#1

Wie alles begann - Erinnerungen von Musikfans und Konzertgängern

in Off-Topic 11.09.2011 20:26
von Kundi (gelöscht)
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Wie man unschwer erkennen kann, wollte ich eigentlich einen Konzertbericht zu KARUSSELL schreiben. Heraus
gekommen ist was ganz anderes, nämlich ein paar ungeordnete Erinnerungsfetzen von mir. Ich werde das mal so stehen lassen, weil es meiner Meinung ganz gut wäre, wenn wir verschiedene Erinnerungen der user dieses Forums mal zusammenzutragen. Den KARUSSELL-Bericht vom Freitag in Hoywoy reiche ich nach.

Die Anfänge von KARUSSELL reichen bis in das Jahr 1976 zurück. Ich weiß es nicht mehr auf den Tag genau, wann ich das erste Mal auf die Band aufmerksam wurde, aber das mag etwa 2 Jahre später gewesen sein. Ich war ein Bengel von 13 oder 14 Lenzen und ich hörte damals viel Radio. Bei den ganzen Wertungssendungen wie Beatkiste, Notenbude, Tipdisko oder DT Metronom war ich mehr oder weniger Stammgast am Äther. In meiner Erinnerung ist es so, dass diese Sendungen an unterschiedlichen Tagen in den frühen Abendstunden liefen. Vielleicht denken jetzt einige meiner Altersgenossen empört, so etwa gab es doch gar nicht, dass jemand freiwillig „Zonenmusik“ hörte und vieles davon auch noch gut fand. Natürlich weiß ich, dass viele lieber Radio Luxemburg oder RIAS hörten. Ich tat das kaum, das lag aber wohl auch an meinem Wohnort und meinem Elternhaus. Trotzdem lebte ich musikalisch nicht vollkommen hinter dem Mond, viele internationale Sachen liefen ja auch bei uns. Den Rest konnte man sich auch von Freunden überspielen. Das war damals gängige Praxis und sowas wie ein Hobby. Natürlich spielte auch die Gruppendynamik eine gewisse Rolle, denn wenn man bei Glitter, Sweet, Slade, Bachman Turner Overdrive oder Frank Zander nicht mitreden konnte, war man ein Außenseiter. Kann es sein, dass wir diese Musik noch begeistert hörten, als unsere westlichen Schwestern und Brüder längst neue Idole hatten?
Da waren viele Bands dabei, die heute kaum noch einer kennt, wie Redbone, Mud oder Kenny. Manche davon sind zu recht in Vergessenheit geraten, um andere ist es wirklich schade. Es war die Zeit der Schlaghosen, Clogs und langen Haare. Ich stand kurz vor dem Rowdy-Alter. Meine Eltern und meine Lehrer ahnten noch nicht, was ihnen mit mir Früchtchen noch blühen würde. Die ersten Schuldiskos und vereinzelte Konzerte besuchte ich aber schon. Das war aber alles nicht mit heute zu vergleichen. Der Diskoraum auf dem Boden der Schule war ein wild zuammengeworfenes Etwas mit Rundumleuchten, Fahrradlampen, selbstgebauten Lampenröhren, Leuchtfarbesymbolen und-bildern an der Wand. In diesem Raum, den die älteren Schüler eingerichtet hatten, sammelten wir im schummrigen Diskolicht unsere ersten bescheidenen „Nahkampferfahrungen“ zu „Hiroshima“ von Wishfull Thinking oder „Da schlug die Flamme“ von Wir. Die Initiative fürdie Langsamtanzrunden ging damals meistens von den Mädels aus. Damenwahl nannte sich das.
Manchmal hatte man da Glück und manchmal Pech. Die meiste Zeit standen wir aber betont lässig mit dem Colaglas an die Wand gelehnt und warteten auf unseren Einsatz. Es war so ein ehernes Gesetz, dass keine Disko ohne die zwei besondere Hits über die Bühne gehen durfte. „Give Peace a Chance“ und „We Will Rock You“ brachten den Schulboden nämlich regelmäßig zum beben. Alle knieten dazu auf dem Boden und klatschten und schlugen den Rhythmus auf dem Fußboden mit. Die Konzerte mit den bekannten Bands fanden meistens an einem Wochentag statt. Beginn war 19.00 Uhr oder 20.00 Uhr. Oft waren die Säle komplett bestuhlt und zu trinken gab es auch nichts während der Konzerte. Es ging anfangs sehr gesittet und diszipliniert zu. Man kam sich fast wie in einem Theater vor.

