#1

MODERN SOUL BAND live im 42. Jahr - KuFa in HoyWoy

in Konzertberichte Ostrock allgemein 23.05.2010 15:30
von HH aus EE (gelöscht)
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Es ist sicher unmöglich, gegen ein PUHDYS-Pfingst-Wochenende "anzuschreiben", aber was soll's, schließlich gibt's ja außer den fünf älteren Herren noch andere, die mindestens im gleichen Alter und sogar noch länger dabei sind:

Soul-Feeling & Party-Time – die MODERN SOUL BAND in Hoywoy
( Support: Piano Power Station )


Hätte ich eine Zeitmaschine zur Verfügung, dann würde ich mir, neben einigen anderen Späßen, ab und an eine Rückkehr zu so manchem Samstagabend in das Gesellschaftshaus Hoppenz Elsterwerda oder in das HdW, „Haus der Werktätigen“ (Haus der Wilden), in Bad Liebenwerda gönnen. Nicht nach dem legendären Watzdorfer stünde mir der Sinn, sondern ich würde einfach noch einmal einige von jenen Bands mit den damaligen Musikern erleben wollen, die es heute so schon längst nicht mehr gibt, weil die Zeit und die Natur inzwischen gnadenlos zugeschlagen haben.
Die Klaus Renft Combo wäre so ein Wunsch, Bürkholz, Schikora und die Berolina Singers auch und auf jeden Fall noch einmal die MODERN SOUL BAND mit dem unvergleichlichen KLAUS NOWODWORSKI – man wird ja wohl noch träumen dürfen!?

Die MODERN SOUL BAND war wohl die einzige Band der DDR, die das tat, was ihr Namen verhieß – sie spielte immer und zu jeder Zeit modernen und zeitgemäßen Soul, egal, was gerade angesagt war und international im Trend lag. Soul war das Stilmittel, Funk, Jazz, Boogie und Blues die jeweiligen Zutaten und die Melange, die dabei entstand, war typisch nur für diese Band. Die einzige ihrer Art hierzulande!
Lange bevor bandübergreifende Projekte, wie etwa die Gitarreros, auf der Bühne standen, gingen Klaus Lenz und „Hugo“ Laartz schon 1973 als BIG BAND auf Tour und zwei Jahre später noch einmal, um Jazz, Soul, Blues und Boogie unter die Leute zu bringen. Designer von heute sollten sich mal die Flyer von damals ansehen und staunen, was in diesem abgegrenzten Land, Dank der Kreativität heller Köpfe, alles möglich war und heute noch Maßstäbe zu setzen vermag.

Wenn es jemanden gibt, der Rock „Made in GDR“ von den Anfängen bis zur Gegenwart aus eigenem Erleben, aus dem eigenen Nähkästchen und mit eigener Erfahrung verkörpert, dann ist es GERHARD „HUGO“ LAARTZ. Er kennt sie alle persönlich, viele kenne ich auch und diesen Mann erst recht. Ich sah ihn auf der Bühne in Elsterwerda, bei den Betriebsfestspielen (ostdeutsch = Event für Arbeitnehmer) und im HdW. In Ermangelung einer Zeitmaschine fuhr ich also gestern mit meinem Blechfreund nach Hoyerswerda zur Kulturfabrik. Dort wollte ich „HUGO“ treffen und die MODERN SOUL BAND wieder erleben – endlich!

Das Spiel mit der Zeitmaschine setzte sich fort, als sich eine Gelegenheit ergab, mit „olle Hugo“ über die vergangenen Zeiten zu fabulieren, in die Welt alter Fotodokumente einzutauchen und Namen Revue passieren zu lassen. Bei den MUSIC STROMERS sah ich glänzende Augen ebenso, wie bei KLAUS NOWODWORSKI, CHRISTIAN SCHMIDT oder CONNY BAUER. Mit diesem „Hugo“ lässt sich noch immer trefflich und sachkundig plaudern.
Der Mann wäre mal ein Geschichtsthema im RBB in Sachen „Rock-Giganten“ wert – wer will schon immer diesen Lindenzwerg, Gröhlemeyer & die Toten Dosen bewundern müssen? Wir haben hierzulande auch richtige Könner, die erst der Allmacht des Staates und jetzt der der Medien ausgeliefert waren bzw. sind und denen dies dennoch immer noch zwei Meter am Arsch vorbei rauscht!

