STARFUCKER überrollen die alte TANTE JU in Dresden
in Off-Topic 20.02.2011 11:12von HH aus EE (gelöscht)
Starfucker überrollen die alte Tante Ju in Dresden
Okay, die ROLLENDEN STEINE sind inzwischen steinalt, sie sind steinreich, haben die Steinzeit lange hinter sich gelassen und olle Keith Richards’ Gesicht ist so etwas wie rockversteinerte Historie pur geworden. In ihrer Musik sangen sie einst von einem „Herzen aus Stein“ („Heart Of Stone“), doch die ROLLING STONES klangen nie wirklich herzlos. Weder bei „Satisfaction“, gleich gar nicht bei „Lady Jane“. Sie erreichten immer die Herzen derer, für die sie die Frustrationen und Befindlichkeiten in Vinyl pressen ließen. Welch ein seltenes Privileg, mit dieser Musik im Kopf und so einem Lebensgefühl in jener wilden Zeit aufgewachsen zu sein. Meine 60er Pupertätsjahre, die Schlaghosen und die langen Haare, die erste Berührungen weiblicher Intimzonen, ohne die Musik der ROLLING STONES – vergiß’ es!!
Inzwischen sind die Zweideutigkeiten von „Star, Star“, die Ironie des „Street Fighting Man“ und die Wehmut der „Wild Horses“ der Erkenntnis gewichen, dass aus der einstig wilden Blues-Kapelle ein gut funktionierendes Unternehmen geworden ist, dessen Live-Events ich mir nicht mehr leisten will. Doch das Lebensgefühl, das diese Musik damals transportierte und das wir zu leben versuchten, das gibt es noch immer in meinem Herzen und manchmal, wenn die Seele zum vermeintlich letzten Mal nach „Last Time“ giert, lässt der alte Fan die kleine Sau noch mal raus und tanzt mit ihr das „Spiel mit dem Feuer“ („Play With Fire“) vor einer offenen Bühne. Scheiß’ drauf, was die hinter mir denken!
Also wieder einmal in die bestens gefüllte Halle der Tante Ju in Dresden gesegelt, um auf das Intro zu warten, das die STARFUCKER ankündigt. Die Herren KILIAN, SORGE, HOPFNER und „Charly“ HAUCKE begrüßen und dann ab in die Steinzeit, wo die Rock-Dinos ihr Unwesen trieben. Gleich zu Beginn das rotzige Riff von „Start Me UP“ und von diesem Moment an taumelt, tänzelt und posiert ein zweiter Keith Richards „Sorje“ über die Bühne. Alles perfekt, vom Ring am Finger, über die kreuzweise tänzelnde Beinarbeit bis hin zur forztrocken und ruppigen Art, die Saiten zu zupfen und zu reißen. Der Kilian-Jagger schreit und wimmert dazu die Botschaften ins Mikro und mir fällt nichts anderes ein, als dieses geile „You Got Me Rocking“ mitzusingen. Altherren-Party vom Feinsten und ich darf mitmachen!
Es geht rockend durch meine Jugendsünden. Von „Let’s Spend The Night Together“ – Gott, was haben wir einst gesoffen und gefeiert, von wegen trister DDR-Alltag – über „Get Off Of My Cloud“ mit diesem trotzigen Hey, You – Rufen bis hin zum „Street Fighting Man“, der lieber in einer Rock’n’Roll – Band spielen wollte. Und zu allem trommelt ein Kaugummi kauender Charly „Hauke“ Watts einen Beat, dass dem Original irgendwo auf diesem Planeten die Ohren geklingelt haben müssen und wie bei den Originalen steht ein Baßman an der rechten Bühnenkante, der dem Bill Wyman gleich, den ruhende Pol in der Brandung des Starfucker-Sturms mimt und nur manchmal, wenn die angeheizte Meute „Star, Star“ oder das Disco-Zugeständnis „Miss You“ mitgröhlt, einen saugeilen Bass drunter legt, damit keiner aus dem Rhythmus kommt. Dies und nichts anderes ist Rock’n’Roll: Schwitzen, tanzen und schwitzen, auf der Bühne und davor, unterm T-Shirt, auf der Stirn und im Schritt.