So ab 1979/1980 setzten sich dann immer mehr die Stehplatzkonzerte durch und die Bands wurden ordentlich bejubelt. Das waren dann wirklich Rock-Konzerte und eigenartigerweise blieb die Jugend damals fast unter sich. Ich erinnere mich an ein Konzert mit den Puhdys(etwa 1980/1981) als Frontmann Dieter „Maschine“ Birr zwischen 2 Liedern einen 59jährigen Fan namentlich vorstellte und besonders herzlich bei der Mugge begrüßte. Das Publikum feierte daraufhin den alten Herrn damals mit begeisterten Rufen seines Vornamens
Anders sah das von jeher an den Wochenenden zum Jugendtanz aus, da spielten dann die lokalen Bands und zwischendurch legte ein Diskjockey auf. Da ging dann wirklich die Post ab. Es wurden reichlich Getränke konsumiert und manche dieser Veranstaltungen endeten im Chaos oder im individuell verursachten Nebel. Heute erinnere ich mich gerne an diese wilden Zeiten, die dann so mit 15/16 Lenzen begannen und wo ich jedes Woche im Heimatkreis auf den Tanzsälen unterwegs war.

Zufällig bin ich im Internet auf eine ganz interessante Webseite gestossen, die sich mit den Bands der Lausitz beschäftigt. Da wurden viele Erinnerungen in mir wach. Ich denke,nicht nur HH wird dort viel Interessantes finden, denn es werden in der Galerie auch viele Lausitzer Bands aus den ganz frühen Jahre gelistet, wie die Studiogruppe Dreiländereck bis hin zu den 80er Jahren. Auch ein Verzeichnis lokaler Bands der Neuzeit kann man dort finden.

http://www.toplivebands.de

Für mich besonders interessant sind dort 5 Zeitungsartikel über die Honky Tonky Band aus Bautzen Anfang der 80er Jahre. Die Kappelle habe ich ja schon mehrmals erwähnt in Shawue-Konzertberichten, denn Christian „James“ Müller von der HTB spielte später bei Shawue.
http://www.toplivebands.de/ddr-bands/_bands_in_der_ddr.html
Ich glaube mich erinnern zu können, die beiden unter Presseinfo 4 erwähnten Muggen besucht zu haben. Die Band machte in Szenekreisen besonders von sich reden, weil sie live auch ein paar Lieder von uns Udo L. spielten. Ich erinnere mich da an „Rock’n Roller“ und „Die Heizer kommen“

Viel Spaß beim Stöbern und vielleicht schreibt ihr auch mal auf, wie es bei euch begann…

Gruß Kundi

zuletzt bearbeitet 11.09.2011 20:49 | nach oben springen

#2

RE: Wie alles begann - Erinnerungen von Musikfans und Konzertgängern

in Off-Topic 12.09.2011 19:16
von HH aus EE (gelöscht)
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Ja, wie begann das alles eigentlich damals? DANKE für die Frage, Kundi.

Wir beschreiben hier am laufenden Band Konzertereignisse der Gegenwart und häufen Massenware an Beschreibungen über die PUHDYS an (und das habe ich jetzt nicht mal zynisch gemeint). Wir sind hier, wenn ich mich nicht irre, eine der umfangreichsten Plattformen mit Material über den sog. „Ostrock“, eine Formulierung, mit der ich persönlich so gar nix anfangen kann, und wir huldigen hier so manch anderer Band oder einzelnen Solo-Künstlern. Auf diese Weise entsteht ein Dokument der Zeitgeschichte, abseits der großen Werke von Musikjournalisten, die von ihren Auftraggebern zu Konzerten geschickt werden und dafür nicht mal ein Ticket brauchen. Meist bleibt das Herzblut für die Musik außen vor.
Wir kennen die Bücher von Musik- und Kulturwissenschaftlern, von Soziologen und von Politologen zum Thema Rockmusik. Wir lesen Szenebeschreibungen über Blueser, „Kunden“ und andere Außenseiter, geschrieben von Leuten, die nie dabei waren. Unter all diesen Bergen von Papier ist nur wenig von Autoren zu finden, die aus eigenem Erleben berichten. Das sollte so manchen Leser hier aufhorchen lassen!

