Gestern gab es das nächste Konzert – Osterei für mich und das schenkte ich mir selbst. Ich war also mal wieder auf Solopfaden und die Tour ging mal wieder in die KUFA nach Hoyerswerda. Der Eintritt zum musikalischen Sowjetparadies von 44 Leningrad( gesprochen auch Four Four Leningrad) mußte natürlich in Euro gelöhnt werden, war mit 12 Euro jedoch sehr erschwinglich. Es fand sich nach und nach eine muntere Gesellschaft zusammen, in der vom Punk bis zum Mitfünfziger so ziemlich alles vertreten war, was meiner Meinung nach schon mal einiges über die Beliebtheit der Band aussagt.
Gegen 21.20 Uhr ging das Saallicht aus, die Bühne wurde in blaues Scheinwerferlicht getaucht und es wurde feierlich;-). Zu den Klängen der sowjetischen Nationalhymne hielten die Dame und die 4 Herren von 44 Leningrad Einzug. Nahtlos schloß sich ebenfalls von der Konserve die bombastisch-schwülstige Hymne „Der heilige Krieg“ („Священная Война“) an. Dieses von einem Männerchor gesungene Werk kennt wohl nahezu jeder, der im Osten aufwuchs und die Band ließ es schweigend und stillstehend bis zum letzten Ton ausklingen. Ich feixte währenddessen zufrieden vor mich hin. Sowas habe ich erwartet und deshalb war ich hier. Das waren aber die letzten Sekunden, in denen die Band stillstand, denn mit dem „Geburtstagslied“ ging dann gleich die sprichwörtliche Lucie ab. Dann gab es die erste kleine Panne, denn der Haltegriff des Schifferklaviers verabschiedete sich. Doch die Band löste das sehr souverän und im alten Stil. Improvisieren haben wir ja gelernt. Mit reichlich Klebeband wurde das Malheur beseitigt. Fortan wurden dann aber alle Hebel auf Vollgas gestellt.
Der Musikstil der Potsdamer Band ist schwer zu beschreiben, die einen nennen es Post – Sowjetpunk, die anderen nennen es Russian – Speed – Folk. Beides ist wohl treffend und auch wieder nicht, denn
was da durch die Boxen schallt, ist ein Gebräu aus Rock, Punk und Ska, das mit den schwermütigen Melodien von Mütterchen Rußland vermischt wird. Kann das funktionieren? Aber sicher und wie. Nach wenigen Minuten tanzt der halbe Saal mit. Die Band spielte wirklich mit Karacho. Ich habe lange nicht so ein wildes und antreibendes Schlagzeug gehört. Ein Schifferklavier und zeitweise eine Klarinette sorgen für den richtigen russischen Touch. Der Frontmann bewegte sich etwas seltsam und war auch gekleidet, wie sich unsereiner einen drittklassigen Moderator von TV Omsk oder Radio Nowosibirsk vorstellt. Doch der Spaßfaktor war sehr hoch. Am Mikrofonständer war eine Buratinopuppe befestigt. Solch eine Puppe schmückte früher manches Zimmer im Osten. Sie war ein beliebtes Reisemitbringsel von Leuten, die aus der Sowjetunion zurückkamen. Mit bekannten Kosakenmelodien und reichlich Action auf der Bühne wurde das Publikum bestens warm gespielt.
Einige Lieder wurden in Deutsch, andere in Russisch gesungen. Die Combo aus Potsdam spielte natürlich auch einige ihrer eigenen Titel. Immerhin hat sich in 20 Jahren Bandgeschichte da einiges angesammelt. Der Bass hat bei 44 Leningrad fast die Funktion eines Wanderpokals, denn das Ding wurde abwechselnd vom Sänger, dem Gitarristen und dem strukturmäßigen Basser gespielt. „Troika“ wurde vom Gitarristen und vom Basser mit einer Tanzeinlage aufgepeppt, die darin gipfelte, dass der Bassmann „erschöpft“ zusammenbrach und er vom Drummer mittels Wodka wiederbelebt werden mußte. Nach Schto Gramm vom gebrannten russischen Wässerchen war mir in dem Moment auch irgendwie. Das würde den Spaßfaktor wohl in ungeahnte Dimensionen steigen, aber ich bin ja ein vorbildlicher Kraftfahrer und Lissi war ja daheim;-).
Mir fehlten aber zu meinem Glück noch ein paar Melodien. Diese hatte sich die Band aber bis fast zum Schluß aufgehoben. In einem Medley kamen sie dann die sowjetischen Klassiker vom „Lied der unruhevollen Jugend“( („Песня О Тревожной Молодости“), über die „Warschawjanka“ und „Partisanen vom Amur“ bis jin zum internationalen Partisanenlied „Bella Ciao“( das dürften viel von Hannes Wader kennen). Natürlich hatte ich die Texte, teilweise auch in Russisch gesungen, noch drauf. Viele dieser Lieder sangen wir ja in der Schule eher unfreiwillig und später im Singeclub sogar freiwillig. Meine alten Sangeskumpel Vize und Tommy S. können ob meiner gesanglichen Fähigkeiten sicher ein Lied klagen*g*;-).
Mir der ostdeutschen Sandmann-Melodie schickten uns die wackeren Streiter von 44 Leningrad dann endgültig in die Nacht hinaus.
Gruß Kundi