Doch die Rolling Stones hatten auch die anderen 4-Minuten-Meisterwerke, die ich mindestens ebenso liebte und liebe, denn Tanz ist auch körperliches Tasten und Fühlen – siehe oben. Damals tauchte man den Saal in blaues UV-Licht, während „Wild Horses“ aus den Boxen die Ohren umschmeichelte. Heute strapaziere ich meine Stimmbänder bei „Ruby Tuesday“, als ob ich mit Mick und Melanie zu dritt singen würde: „She would never say where she came from.“ Wenn jetzt noch „Lady Jane“ von der Bühne käme, würden mich die weichen Knie auf den Boden zwingen. Macht zum Glück keiner, denn diese Nummer blieb im kleinen Land DDR und später stets CÄSAR vorbehalten….
Klar können die vier STARFUCKER in knapp drei Stunden nicht alle großen Hits der Stones spielen, aber die Auswahl ist treffsicher. Mein Körper wiegt sich bei „Tumbling Dice“ während ich mich immer wieder „got to roll me“ singen höre. Inbrünstig singe ich „Paint It Black“ mit und als das berühmte Riff von „The Last Time“ ertönt, scheint in meinen Knochen die einsetzende Verkalkung gestoppt. Wie von allein wissen meine Füße die Tanzschritte von einst wieder, wiegt sich meine Hüfte und die Hände fliegen in die Luft. Hey, es geht noch, und wie!!
Die notwendige Pause verschafft mir Mr. Kilian-Jagger, der nicht nur die Posen, sondern auch die flotten Sprüche eines Rockers stilsicher abliefert. Der ist selbst um eine Reaktion nicht verlegen, als irgend so ein Tölper lautstark nach den Puhdys schreit. „Laßt sie leben“, antwortet er, „wenigstens bis nächste Woche.“ Keine Bange, mein Freund, die haben noch vor in China gemeinsam mit den Stones auf der Bühne zu stehen. Da braucht es noch Überzeugungsarbeit und also viel Zeit. Jedem seine Illusionen.
Als die Zeiger der Uhren schon längst über die Geisterstunde hinaus sind, ist die Hütte einer feucht schwitzenden Sauna gleich. Die Massen fordern „Sympathy For The Devil“ und bekommen die Teufels-Sinfonie, wir verschicken gemeinsam „Dead Flowers“ („by the US-Mail“) und begeben uns in einen „cross-fire-hurricane“ um mit dem „Jumping Jack Flash (“It’s a gas! gas! gas!“), wie es ein „black girl“ tun sollte („Brown Sugar“), durch ein Höllenfeuer zu tanzen. Es ist einfach nur berauschend, diese Rhythmen und Riffs so kompakt auf die Zwölf geklatscht zu bekommen und die Texte einfach so wieder drauf zu haben. Eine Mehrschritt-Sauerstoff-Therapie ist ’ne glatte Luftnummer dagegen und eine gewisse Lena wie ein frigides Teenie-Zombie.
Was wäre eine Rolling Stones-Show ohne die Hymne der 60er Generation? Natürlich bekommen wir ganz zum Schluß noch“(I Can’t Get No) Satisfaction“ und brüllen gemeinsam „Hey, hey hey, tha’s what I say“. Frust gibt’s noch immer genug, einst wie heute, und so schreie auch ich meine angemerkelte Wut in die böse Welt hinaus. Das hilft zwar auch nicht und wirklich interessieren tut’s auch keinen, aber mir war in diesem Sound danach, STARFUCKER sei Dank.
