Gräfin Cosel - die Mätresse und ihr König
Ein seltener Sommertag in diesem Sommer und Elbflorenz Dresden strahlt, wie man es sich schöner nicht wünschen kann. Auf dem kurzen Weg vom Parkplatz vorbei an der Frauenkirche und dem Taschenbergpalais zum altehrwürdigen Zwinger, zwinkert mir immer mal wieder die Sonnen aus unterschiedlichen Perspektiven zu. Dresden sieht an diesen Orten immer noch und endlich wieder wahrscheinlich wie damals aus, als August der Starke hier sein Zepter schwang und Geschichte schrieb – oder schrieb er selbst doch nicht und andere führten im die Hand?
Der bekannte Film- und Theaterregisseur DIETER WEDEL versucht dieser Frage mit der Inszenierung „Die Mätresse des Königs“ nachzugehen. Während der Zwingerfestspiele 2011 verwandelt sich ein Teil des Innenhofes des Dresdner Barockbauwerkes, einst als Festplatz zur Unterhaltung des Adels geschaffen, in eine Theaterbühne unter freiem Himmel. Dieser schöne Sonnentag ist wie geschaffen für kurzweiliges Amüsement und als ich dort eintreffe, ist die weiträumige Anlage mit Wartenden bereits gut gefüllt. Das Glück, mich hier in die Reihe der Gäste einreihen zu dürfen, verdanke ich einer überaus netten jungen sächsischen Dame, die diesen Abend als eine von einigen ausgewählten Komparsen auf der Bühne mitgestalten wird – danke Katja. Angesichts der Eintrittspreise sortiert sich auch heute wieder das Volk, nur eben anders und nicht nach Adelstand. Da kam diese Einladung gerade zur rechten Zeit.
Es ist beeindruckend, was da in einem Seitenflügel des Zwinger aufgeboten ist, um ein Theaterstück zu inszenieren. Am originalen Schauplatz einen Blick in die Geschichte zu erhaschen und vielleicht durch das Spiel der Beteiligten einen vagen Blick hinter die Kulissen zu bekommen, kann schon verlockend sein und manchmal, wie sich im Verlauf des Stücks zeigen wird, sind die Parallelen beim Spiel mit der Liebe, beim Weben von Intrigen und Planen von bösen Mobbing, beim Kampf um Macht und Einfluss nicht zu übersehen.
In packenden Szenen und beeindruckenden Bildern wird eine spannende Geschichte erzählt, die sich in längst vergangenen Zeiten abgespielt hat. Doch am Spiel an sich hat sich wohl nichts geändert und so lässt Regisseur Wedel einen Teil des Hofstaates als Kulissenschieber auf offener Bühne in Militäruniformen agieren, die man in jedem Despotenstaat dieser Welt finden würde, und hält auf diese Weise die Handlung auch immer ein Stück in der Gegenwart fest. Der August, der eher seinen ganz privaten Genuss statt Politik dem Vorrang gibt, wird von dem aus Pirna stammenden GÖTZ SCHUBERT verkörpert und seinen Gegenspieler im Ringen um die Zuneigung der Gräfin Cosel, gespielt von TERESA WEIßBACH, gibt HELMUT ZIERL ein Gesicht und Charakter. Letzterer wird als Eintreiber und Verwalter der Staatsfinanzen immer mehr zum Handlanger von Ränkespielen am Königshof und damit zum Finanzier des ausschweifenden Lebens, an das er letztlich seine Liebe verliert, die im Laufe des Spiels und im Lebens immer mehr Gefallen an Macht findet. Ein armer Tor, der die gewollten Parallelen zum heute Politiktheater übersehen könnte. DIRK BACH lockert mit seinem Spiel des Hofnarren Fröhlich das anfänglich etwas in die Länge abschweifende Spiel auf und erfreut die Anwesenden mit allerlei frechen Sprüchen und Hinweisen, wann zum Beispiel wieder fotografiert werden sollte.
Was wir in dieser lauen Sommernacht erlebten, war eine Medienprobe und so standen denn auch viele nette Herren mit Kameras und anderem wichtigen Equipment in den Gängen. WEDEL verwies darauf, dass eine Probe durchaus auch unterbrochen werden könne, was er dann aber doch nicht tat. Gut so, denn das Spiel wollte zu Anfang nicht gleich Fahrt aufnehmen, um dann dem Ende zu doch noch rasant zu werden. Da wäre, zumindest für den Zuschauer, eine Unterbrechung auch ein Bruch gewesen. Für einen wie mich, der schon mal beruflich mit Theater zu tun hatte, war vieles ein angenehmes Erinnern und auch glückliches Wiederentdecken. Regelmäßige Theatergänger werden sicher ihr Vergnügen haben und neugierige Spontanbesucher können sich bestimmt an der Gesamtheit des Abends am Originalschauplatz Zwinger erfreuen.
Es hatte schon Mitternacht geschlagen, als die letzte Szene mit der einsamen Cosel auf der Bühne den Schlusspunkt setzte. Applaus von den Gästen, Freunden und den Vertretern der Medien und, da es „nur“ eine Probe war, auch kein Verbeugen des Ensembles. Da sind Theaterleute eigen und auch ein wenig abergläubisch, zumal vor einer Premiere - dafür aber toi, toi, toi!
Ich gebe gern zu, dass mich die Kunde von manch neu-modernistischer Theater(Kunst?) – Inszenierung eher davon abhält, eine Spielstätte, und sei es die Semperoper, von innen zu besuchen. Beim Sehen eines historisches Stoffes mag ich mich nicht ständig auf der Suche nach Inhalt und Kunst bücken und verbiegen müssen. Was Wedel mit seinem Ensemble im Drama „Die Mätresse des Königs“ leistet, ist schlicht im besten Sinne des Wortes gute Unterhaltung. Solcher Art kurzweilige Theaterkunst bekommt man nicht jeden Tag geboten und deshalb lohnt ein Besuch, sofern es wieder eine lauwarme Sommernacht sein sollte, in jedem Falle. Wer mag, kann ja am Tag danach, die „Gräfin Cosel“ auf der Elbe besuchen und dort das Erlebte während einer Fahrt auf dem Fluss nachklingen lassen. Jedenfalls ging mir so ein Gedanke durch den Kopf, als ich in früher Stunde nachts auf der Autobahn Richtung Heimat fuhr.