#1

Barbara KELLERBAUER & Tina TANDLER live im Gut SAATHAIN

in Konzertberichte Ostrock allgemein 31.05.2010 16:55
von HH aus EE (gelöscht)
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Zwischen Himmel und Meer - Lieder, Songs & Jazzpoesie
mit Barbara Kellerbauer und Tina Tandler


„Willst du immer weiter schweifen?
Sieh’, das Gute liegt so nah.
Lerne nur das Glück ergreifen,
denn das Glück ist immer da.“

Goethe’s Worte offenbaren, dass auch er, trotz seiner vielen Reisen in die Ferne, die Schönheit und Geselligkeit in nächster Umgebung wohl zu schätzen wusste.

Zwar heiße ich nicht Johann Wolfgang und ein Liebhaber großer Auslandseinsätze bin ich auch nicht gerade, aber wenn ein Konzert lockt mit Musik, die mir unter die Haut zu gehen vermag, dann nehme ich auch schon mal eine längere Strecke auf mich und genau das war in diesem Fall nicht nötig. Der kleine Ort Saathain mit dem gleichnamigen Gut und der alten Fachwerkkirche liegt quasi um die Ecke. In der Stadt war mir ein Plakat aufgefallen und die kleine Notiz in der Lokalpresse hatte ich auch entdeckt.

Es sah so aus, als könnte dieser Sonntagnachmittag doch noch mit Sonne und ein wenig blauen Himmel überzeugen. Da lohnt sich ein Besuch im Saathainer Rosengarten gleich neben dem alten Gutshof. Dort steht auch die alte und liebevoll restaurierte Fachwerkkirche in der BARBARA KELLERBAUER sowie die sie begleitenden Musiker angekündigt sind. Auch der Name TINA TANDLER, die etwas Reiferen erinnern sich bitte an KERSCHOWSKI, ist auf dem Plakat zu lesen. Diese Kombination verhieß Spannendes und Überraschendes dazu und ich wollte dabei sein, wieder einmal.

Lieder „Zwischen Himmel und Meer“ hatten dann aber wohl doch wieder das unterschwellige Thema Fernweh, Sehnsucht nach Meer und Weite im Schlepptau, wenn auch aus einem Dorf im Süden Brandenburgs heraus beobachtet. Doch die Fantasie durchdringt Kirchenmauern, überwindet Gutshofgrenzen und drängt weit hinaus, dorthin, wo am Horizont Sonnenstrahlen und dunkle Regenwolken miteinander spielen.

Genau das vermag Musik, wenn man sich einlässt. Leise und verträumte Pianoklänge erfüllen das enge Kircheninnere, der Blick gleitet zur Decke und ich erblicke auf Holz gemalte Motive, die zum Träumen verführen und plötzlich mischt sich der warme Klang eines Saxophons darunter – die Gedanken sind in „Sealand“ angekommen. FRED SYMANN am Piano und TINA TANDLER mit ihrem Saxophon machen einem das Träumen aber auch leicht.
Als wäre dies noch nicht genug Verführung, packt mich die Stimme von BARBARA KELLERBAUER und mit dem „Liebeslied“ („Ich mag die Blüten am Baum“), vor langer Zeit von Christel Schulze gesungen und hier im stimmungsvollen Duett mit ihrer Tochter, geht die Traumreise weiter.

„Himmel und Meer“ ist einer der frühen Songs von BAYON, der dem Liederabend den Namen gab und der hier im Zusammenspiel von Gesang, BARBARA KELLERBAUER und Tochter JOHANNA, Piano und dem Saxophon der TANDLER mal wieder eine neue Nuance bekommt.
Auf meiner Traumreise bin ich inzwischen weit weg, während die Zauberstimmen von Mutter und Tochter KELLERBAUER vor mir „Stell’ dich mitten in den Regen (glaub’ an seinen Tropfensegen)“ singen. Noch so ein Klassiker.

Mir geht’s richtig gut und während ich das noch genieße, beginnt ein roter Wuschelkopf direkt vor mir von einem Pickel zu erzählen. So einem hässlichen Ding im Gesicht, das immer dann erscheint, wenn man (Frau erst recht) es nicht braucht.
TINA TANDLER reißt uns alle mit diesem „Dirty Pimple Blues“ aus den Gedanken zurück ins Leben. Die kleine zierliche Dame macht aus dem Instrument nach Belieben eine Kratzbürste oder ein Kuscheltier. Sie spielt das Saxophon nicht, sondern haucht ihm auf eine faszinierende Art ein eigenes Leben ein. Manchmal, wenn die Melodien ganz leise werden, lässt sie es atmen. Dann blitzt es in ihren Augen auf und aus ihrem Gesicht lacht der Schalk oder ein spitzer Schrei aus ihrem Mund ergänzt den Blues des Instruments. Etwas vergleichbares habe ich bisher nur bei Warnfried Altmann erlebt und auch in einem Gotteshaus.