Wieder einmal eine Nacht, in der man(n) sein Alter vergisst, das Adrenalin regiert und die Erinnerungen die Gegenwart für eine gewissen Zeit außer Kraft setzen. Das zumindest kann Rock’n’Roll noch immer, denn dieser Musik sind keine zeitlichen Grenzen gesetzt, egal wer sie spielt. Hauptsache es kommt vom Herzen, aus dem Bauch und wenn möglich, die volle Dröhnung voll von vorn. Die Musik klingt noch immer rotzig frech und frisch, die beiden Gitarren vor mir zelebrieren sie und die beiden Herren, denen sie um den Hals hängen, teilen ihr Vergnügen mit uns. Da muss nicht wirklich jeder Ton stimmen und jeder Schritt sitzen. Nichts ist einstudiert, nichts Show und gleich gar nichts künstlich. Alles ist ehrlich und verdammt noch mal, wo kriegt man das heute noch? Ich hab’ die ROLLING STONES nur ein einziges Mal live erlebt. Das war so einmalig, dass ich mir die Erinnerung daran mit einem neuen Konzert der alten Säcke in einer neuen Tour nicht vermasseln lassen werde. Aber STARFUCKER sind noch immer eine wahnsinnig heißer Empfehlung, ausgelebter Rock’n’Roll und glaubt mir, die beste Medizin gegen Alzheimer und morsche Knochen, „Little By Little“ (Stück für Stück).
RE: STARFUCKER überrollen die alte TANTE JU in Dresden
in Off-Topic 20.02.2011 11:26von Mary (gelöscht)
Das sollte auch mein Samstags-Konzerterlebnis werden...
Aber wer zwei Nächte davor schon bis weit in den Morgen "rockt", das Bett erst nach 3 Uhr findet, muss sich nicht wundern, die dritte Nacht zu "schwächeln"...
Nach diesen Zeilen, kriecht der Ärger mächtig in die Knochen, nicht dabei gewesen zu sein.
Aber ich hoffe für mich, dass "Starfucker" irgendwann meine Stadt erneut streifen! Dann muss ich's einfach schaffen!
RE: STARFUCKER überrollen die alte TANTE JU in Dresden
in Off-Topic 20.02.2011 11:34von Bernd (gelöscht)
Ja, wir sind auch noch nicht soweit, jede Woche ne Mugge zu nehmen, es werden noch einige verstreichen - ohne uns. Da müssen wir halt durch. Neue Kraft sammeln für die wärmeren Jahreszeiten und dann wird es auch bei uns wieder mehr.
Danke für den Bericht und Eindrücke, das schauen wir uns bei geeigneten Termin sicher auch mal an.
RE: STARFUCKER überrollen die alte TANTE JU in Dresden
in Off-Topic 20.02.2011 13:06von axel (gelöscht)
spätestens nach diesem bericht merke ich, dass ich alt werde. diesen termin hatte ich mir fest vorgenommen, aber mehrere gründe hinderten mich daran, diesen geilen abend erleben zu dürfen.
zum einen die gesundheit, dann die angesagten randale in dresden und andere gründe, die ich hier nicht erörtern möchte. aber einer hat es wieder allen gezeigt. hartmut holt alles nach, was er zwischen 50 und 60 verpasst hat. da bin ich bissel neidisch, geb ich zu. hh hat immer ein händchen für gute muggen.
und deshalb auch ein dankeschön für den bericht. es ist wie immer eine freude, diesen zu lesen. so konnte ich wenigstens emotional dabei sein.
wir sehn uns, freunde!
RE: STARFUCKER überrollen die alte TANTE JU in Dresden
in Off-Topic 20.02.2011 21:35von Micha aus DD (gelöscht)
Eine Ehre für mich, dass ich bei diesem Konzert wieder erkannt und angesprochen worden bin, und baff, dass ich auf 2 Bildern volle Kanne mit drauf bin =)
Ein geiler Abend mit einer 3-stündigen Live-Show, die es in sich hatte. Mike Kilian hat unmittelbar vorm Konzert das Publikum fotografiert. Das beste von den insgesamt 3 Bildern wird sicher demnächst auf der Seite der Band zu finden sein. Das einzige, was mir nicht so gefiel, war, dass auf der Tante Ju-Seite eine andere Einlasszeit stand als bei Starfucker auf der Seite, somit mussten wir über eine Stunde in der Kälte ausharren, aber sowas verdirbt uns nicht die Laune. Danke Starfucker für diesen rundum geilen Abend. Ich komme gern wieder.
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