Wir haben bisher eigentlich die Chance vertan, in unsere eigene Vergangenheit abzutauchen und aufzuschreiben, wie es bei jedem einzelnen von uns begann, was ihn getrieben hat, zu Konzerten zu gehen oder Platten zu kaufen und welche Gedanken ihn bei all dem bewegten. Es gäbe eine Menge zu erzählen, zu erinnern, aufzubewahren und ab und an auch ins richtige Licht zu setzen. Nicht immer ist die offiziell gewollte Lesart, ob vor mehr als 20 Jahren oder heute, diejenige, zu der so mancher damals und heute aktive Zeitgenosse auch JA sagen würde.

Nun hat Kundi, der (Ober)Lausitzer Unruhegeist, damit begonnen, die ersten Fetzen aus jener Zeit aufzuschreiben. Endlich!!
Beim Lesen lief bei mir ein Film ab: Meine erste Gitarre, meine erste Schallplatte, mein erstes Tonbandgerät, die erste Beat-Kapelle, die Zeit als Disc-Jockey (ich hab’ noch Platten aufgelegt), die ersten richtigen Konzerte. Solche oder ähnliche Filme sollten auch in so manch anderen Köpfen ablaufen und die Bilder daraus wären es sicherlich wert, hier beschrieben zu werden.

Ich kann mich sowohl an die frühen RENFT (Renft, Matko, Fetz, Stolle plus Beyer) als auch an die späten Jahre der Combo erinnern. KARUSSELL hatte ich auch sofort auf dem Schirm und 1978 sogar selbst im Konzert. Die BEROLINAS SINGERS und SCHIKORA waren Kult und viele andere sind inzwischen vergessen (SYNCOPATORS!! ) – leider. Ich jedenfalls hatte beim Lesen die Abende mit all diesen Bands und DREILÄNDERECK im Kopf und manche andere in Erinnerung, die ich damals live erlebte und JA Kundi, die Seite mit den Lausitzer Bands war mir bekannt. Tolles Archiv, kann ich da nur sagen:

BIG BEAT, frühe Legenden und ein ORIGINAL - die etwas andere Reisebeschreibung

KARUSSELL live 1978 - CÄSAR's 1. Todestag 2009 - BESINNUNG

Auch in meinem Freundeskreis wurde viel Radio gehört. In den 60ern vor allem Rias II, SFB I und sogar der „Soldatensender“. Es wurde haufenweise mitgeschnitten und dokumentiert. Noch heute stehen bei mir im Keller über 30 Mono-Bänder und ein Bandgerät QUALITON rum, das noch funktioniert.
Mit den 70ern kamen die „Beatkiste“ und die „Notenbude“ gleichwertig hinzu, denn die frühen Sachen der ELECTRA-COMBO („Wie sich Mühlen drehn im Wind“) oder vom „Zahnlosen Gustav“ („Oh Swiet Krimhilde“) konnte man nur dort hören. Für mich gab’s nie den Unterschied zwischen West- und Ostradio, ich wollte einfach nur meine Musik hören und die Songs von CZESLAW NIEMEN, zum Beispiel „Holzlöffel“, ANAWA oder die frühen BAYON-Lieder („Ich blicke mit Augen“) waren im Westen nicht zu hören. Die haben dort richtig was verpasst, wie sich heute einige eingestehen. Selbst die Live-Version des „Banana-Boat-Song“ von Harry Belafonte in der Version der KLAUS-RENFT-COMBO lief im Dampfradio und so mancher wäre glücklich, könnte er diese Perle heute in seinem Archiv haben.

