntes Sammelsurium von Meinungen über den Artikel von Herrn Behlert lesen. Wer die Möglichkeit hat,unbedingt mal reinschauen (vielleicht gibt es auch einen Link?). Erstaunlich,wieviele Nichtpuhdysfans sich doch für die Puhdys aussprechen....

zuletzt bearbeitet 29.11.2009 08:10 | nach oben springen

#12

RE: Eulenspiegel 11/2009

in Presse, Medien 29.11.2009 10:17
von axel (gelöscht)
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ich wusste erst nicht, ob ich lachen, oder weinen sollte. ich hab dann vor lachen geweint.
ein herzerfrischender beitrag. hoffentlich stecken sich all die "es war doch nicht alles schlecht in der ddr " heuler, hinter den spiegel!!

zuletzt bearbeitet 29.11.2009 10:17 | nach oben springen

#13

RE: Eulenspiegel 11/2009

in Presse, Medien 31.12.2009 00:43
von Bernd (gelöscht)
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Ein uns sehr bekannter "Untoter" meldet sich in einem Leserbrief an den Eulenspiegel zurück...
Siehe Anhang.
Danke an ConnyCITY aus Berlin für den Scan !


Dateianlage:
zuletzt bearbeitet 31.12.2009 00:54 | nach oben springen

#14

RE: Eulenspiegel 11/2009

in Presse, Medien 31.12.2009 10:08
von PM | 4.235 Beiträge | 5060 Punkte

Hervorragend, Meyer kann unserem Ostrockhasserchen auch vom Schreibstil her Paroli bieten.


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