Rio Reiser gehört zweifellos zu den wichtigsten Künstlern Gesamtdeutschlands. Sein unbequemer Geist, seine Unangepaßtheit und sein musikalisches Talent haben tiefe Spuren in der Gesellschaft und in mir persönlich hinterlassen. Dass ich ihn vor über 20 Jahren live erleben durfte, war für mich ein Glücksfall. Mit einigen seiner Lieder verbinde ich auch ganz persönliche Erinnerungen. In den letzten Monaten meines Studiums war „Junimond“ der Hit in unserer munteren Studiengruppe.Es war praktisch unsere Hymne und egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit das Lied im Radio lief, gab es für uns nur eine Devise nämlich Lautstärke aufdrehen und voller Inbrunst mitsingen, besonders bei der Strophe „2000 Stunden hab ich gewartet, ich hab sie alle gezählt und verflucht…“ Das geht mir übrigens heute noch so, wenn der „Junimond“ irgendwo erklingt.
In der Zeit nach der Wende kam mir „Zauberland“ dann wie Rio’s Abgesang auf die untergehende DDR vor.Sicher hatte Rio das Lied damals anders gemeint, aber ich empfand es so. Viele meiner Hoffnungen wurden damals zu Grabe getragen, andere erfüllten sich plötzlich und die melancholische Melodie sowie der bärenstarke, verletzlich klingende Text von „Zauberland“ paßten irgendwie zu meiner damaligen Stimmung. Ich werde dieses Jahr 46 Jahre alt. Rio Reiser starb am 20.August 1996 in diesem Alter. Ups…ich hab mal wieder viel zu viel Persönliches geschrieben.Doch kommen wir jetzt zum gestrigen Konzertabend:
WunderbunTd, eine Band aus Sachsen hat sich dem Erbe Rio Reisers verschrieben und diese Kapelle beobachte ich schon lange. Dank unserer Freundin Petra sind wir ja in Sachen WunderbunTd auch immer aktuell auf dem Laufenden. Die Gelegenheit mir mal ein eigenes Urteil über das Rio Reiser – Programm der Band zu bilden war gestern also günstig wie nie.
Das Chill out im Freiberger Tivoli war der nahezu perfekte Ort für diese Mugge. Der Laden ist klein, aber fein. Ich war erstmal ganz schön erstaunt und positiv überrascht, so viele deutlich jüngere Leute im Publikum zu sehen. Also hat der Bohlen – Wahn doch noch nicht die ganze Jugend erfaßt. Das läßt für die Zukunft hoffen. Vor dem Konzert sagte uns Keyboarderin Isolde, dass die Damen und Herren der Band heute besonders gut drauf sind, was für den weiteren Verlauf des Abends schon mal super wäre. Dann wurde es endlich WunderbunTd auf der Bühne. Der erste Gedanke, der mir zu Sänger Jens Lommatzsch einfiel war, dass der Junge aussieht wie der Fachberater vom Baumarkt um die Ecke. Aber Jens kann hervorragend die Songs von Rio singen. Manchmal klang es wird verdammt nach Rio, was Jens zum Besten gab. Dabei kopiert die Band Reiser nicht stumpf, sondern spielt die Songs mit Herzblut und in eigener Weise. Die Spielfreude von WunderbunTD hat mich auch sofort überzeugt.Die 2 Frauen und die 7 Männer ließen bei mir zu keiner Sekunde über ihre Show irgendwelche Zweifel aufkommen.
WunderbunTd kann mit einer famosen Bläsergruppe auftrumpfen und auch das verleiht den Songs ein anderes Gesicht. Die beiden Gitarristen Robert Troschitz und Tiborc Csende steuerten so manches muntere Solo zum Gelingen des Abends bei. Mirko Gelbrich und Hans Wulf von der Rhythmus-Sektion(Schlagzeug und Bass) standen ihren Kollegen in punkto Musikalität keineswegs nach. Heraus kam dabei die wunderbunTde und eigenständige Interpretation absoluter Klassiker aus dem Schaffen von Rio Reiser.
Die Titelauswahl war für meinen Geschmack absolut nicht zu toppen. Von der Ton, Steine, Scherben – Zeit bis zu Reisers erfolgreichsten Solo-Titeln war alles vertreten, was ich mir im Vorfeld gewünscht hätte. Manchen Politiker kann ich einen Besuch bei WunderbunTd empfehlen, um mal Volkes Stimme zu hören. Die „dieses Land ist es nicht“-Rufe des Publikums bei „Der Traum ist aus“ würde so manchem dieser Damen und Herren einen Schauer der Ernüchterung über den Rücken jagen. Überhaupt waren die Besucher des Konzertes aktiv am Geschehen und an der Musik beteiligt. Viele sangen die Lieder mit, tanzten und /oder wippten begeistert mit.
Eine andere, zartere Note kam rein, wenn Keyboarderin Isolde Lommatzsch Gesangsparts übernahm. Mir liefen bei dem von Jens und Isolde wechselseitig gesungen „Zauberland“ jedenfalls auch Schauer über den Rücken. Es waren aber wohlige Schauer. Frontmann Jens Lommatzsch unternahm auch den einen oder anderen Ausflug ins Publikum, was die Gemeinsamkeit zwischen Band und Publikum natürlich noch verstärkte. Der Typ ist als frontamm sowieso eine Messe, seine Mimik und seine Gesten unterstreichen die Lieder bestens. „Keine Macht für Niemand“, Warum geht es mir so dreckig“, “Mein Name ist Mensch“ und selbstverständlich „Alles Lüge“ waren weitere Highlights der Setlist. Ab und an wurden als Ansage von Isolde oder Jens Zitate aus der noch zu Rio’s Lebzeiten erschienen Autobiographie“Rio Reiser – König von Deutschland“ vorgetragen. Das waren für mich so die besinnlichen Momente.
„Für immer und dich“ war der offizielle Schlusspunkt des Konzertes oder sollte es zumindest sein, aber natürlich wollte das Publikum mehr und so legten die WunderbunTden gerne noch eine Sonderschicht ein und natürlich kam bei den Zugaben auch der „Junimond“ vor.
Nach der Mugge hab ich natürlich auch am Merchandisingstand noch gerne etwas Geld gelassen. Was bleibt noch zu sagen? Eigentlich nur das: Ich kann euch ein Rio Reiser - Konzert mit WunderbunTD nur wärmstens ans Herz legen.
Gruß Kundi