Mich treibt seit einige Zeit die Erkenntnis, dass vieles verloren gehen wird, wenn es Leute wie wir nicht aufschreiben oder dokumentieren. Statt einen Konzertbesuch nehme ich mir dann manchmal einen Blick in die Vergangenheit vor und mit ein wenig Glück werde ich manchmal auch fündig. Der Besuch bei KURT „Saftl“ GERLACH und die Erinnerung an seine Band DREILÄNDERECK war so ein Trip in frühe Zeiten, dem eine Fortsetzung folgen soll.
Ich hab’ mehr Ideen als Zeit, sie zu realisieren und an manches Thema trau’ ich mich nicht ran, weil es nichts für mich ist. Doch wer weiß, vielleicht findet sich ja einer von Euch, der neugierig genug ist, sich auf so eine Zeitreise einzulassen, denn der eigentliche Reiz dieses Forums sollte, nach meiner bescheidenen Meinung, nicht im Gleichlauf der absehbaren Ereignisse, sondern in den ganz besonderen und außergewöhnlichen kleinen Entdeckungen liegen.

DANKE Kundi, für die Erinnerungen und die Anregung. Auch bei mir wird etwas passieren. Versprochen!

zuletzt bearbeitet 12.09.2011 21:00 | nach oben springen

#3

RE: Wie alles begann - Erinnerungen von Musikfans und Konzertgängern

in Off-Topic 12.09.2011 19:29
von axel (gelöscht)
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das habe ich mich schon oft gefragt, gibts die noch? oder wie würden die heute spielen, wenn es sie noch gäbe.
wir haben von den SYNCOPATORS keine mugge verpasst, wenn sie irgendwo in der nähe waren.
ach. das war ne zeit!!! kommt leider nicht zurück, schön wars !

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#4

RE: Wie alles begann - Erinnerungen von Musikfans und Konzertgängern

in Off-Topic 12.09.2011 19:39
von Perlenfischer Band | 115 Beiträge | 235 Punkte

10 Jahre - Fan

Bei mir fing alles ziemlich promt an. Meine Mutter kam, als ich ein 14-jähriger Bub war, auf mich zu und fragte mich, ob ich Lust hätte zu mit zu einem Rockkonzert der PUHDYS zu gehen. Am 8.9.2001 fand also mein allererstes Konzert, das ich bewusst wahr nahm statt. Als die Puhdys im blauen Nebel die Bühne betraten und Maschine begann das Intro vom "lieben Gott" zu sprechen, war es um mich geschehen. Vorher war ich nicht so begeistert, denn mit dem Namen PUHDYS konnte ich damals nicht wirklich viel anfangen.

Ein weiteres Highlight an diesem Abend war, dass genau beim Lied "Was bleibt" passend zum Text "...und wenn wir nachts die Sterne sehen...", eine Sternschnuppe von links nach recht über die Bühne schwebte. Für manchen klingt es vielleicht seltsam, aber genau dass war es, was mich abhängig machte von dieser Band, es war das Zeichen des Himmels, in mir wurde das allseits bekannte Puhdysfeuer( bzw. -Fieber) entflammt.

Ich rannte also los und besorgte mir innerhalb eines halben Jahres (von Taschengeld und Ferienarbeitslohn) alles was es bis dato von den Jungs im Laden gab.
Heute, ziemlich genau 10 Jahre danach, ist das Feuer nicht kleiner, sondern größer geworden. Wenn man so will, haben die Puhdys mich in gewisser Weiße auch erzogen und zu dem gemacht, was ich heute bin. Sie inspirieren mich jeden Tag aufs Neue und inspirieren mich bei meinen eigenen Songtexten. Ohne Puhdys leben??? - Vergiss es!

Letzten Samstag fand dann die Jubiläumsfeier bei mir zuhause statt (so mancher wird es auf der Webseite bereits gelesen haben) und man merkt erst, wenn man es feiert, wieviel Erlebnisse man in den "wenigen" Jahren schon mit dieser tollen Band hatte und die man mit Freunden und Gleichgesinnten teilen kann. Es ist einfach nur schön ein Fan dieser Band zu sein!

Nicht zuletzt sind sicher auch die Puhdys ein bisschen mit daran Schuld, dass ich mich damals aus meiner Punkband verabschiedet habe und die Perlenfischer Band gegründet habe. Den einen freut es, den anderen nervt es, mich macht es glücklich neben auch eigene Songs selbst interpretieren und präsentieren zu können.

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