Sir Bob Geldof zum 60. Geburtstag

Es ist der 29. Januar 1979, ein Montag. Aus dem Fenster ihres Elternhauses heraus erschießt die 16-jährige Brenda Ann auf gegenüber liegenden Gelände einer Highschool den Schulleiter und den Hausmeister mit einem Gewehr. Sie verletzt außerdem acht Schüler und einen Polizisten. Als man sie nach den Gründen für die schreckliche Tat fragt, antwortet sie: „Ich mag Montage nicht. Dies hier belebt den Tag.“

„I Don’t Like Mondays“ von den BOOMTOWN RATS beschreibt dieses Szenario und damit eine Lebenssituation vieler Jugendlicher, die von der Gesellschaft Irlands oder an einem anderen Ort auf der Welt, in dem sie leben, nicht mehr wahrgenommen werden. „I want to shoot the whole day down“ (Ich möchte den ganzen Tag niederschießen) heißt es in dem Lied weiter und offenbart damit eine erschreckende Ziel- und Sinnlosigkeit des Denkens, des Handelns und der Möglichkeiten. Geschrieben hat dieses Lied Sir BOB GELDOF, der ewige Punk einerseits und Streiter für Gerechtigkeit andererseits, der die Sinnlosigkeit eines solchen Lebens, aus dem diese Tat entsprang, thematisiert. Später wird er nicht mehr nur kritisieren, sondern auch versuchen zu ändern und Denkanstöße zu geben.

Geldof kennt solche Episoden aus seinem eigenen jugendlichen Leben, das ihn mit Großzügigkeiten nie verwöhnte. Erst als er 1975 in Dublin seine Band Punk-Band Boomtown Rats gründete, erfuhr sein Leben einen Wandel und mit „I Don’t Like Mondays“ stellte sich, so zynisch das auch erscheinen mag, der Erfolg ein. Dass dieser Amoklauf nicht der einzige bleiben würde, sah er damals noch nicht. Er sah nur das Lebensumfeld der Menschen in seinem Land, das ihn hervor brachte, und er wusste, es müssen Veränderungen her. Seither ist sein Leben vom Wirken für Veränderungen und Unterstützung für die Schwachen geprägt. Als Geldof 1985 die RATS auflöste, hatte er sich schon längst dem Kampf für die Armen und Bedrängten dieser Welt verschrieben. „Do They Know It’s Christmas?“ (Wissen sie, dass Weihnachten ist?) brachte er gemeinsam mit Midge Ure und Phil Collins 1984 auf den Weg, um mit den Mitwirkenden an diesem Projekt, allesamt namhafte Rock- und Popstars, Aufmerksamkeit zu erreichen und Geld zu bekommen. Die Single wurde ein weltweiter Hit, der auch über seine musikalische Substanz hinaus Aufmerksamkeit erzielte.

Nachdem er am 13. Juli 1985 das Riesen-Event „Live Aid“ mit einem einmaligen Aufgebot von Rock-Giganten, von den Who, über Bob Dylan bis zu U2, auf die Bühne gebracht und vermarktet hatte, landete er mit den Songs „Love Like A Rocket“ und „This Is The World Calling“ noch zwei kleinere Hits. Danach wurde es still um den Weltveränderer und Idealisten, auch wenn er für sein Engagement von der Queen in den Adelsstand erhoben wurde.

Ich selbst wurde erst im Nachwendejahr 1990 wieder fündig. In einem Stuttgarter Plattenladen fiel mir das gerade erschienene Album „The Vegetarians Of Love“ mit „The Great Song Of Indifference“ in die Hände. Von diesem Augenblick an wusste ich, Sir Bob ist wieder da, er steckt voller Ideen und Kraft. Die Musik der Scheibe klingt tief verwurzelt im Leben und in seiner Irischen Heimat. Ohne seine Herkunft von den RATS zu verleugnen, musiziert der Musiker mit einer Leichtigkeit nach vorn, dass man angesteckt wird. Noch heute, zwanzig Jahre später, geht es mir so. Drei Jahre danach gelang ihm mit „The Happy Club“ sogar eine gleichwertige Fortsetzung. Schon deshalb ist es nicht richtig, ihn nur auf seine politischen Aktivitäten zu beschränken.

Sir Bob Geldof ist noch immer aktiv und nicht alles gelingt ihm zu seiner Zufriedenheit. Ab und an und hier und da sah ich ihn in den Nachrichten, hörte Interviews und manchmal auch Musik. Wenn er da war, dann hatte er auch meist etwas mitzuteilen.
Jetzt ist er wieder unterwegs und wahrscheinlich wird er den heutigen Tag irgendwo auf einer Bühne in einem Club verbringen. Sein neues Album “How To Compose Popular Songs That Will Sell“ (Wie man populäre Songs komponiert, die sich verkaufen) ist ganz sicher ironisch gemeint, sonst wäre es kein Geldof-Album und ganz sicher wird man noch immer in der Musik die Antihaltung des Punkrockers spüren, aber auch die Freude zu leben. Bob ist beides, auch wenn er inzwischen graues, noch immer wirres, Haar trägt.

Heute begeht BOB GELDOF seinen 60. Geburtstag. Ob es eine Feier geben wird, darf bezweifelt werden. Er nimmt sich selbst nicht so wichtig, sondern legt das Gewicht auf das, was er uns mitzuteilen hat und verweist dabei auf die vielen Veränderungen, die seit zwanzig Jahren auf der Welt stattfinden. Da hat er als Punker, als Musiker und Idealist und einer, der sich vorbehaltlos einbringt, einen nicht zu unterschätzenden Anteil dran und deshalb Sir Bob, bleib’ wie du bist, einmal Punk, immer Punk! Rock’n’Roll ist Bewegung und Stillstand nichts für dich, für keinen von uns.

..... und wenn ich nur einen einzigen weiteren Menschen, außer mir, mit diesen Zeilen über BOB GELDOF etwas glücklich machen kann, hat sich das ganze Geschreibsel über einen, der die Puhdys nicht kennt, gelohnt:

http://www.n-tv.de/leute/Bob-Geldof-feie...cle4466341.html

Von meiner Seite aus kann ich Dir bescheinigen, dass sich Dein Geschreibsel wirklich gelohnt hat. Ich krame ja selbst gerne in Musikgeschichte herum und lese deshalb Deine Beiträge ausgesprochen gerne.
...und wie man im Link nachlesen kann, hattest Du mit deiner Vermutung, dass er den Geburtstag auf einer Bühne verbringt, sogar recht.

LG Kundi