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LIVE in das Wochenende - LOS PAPERBOYS aus Canada

in Off-Topic 07.05.2010 16:42
von HH aus EE (gelöscht)
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Eine musikalische Transamericana - Los Paperboys, Canada

So ein Mistwetter aber auch an diesem Donnerstag, dem 6. Mai. Am liebsten alles stehen und liegen lassen, vielleicht etwas finden, das die gute Laune reaktiviert, etwas wie einen Gute-Laune-Gutschein für mein Gemüt.
Eine Reise von Mexico über den Süden der USA bis ganz nach „oben“, dort wo Canada liegt, zur Westküste nach Vancouver. Das hätte was, vor allem dann, wenn man außer mit seinen Augen ständig faszinierende Landschaften neu zu entdecken, beide Ohren in die Volksmusik der jeweiligen Landschaften versenken würde. Das wäre ein Ohrenschmaus und eine Entdeckungsreise der ganz besonderen Art. So eine musikalische Reise zu unternehmen, wäre mal die Verwirklichung der völlig anderen Idee von Erholung und Entspannung.

Die Idee dazu kam im Laufe des Tages spontan und dank Internet. Zwar gab es eine Planung für das Konzertwochenende, aber in diesem Augenblick war sie gerade über den Haufen geworfen. Bye, bye Singwitz, Torgau oder Leipzig, ihr müsst noch eine Weile auf mich warten, denn meine besondere Vorliebe für Folkmusic und das Ausgefallene hat wieder einmal Oberwasser bekommen.
Am Abend und mitten in der Woche hab’ ich mich in eine stilvolle Kneipe gesetzt, das Brauhaus Radigk in Finsterwalde, und ein paar Stunden mit genau der Musik erlebt, die so eine Reise zu bieten hätte. Das alles mit LOS PAPERBOYS, einer Band aus Vancouver in Canada, die ich vor Stunden noch nicht einmal dem Namen nach kannte und die gerade in Europa auf Tour sind. Auf der Fahrt dorthin ging mir wieder einmal eine Melodie der DDR-Singebewegung durch den Kopf: „Wenn die Neugier nicht wär’…“.

Die fünf PAPERBOYS sind eigentlich vier sehr unterschiedliche Typen von Mann sowie eine sehr nett anzuschauende kleine Lady. Direkt vor mir auf dem Podium im Brauhaus Radigk steht einer von ihnen, an dem würde ich draußen in der Hektik des Lebens glatt vorüber gehen. Nichts von einem Star, gleich gar nicht „Superstar“ und doch ist er einer. TOM LANDA, in verwaschenen Jeans, einem kurzärmligen Hemd und so einer Schiebermütze auf dem Kopf, die heutzutage die langen Haare von damals ersetzt, ist er der PAPERBOY beinahe in Personalunion. Er schreibt die meisten Songs und singt sie auch. Er gibt ihnen mit seiner Mexicanischen Herkunft und dem Canadischen Lebensgefühl eine eigene und sehr prägnante Seele und uns ein ganz besonderes Erlebnis beim Zuhören.

Der Opener des Abends „Rain On Me“ versetzt die Räumlichkeiten von jetzt auf gleich in eine sehr stimmungsvolle Gefühlswelt irgendwo zwischen südlich beschwingten Rhythmen und nördlicher Big-City-Hektik. Mein erster Gedanke ist Paul Simon und „Graceland“. Als ich nach dem Konzert Tom davon erzähle, nickt der ganze begeistert und den nachfolgenden Redeschwall kann ich dann inhaltlich nur noch erahnen.
Es ist die besondere Mischung aus keltischem Flair, mittelamerikanischem Temperament und all den anderen Spielarten wie Bluegrass oder Americana, die beim Zuhören fröhlich macht und einen zwingt, mit den Füßen zu wippen. Es ist Mitsingen und Mitmachen angesagt, wer kann und möchte, obwohl wir im kühlen Deutschland sind.

Auf diese Weise spielen sich die PAPERBOYS offensichtlich durch das Repertoire ihrer bisher acht erschienen CD-Veröffentlichungen. Mich beeindrucken das sehr emotionale „Get Well Soon“, das wunderschöne „California“, bei dem wir alle sogar mitsingen können, und „Comfort And Kind“ mit dem faszinierenden Zusammenspiel von Fiddle und Whistle. Die beiden Instrumentalisten GEOFFROY KELLY, übrigens Mitbegründer der legendären SPIRIT OF THE WEST, mit seinen Flötenkünsten und die attraktive KALISSA HERNANDEZ mit ihrer Fiddle, sorgen für spontane Beifallsbekundungen und Pfiffe zwischendurch. Es stimmt einfach alles!