Doch die eigentliche Überraschung fand vor diesem Konzert statt, denn auf die „Vorband“ PIANO POWER STATION war ich nicht gefasst und auf ein Wiedersehen mit HARALD WITTKOWSKI, einst Keyboarder bei POND, BABYLON und JOCO DEV, auch nicht.

WITTKOWSKI hat sich mit seinem neuen Trio dem Boogie Woogie, dem Blues und dem Rock’n’Roll, und damit den Wurzeln von Rock und Pop, verschrieben. Auf zwei Pianos agieren Wittkowski und sein ehemaliger Schüler Hendrik Hache, sowie Robby Hund am Schlagzeug, als müssten sie erst noch beweisen, wie toll die Anfänge heutiger Rockmusik einst klangen und wie ideenreich man Stücke von Bill Haley, Wonda Jackson oder den Beatles („Lady Madonna“) bearbeiten kann. Selbst Leonard Bernstein’s „America“ erhielt auf diese Weise ein Soundgewand, das die Vorlage von Keith Emerson zwar noch erkennen ließ, aber dem Original von Bernstein und dem Gefühl jener Zeit deutlich näher war.

Die eigenen Kompositionen von Harald Wittkowski („Last Summernight“, Power Machine“ oder „Let Me Go“) lassen das Gespür des Musikers für diese Musik und seine Liebe zum Detail erkennen. Die Glanzstücke der reichlichen Stunde sind das Zusammenspiel der beiden Tastenmänner sowie die Improvisationen und Zitate („Chattanooga Choo Choo“), die reichlich im Programm versteckt sind.
Dieses PianoPower-Trio zeitlich vor die MODERN SOUL BAND zu setzen, war offenbar vom Veranstalter wohl überlegt und die meisten im Saal, bis auf wenige zähneknirschende Ausnahmen, sahen das wohl auch so, denn ohne Boogie Woogie, Rock’n’Roll und Blues hätte sich „Hugo“ Laartz wahrscheinlich doch in einem „richtigen“ Job quälen müssen. Das ist ihm zum Glück erspart geblieben und wir können uns seit 42 Jahren an der Musik der MODERN SOUL BAND erfreuen.

Die enterte kurz vor 23.°° Uhr das Podium in der Kulturfabrik und von diesem Moment an war die Luft stickig, schweißgetränkt und soulgeschwängert. Vom ersten Moment an offenbarte sich die eigene und besondere Klasse der „Laartz-Combo“ und wie beim Soul üblich, versetzte diese Mixtur die Körper in Schwingungen und aus Zuschauern wurden Tanzende.

Was ist das doch für ein Genuss, statt monoton stampfender Bass-Beats schneidende Bläsersätze um die Ohren geballert zu bekommen, über die sich die saugeile starke Soul-Stimme von DIRK LORENZ erhebt. Die drei Bläser D.- MERCEDES WENDLER (sax), FERRY GROTT (tromp) und Altmeister DAGOBERT DARSOW (pos) sind einfach nur Balsam und Freude für die Ohren und ein optisches Glanzlicht obendrein. Daneben tobt sich DIRK LORENZ mit Mikro, Tanzeinlagen und als „Frontsau“ (seine eigenen Worte) aus, steigert sich mit Soulgefühl und mit „Searching For The Right One“ immer mehr in die Musik.

