#1

JÜRGEN KERTH live "vom Balkon" der Erdgas-Arena RIESA

in Konzertberichte Ostrock allgemein 15.02.2010 17:40
von HH aus EE (gelöscht)
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Valentine’s Blues - Jürgen Kerth „vom Balkon“ in Riesa

So langsam hab’ ich den Winter richtig satt, kann keinen Schnee mehr sehen und die Kälte geht mir auch auf’n Keks. Im Kalender steht der 14. Februar, ein Sonntag, und überall werden wegen diesem Bischof Valentin von Terni Blümchen und allerlei süße Lieblichkeiten verteilt. So kann man sich auch die Hoffnung auf Frühling in die vier Wände holen. Am besten ist, man(n) und Frau tun sich selbst was Gutes und geben sich ihrer Stimmung und dem trüben Winteralltag gemäß dem Blues hin. Nebenan in Riesa bluest der KERTH, also nichts wie hin, wem der freundliche Valentin zwei Karte überließ. Vorbei an verschneiten Feldern, über Spurrinnen und durch glatte Kurven geht die Fahrt in den Abend hinein!

Er trägt noch immer Jeans, wie einst Rory Gallagher und statt eines karierten Baumwollhemdes, eine Jacke in rot mit schwarzen Streifen. Die eine einzige Gitarre, ein Stück Blues gewordenes Edelholz, begleitet ihn schon beinahe so lange, wie er auf der Bühne steht. Kaum ein Musiker, den ich kenne, ist so lange mit der gleichen Frau verheiratet, wie Jürgen KERTH schon mit dieser einen Gitarre durch die Landen zieht. Das nenne ich Treue und Prioritäten setzen .

KERTH ist „Live vom Balkon“ der Erdgas Arena in Riesa angekündigt und als ich endlich auf dem Balkon stehe, entpuppt der sich als ziemlich große Lokalität im Schummerlicht. Statt Fußboden gibt’s Pflastersteine und zum Marktplatz-Ambiente passen auch die nostalgischen Straßenlaternen, die rund um einen Brunnen leuchten. Überall stehen Tische mit Kerzen und Tischdekorationen darauf. Ausstattung für gehobenes Klientel. Kurz vor Konzertbeginn ist der „Markt“ gefüllt und hier und da kann ich sogar einen entdecken, der nach Blues und Tramp aussieht. Der überwiegende Rest trägt legere Abendgarderobe, die Damen geschmeidiges. Valentin von Terni würde sich freuen.

Der Blues-Star aus dem Osten wird gekonnt anmoderiert, während zu beiden Seiten über der Bühne eine überdimensionale Werbung für einen Silbereisen und eine Frau Fischer läuft. Komm’ Jürgen, hau’ in die Saiten, damit der Markt endlich lebt!

Gottlob, das macht der ergraute Gitarrist dann auch und lässt seine Klampfe von der Leine. Vom ersten Ton an spürt man diese Faszination, die von JÜRGEN KERTH ausgeht. Der steht mit seinen beiden Musikerkollegen, HEIKO JUNG hinter dem Schlagzeug und DANIEL BÄTGE am Baß, auf dem Podium und über den Markt klingt es „Komm herein“ und danach „Komm zurück“. Zwischen den Songs plaudert der Thüringer munter drauflos, erinnert sich an längst vergangene Zeiten im Riesaer „Stern“ oder in Röderau und widmet den „Blues vom Blues“ all jenen, die in diesen Tagen fleißig Schnee schippen: „Blues passt für alles im Leben.“

Immer wenn der Jürgen seiner Gitarre ein Solo entlockt, tritt er vor an die Kante und lässt dieses Holzunikat je nach Laune leise wimmern, schnelle Läufe austoben oder auch schon mal laut den Blues über den Markt schreien. Dieses virtuose Spiel gewinnt durch die dezente Begleitung vom Bassisten und durch das abwechslungsreiche, manchmal gar übermütige Spiel des Drummers noch an zusätzlicher Wirkung. Vor allem bei der etwas längeren „Frühlingsmelancholie“ merkt man, wie gut die drei miteinander harmonieren. Aus dem Halbdunkel des Markplatzes kommen dann auch zustimmende Rufe und begeisterte Pfiffe. Na bitte, geht doch, trotz Krawatte!