Dieses kleine Ensemble harmoniert perfekt im Spiel. In den kurzen Pausen erzählt BARBARA KELLERBAUER kleine Geschichten, plaudert mit den Musikern und selbst das Mikrofon bekommt diese Lust auf’s satte Leben zu spüren. Mit dieser lockeren Art gelingt es ihr auch, die Besucher bei „Dona Dona“, einem jiddischen Volkslied, zum zaghaften Mitsingen zu animieren.

Überhaupt bestimmen Lieder aus ganz unterschiedlichen Kulturkreisen das Programm. Es erklingt ein Lied in Landessprache aus dem fernen Vietnam („Heimat“), aus Schweden kommt „Wem kann segla“ und aus Griechenland ertönt natürlich Musik von Mikis Theodorakis („Schwalben“).
Letztlich entführt sie uns gar nach Indien mit „Pia Bina“. Genau dieses Stück habe ich von ihr schon mit SONY THET von BAYON am Cello gehört. In der Saathainer Fachwerkkirche wird sie dabei von THOMAS KOCH, sonst swingender und jazzender Weise in der Band von Günther Fischer, am Kontrabaß begleitet. Wie der diese Melodie umgarnt und die Quinten aus den dicken Saiten gezaubert hat, muss man erlebt haben. Mir jedenfalls blieb schlicht und ergreifend die berühmte Spucke weg. Das gehört unbedingt auf eine Live-CD!

Noch einmal sehe ich direkt vor mir den roten Wuschelkopf von TINA TANDLER auftauchen und mit diesem unwiderstehlichen Lächeln im Gesicht erzählt sie von einer Freundin, die jetzt in Amerika lebt, aber dort keine Möglichkeit mehr hat, ihren Traum vom Tanz auf der Bühne weiter zu leben. Sie hat in L.A. ihre Garage ausgeräumt und immer wenn morgens die Leute zur Arbeit fahren, tanzt sie dort. „Loretta’s Waltz“, ein musikalischer Rausch mit Saxophon und dem Pianospiel von FRED SYMANN, erzählt diese Geschichte, die sich in der Garage an der Westkünste zuträgt und ich denke mir, Loretta sollte das Tor lieber weit offen stehen lassen…
Ebenso amüsant wie unterhaltsam die Geschichte aus dem Mund von BARBARA KELLERBAUER, die mir nicht nur bei „Woolworth“ passieren könnte, wenn ich denn wirklich mal in so einen Klamotten-Tempel gehen sollte. Männer sollten sich kleiden lassen, statt sich selbst etwas auszusuchen, oder?

Im Lieder-Nachmittag mischen sich Songs von Arno Schmidt, die etwas Reiferen erinnern sich bitte wieder, mit Noten von Quincy Jones und Melodien von Klaus Schneider. Wir erleben Texte von Bert Brecht, Heine und Heinz Kahlau und gerade wegen dieser stilistischen Vielfalt, passt dies alles wie aus einem Guß, zusammengehalten von einem lebendigen Ensemble exzellenter Instrumentalisten und von zwei begnadeten Frauenstimmen. Die Mischung macht’s und der Mut, sie auf die Bühne zu bringen. Kompliment!

Nach dem Konzert ist der Himmel über uns noch immer blau und über dem Himmel des Gutshofes spannt sich ein weiter Regenbogen, vom Himmel zu der Auenlandschaft zwischen dem Schraden und der Lausitz. Für drei Stunden war die kleine Fachwerkkirche in Saathain mein Nabel der Welt und die Vielfalt der Lieder, spiegelte deren Schönheit, auch wenn lange nicht alles so schön und heil ist, wie man uns glauben machen möchte….

Die deutsche Welt hat mit Lena endlich ihre positive Schlagzeile, während die Griechen toben, die Spanier zittern, die Kanzlerin schlingert und der Bundespräsident hinschmeißt, das Öl weiter aus der Tiefe blubbert und irgendwo Geschosse töten. Es geschehen viele Dinge „Zwischen Himmel und Erde“, wir müssen nur wach sein, sie erkennen und erleben. Die Schönen, die uns stärken, wie die, die uns Sorgen bereiten sollten - und manchmal müssen wir auch handeln, statt zu warten.
Der letzte Song des Abends heißt „Einer macht das Licht aus“ – hoffentlich nicht!


http://www.barbara-kellerbauer.de
http://www.tinatandler.de
http://www.gut-saathain.de

Angefügte Bilder:
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zuletzt bearbeitet 31.05.2010 17:06 | nach oben springen

#2

RE: Barbara KELLERBAUER & Tina TANDLER live im Gut SAATHAIN

in Konzertberichte Ostrock allgemein 01.06.2010 18:51
von PM | 4.235 Beiträge | 5060 Punkte

Danke Hartmut, damit machst du wieder mal Neugierig, auf Künster, die ich nicht gerade vergessen hatte - aber sagen wir mal lieber verdrängt.


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