Das erste Solo des Abends ist das der Posaune und das eines Mannes, der wohl am längsten an der Seite des Bandleaders steht. DAGOBERT DARSOW ist noch immer der Alte und ein Könner. Wahrscheinlich hat der mehr Musik im Blut, als anders herum. Das trifft natürlich auf den Mann an den Tasten erst recht zu. GERHARD „HUGO“ LAARTZ hält sich zwar ein wenig hinter den linken Boxen versteckt, aber wenn es aus ihm heraus bricht, ist er ein Energiebündel, das seine Finger auf den Tasten tanzen und springen lässt, so wie bei „It’s Over“ wird er das im Laufe des Abends noch öfter demonstrieren.

Mit „Niemals will ich Dich verlieren“ spielt die Band ein sehr emotionale Soul-Ballade, um danach mit einem Medley von bandeigenen Klassikern an die lange und erfolgreiche Geschichte der SOUL BAND zu erinnern. Da meint man schon mal zwischendurch die Stimme von Soul-Sänger NOWODWORKSI aus’m Himmel zu hören und beim „Berliner Song“ war mir ein wenig nach CHRISTIAN SCHMIDT. Was hatte die beiden doch, und jeder für sich, für unverwechselbare Stimmen!

Der Abend war eine einzige Soul-Messe. Gefühlvolle Nummern („Ich fühl dich nur im Traum“) wechselten mit knackigen und hitzigen Stücken, die einfach nur zum Mitmachen zwangen, egal ob man gerade saß oder vor der Bühne stand. Mich hat „Casablanca“ in besonderer Weise begeistert. Zum einen war es das hinreißende Trompetenspiel von FERRY GROTT und zum anderen, seine soulige Rap-Einlage, die den kleinen Saal zum Kochen brachte. Wer sagt denn, dass Soul ein schwarzes Gesicht haben muss?

Klar doch, an so einem Abend dürfen die All-Time-Klassiker nicht fehlen und seine Begeisterung für Stevie Wonder war DIRK LORENZ bei „Superstition“ auch bestens anzumerken. Das war Party pur und ließ sich nur noch mit James Brown’s „Sex Machine“ steigern. Genau so ist es auch geschehen. Das anschließende Soul-Medley, inklusive eines hämmernden Bass-Solo’s von CARSTEN MUTSCHALL, war durchaus auch eine Erinnerung an die Zeit, als wir vor dem Dampfradio sitzend der Stimme von Otis Redding gelauscht und mitgesummt haben: „I’m sittin’ on the dog of the bay, wastin’ time...”. Es tut gut, sich längst vergangener Tage und versteckter Gefühle wieder zu erinnern! Cool sein liegt mir nicht.

Mein Höhepunkt jedoch war jener Song, der auf ewig mit der Stimme von Stevie Winwood und dem Sound der Hammond verbunden bleibt. „Gimme Some Lovin“ von der Spencer Davis Group war für mich gestern die Brise Salz in der Suppe und so etwas wie Vorausfreude auf das Original im kommenden Juni und damit ging der Abend im kleinen Schmelztiegel von Hoyerswerda zu Ende - „Had A Good Time“. Die auf der Bühne hatten gerade, kurz nach Mitternacht, schwitzend ihren ersten Frühsport auf der Bühne absolviert und wir davor hatten auch keinen trockenen Fetzen mehr am Leib. So muss es sein, wenn der Soul und Blues im Körper schwingen.
In einer der ersten wärmeren Frühsommer-Nächte war dies der Platz für „Blut, Schweiß und Tränen“. Auch wenn die Band diesmal leider auf deren Klassiker verzichtet hatte, das Gefühl, wie dieses „Hi-De-Ho“ beschwingt in die Nacht zu entfleuchen, war da.