Es gibt eine sehr emotionale Kostprobe aus TOM LANDA’s Heimatland Mexico, die er auch so ansagt: „Mechico“. „Camara Obscura“ vom aktuellen Album „Callithump“ hat alles, was der Europäer von so einem Song erwartet. Viel Gefühl und ein Hauch von Sentimentalität, begleitet von dieser Spanischen Mini-Ausgabe einer Gitarre, deren Bezeichnung ich vergessen habe.
Einer, der diesem rhythmischen Durcheinander der Stile zu jeder Zeit seinen Stempel aufdrückt, ist SAM ESECSON an seinen Drums. Bei dieser Spanischen Sektion sitzt er auf einer Holzkiste und trommelt, klatscht und klopft die Rhythmen mit seinen Händen und Fingern aus dem Holz. Dieses beeindruckende Wechselspiel muss man mal erlebt haben und man kann nur vermuten, dass der Mann wahrscheinlich ein Rhythmus-Gen im Blut haben muss.

Das gleiche erleben wir noch einmal, als KALISSA mit ihrer Fiddle und BRAD GILLARD mit dem Banjo tief in Schottisch-Irische Folklore eintauchen und mehrere berauschende Jigs zum Besten geben. Mir war, als hätten die Saiten geglüht und der Bogen bei KALISSA hat auch einige (Roß)Haare lassen müssen.

Einen einzigen geliehenen Song bekommen wir an diesem Abend zu hören. Die Interpretation von Van Morrison’s „Into The Mystic“, eine kleine Geschichte aus dem ländlichen Leben Irlands, passt nahtlos zum Stil der Band aus Canada. Danach gibt’s Vollgas, denn die PAPABOYS toben sich und ihre instrumentalen Fertigkeiten mit „Get Away“(?) aus, immer wieder neue Ansätze und immer wieder neue Einwürfe suchend. Da hört man plötzlich den Refrain des Klassikers „Ring Of Fire“ und danach eine Persiflage auf „Rivers Of Babylon“ frei nach Boney M. Die Urmusikanten animieren zum Mitsingen bei „(Take Me Home) Country Roads“ und scheuen sich nicht davor, aus „Guantanamera“ eine fröhliche Ska-Nummer zu machen und einen Bob Marley-Touch einzufügen. Da fällt so manchem die Kinnlade runter und wenn’s nicht so blöd aussehen würde, hätte man/ich eigentlich aufspringen und zum ansteckenden Rhythmus mittanzen müssen. Warum nur traut man(n) sich eigentlich nicht…..? Als ich’s bemerke, ist es zu spät und der kurzweilige musikalische Streifzug quer durch alle möglichen Stilrichtungen an der Transamericana entlang schon wieder am Ende. Schade.

Wahrscheinlich war das Brauhaus in Finsterwalde nur eine kleine Zwischenstation von LOS PAPERBOYS inmitten unserer Arbeitswoche und deren Tour-Highlights. Wir erlebten eine bezaubernde Kneipen-Show aus einer etwas anderen Musikwelt und die Musiker ein rundes Hundert glänzender Augenpaare kurz vor Mitternacht. Am Wochenende werden sie wieder als Headliner vor Tausenden auf großer Bühne stehen. Uns blieb das Privileg, mit einer der beliebtesten Canadischen Folk-Bands dieser Tage einen Abend mit Tuchfühlung genießen zu dürfen und gemeinsam zwischen Tresen und Bänken ein paar informative Worte und freundliche Gesten zu tauschen sowie unser Bier zu trinken.

Was eigentlich möchte man mehr, wenn draußen der nächtliche Regen prasselt und die regennasse Straße so gar keine staubige Landstraße irgendwo in „Mechico“ sein will. Heut’ Nacht werde ich mich dorthin träumen, … „save me, please help me find my way home” („Save Me”)….


http://www.paperboys.com
http://www.radigks.de

Angefügte Bilder:
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zuletzt bearbeitet 08.05.2010 12:07 | nach oben springen

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