Nach einer kurzen Pause gibt der Meister den Hendrix und „Red House“, erzählt die Bluesgeschichte von der „Jungen Mutti“ und weiß von „Oma hilf“ zu berichten. Das eine Stück ist beinahe so alt, wie die Karriere von JÜRGEN KERTH lang ist. Da staunt man immer wieder, wie aktuell die alten Themen noch immer sind und wie mühelos sie zu den neuen in der neuen Zeit passen.
KERTH gibt jedem seiner Blues-Lieder mit seinem differenzierten Gitarrenspiel einen eigenen Charakter. Man spürt den Blues und merkt dennoch, dass diese Art von Musik nur dieser Mann singen und spielen kann – thüringische Mundart sowie dieses Lebensgefühl und passend dazu mal Swing, Reggae oder Boogie. Ganz nach Belieben und nach Intention.

Natürlich darf die Ode an seine Gitarre, an dieses Stück „in Holz gravierten Blues“ nicht fehlen und so steht er wieder vorn an der Rampe und singt mit geschlossenen Augen „Ich liebe die eine“ nicht nur für die drei Leute, die sich dort direkt vor dem Podium auf einer Ledercouch dem Blues hingeben.
Mit „Martha“ lässt der Meister noch einmal alle möglichen Nuancen aus seiner alten Gitarren perlen, vertieft sich noch einmal ganz in den Blues und zitiert so ganz nebenbei zwei steinalte Riffs von „Race With The Devil“ und „Black Night“. Er kann’s eben und tut’s auch! Der Marktplatz tobt und hallt vom rhythmischen Klatschen wider. Auch wenn die Zeit schon etwas fortgeschritten ist, bekommen wir alle noch den „Blues von der grauen Maus“ als Zugabe für den Valentin von Terni, so jedenfalls hat es der Thüringer Blues-Barde gemeint.

Jeder noch so exzellente Gitarrist ist nur so gut, wie die Band in seinem Rücken. JÜRGER KERTH hatte gestern mit HEIKO JUNG und DANIEL BÄTGE zwei jüngere Spezialisten mitgebracht, die mit ihrem Zusammenspiel, in ihrer rhythmischen Komplexität einerseits und in ihrem filigranen Einzelspiel andererseits mehr als nur Begleitmusiker waren. Auch wenn deren Soli „nur“ in das Gesamtspiel eingebunden waren, konnte man das freie miteinander Kommunizieren der beiden und mit dem Solisten da vorn am Mikro bewundern, wenn man denn Lust darauf hatte.
Das war einer jener Abende, auf die man sich freut, obwohl man auf sie nicht vorbereitet sein konnte. Dieses KERTH-TRIO ist ein musikalisches Juwel, das knappe drei Stunden den „Markt auf dem Balkon“ verzauberte. Davon werden der alte Brunnen, die gusseisernen Laternen und die Pflastersteine unter ihnen noch schwärmen, wenn sie wieder den Alltag mit der Silbereisernen Fischerin ertragen müssen. Ein Glück, dass es noch Swing, Reggae, Blues und diesen JÜRGEN KERTH gibt!

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zuletzt bearbeitet 15.02.2010 18:25 | nach oben springen

#2

RE: JÜRGEN KERTH live "vom Balkon" der Erdgas-Arena RIESA

in Konzertberichte Ostrock allgemein 15.02.2010 18:59
von PM | 4.235 Beiträge | 5060 Punkte

Da hab ich nun gerätselt, welche kulturellen Pfade du wohl dieses Wochenede einschlagen würdest - auf Jügen Kerth bin ich nicht gekommen - aber ich sehe - super Veranstaltung gewesen. Danke für die ausführliche Schilderung des Ereignisses und den kleinen Seitenhieb in Richtung der Musiker - die unsere Altersgenossen genießen - und die uns zum Glück erspart bleiben.


Klick mal druff hier:

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#3

RE: JÜRGEN KERTH live "vom Balkon" der Erdgas-Arena RIESA

in Konzertberichte Ostrock allgemein 16.02.2010 20:51
von Mary (gelöscht)
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NEIN..., eigentlich kann ich nicht schon wieder sagen, wie gern ich hier dabei gewesen wäre (ich tu's trotzdem!), dass ich mit "Peter, dem Freund und Techniker von J. Kerth" bei MySpace debattiert hab..., ich habe wieder mal verloren...
Schön, dass ich hier davon lesen kann, Fotos sehen kann..., aber..., es ist nicht daselbe wie "dabei-gewesen-zu-sein"...
Trotzdem..., danke Hartmut!

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