Im Auto sitzend, langsam, um die Rehe nicht zu stören, durch die nächtlichen Wälder fahrend, hatte ich dann genug Muse, meine innere Uhr wieder aus der Zeitreise zurück zu drehen. Ich kam mir vor, wie in dieser Blechkiste aus dem gleichnamigen Film, nur das meine „Zeitmaschine“ meine eigenen Erinnerungen sind, die wahr sind, weil ich sie erlebt und gelebt habe und die ich gestern durch einige sehr schöne Momente für die vor mir liegenden Jahre und Zeit ergänzen konnte - DANKE Hugo, thanx MODERN SOUL BAND!



http://www.modern-soul-band.de
http://www.piano-power-station.de
http://www.kufa-hoyerswerda.de

Angefügte Bilder:
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zuletzt bearbeitet 03.06.2010 08:19 | nach oben springen

#2

RE: MODERN SOUL BAND live im 42. Jahr - KuFa in HoyWoy

in Konzertberichte Ostrock allgemein 23.05.2010 16:02
von Bernd (gelöscht)
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Ja, lieber Hartmut, es ist wirklich schwer, zu Pfingsten gegen die PUHDELS zu bestehen, auch wenn ihr einen "Hund" am Schlagzeug hattet.
MSB schon ein legendärer Begriff aus tiefer DDR-Zeit, namhafte Musiker sind auch - ähnlich Pantha Rhei - aus dieser MSB hervorgegangen.
Wenn ich Deine Eindrücke so lese, merkt und spürt man, wie leibhaftig Du diese Musik regelrecht lebst. Und diese Vielfalt ist gut für uns alle hier im Forum !
Danke, daß Du uns daran teilhaben läßt.

zuletzt bearbeitet 23.05.2010 16:03 | nach oben springen

#3

RE: MODERN SOUL BAND live im 42. Jahr - KuFa in HoyWoy

in Konzertberichte Ostrock allgemein 23.05.2010 16:29
von PM | 4.235 Beiträge | 5060 Punkte

Danke Hartmut - und denke nicht, wir lesen das nicht ... auch wenn wir gerade mal im Pudels Fieber sind. In der Kufa war ich dieses Jahr bei Polkaholix, gefällt mir dort super und kann mir vorstellen, dass es da wieder ein sachkundiges Publikum gab.


Klick mal druff hier:

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#4

RE: MODERN SOUL BAND live im 42. Jahr - KuFa in HoyWoy

in Konzertberichte Ostrock allgemein 24.05.2010 19:47
von Kundi (gelöscht)
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Natürlich lese ich Hartmuts Beiträge immer, komme aber erst jetzt dazu mich auch dazu zu äußern.
MSB ist eine der Legenden hierzulande und gerne hätte ich sie auch in Hoywoy gesehen, aber der Termin lag halt ungünstig.

Ist Pitti gar nicht mehr dabei oder war der mit RENFT unterwegs???

LG Kundi

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#5

RE: MODERN SOUL BAND live im 42. Jahr - KuFa in HoyWoy

in Konzertberichte Ostrock allgemein 24.05.2010 20:23
von axel (gelöscht)
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pitti hat nach einem würdigen ersatz gesucht, bevor er sich zurück gezogen hat. und natürlich war er mit renft unterwegs :-)

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#6

RE: MODERN SOUL BAND live im 42. Jahr - KuFa in HoyWoy

in Konzertberichte Ostrock allgemein 24.05.2010 20:53
von HH aus EE (gelöscht)
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Der Mann an der Gitarre ist JENS JENSEN.

Er ist eine Generation jünger als Pitti und alles andere als ein „Ersatz“ für ihn. Der bringt, durch seine Erfahrungen in den USA, den Sound der MSB noch ein Stückchen näher nach Chicago oder New Orleans. Außerdem ist er nicht nur Musiker, sondern auch Komponist (PANKOW!) und spielt ein saugeiles Brett.

Ich bin von seiner Spielweise begeistert, auch wenn ich mich im Bericht voll und ganz auf HUGO konzentriert habe. Von dem werden wir noch hören, jede Wette.

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