Hallo, Forums-Leser und -mitglieder!
Auf Wunsch von Steine-Silke hab' ich mal die heimische Presse "beobachtet" - und folgendes Interview mit Maschine zu Worpswede im WESER-KURIER vom 20. März gefunden (ich hoffe, damit nicht gegen irgendein Copyright zu verstoßen, Quelle ist ja genau benannt):
"Wir fühlten uns als Exoten"
Mit 68 Jahren wäre Dieter "Maschine" Birr eigentlich reif für die "Rockerrente", aber der Sänger und Gitarrist denkt nicht im Traum daran, seinen gleichnamigen Song wahr zu machen. Mit den Puhdys, einst die erfolgreichste Band der DDR, spielt er nach wie vor regelmäßig rund 100 Konzerte im Jahr. Die Worpsweder Music Hall war am Sonnabend bereits zum zweiten Mal innerhalb von fünf Monaten restlos ausverkauft. Kurz vor der Show verzichtete Maschine - der aufgrund seines großen Appetits mal so getauft und von allen Kollegen auch tatsächlich so gerufen wird - auf sein warmes Abendessen und sprach stattdessen bei Käsebrötchen und Bier mit Lars Fischer über das Phänomen Puhdys.
Frage: Ist dieses etwas leisere Auftreten mit eurem Akustik-Programm dann doch ein Schritt in Richtung Rockerrente?
Dieter Birr: Nee, gar nicht! Dieser Song ist eigentlich als Antwort auf die Frage "Wie lange wollt ihr eigentlich noch spielen?" entstanden. Das hat man uns dauernd gefragt als wir eigentlich noch recht junge Leute waren. Die Platte kam 1984 raus. Seitdem fragt uns keiner mehr, und wir freuen uns, dass wir so lange durchgehalten haben. Und nächstes Wochenende spielen wir wieder elektrisch - da wird gerockt!
Die Puhdys gibt es inzwischen schon länger im wiedervereinigten Deutschland als zu DDR-Zeiten, trotzdem wird die Band immer mit diesem Staat verbunden betrachtet.
Ja klar, wir sind eine Ostrockband, wie alle Bands, die von dort kommen. Wir sind dort groß geworden, und scheinbar gibt es für die Leute immer noch einen Unterschied zwischen West- und Ostrock. Wir betrachten uns selbst eigentlich eher als gesamtdeutsche Band.
Wie waren in den 70er-Jahren eure ersten Erfahrungen im Westen?
Aufregend und spannend. Wir haben 1976 das erste Mal in der Fabrik in Hamburg gespielt und da auch gleich Udo Lindenberg getroffen. Wir wussten nicht, was uns erwartete, und wir haben uns auch keine großen Chancen ausgerechnet, weil wir dachten: "Im Westen ist eh alles besser!" War aber gar nicht so, das Konzert war ausverkauft, und wir wurden bejubelt und gefeiert. Wir haben uns selber in der ersten Zeit als Exoten betrachtet.
Wie habt ihr ohne große Brüche den Übergang von der DDR zur, wie du sagst, "gesamtdeutschen" Band hinbekommen?
Wir hatten eigentlich schon 1988 beschlossen, aufzuhören. Da wusste ja noch kein Mensch, dass die Wende kommen würde. Als es dann so kam, war das für uns auch so etwas wie ein neuer Ansporn. Viele Fans kamen und fragten, ob wir nicht doch wieder spielen wollten. Wir sind also nicht vergessen worden, und die veränderten Bedingungen waren eben auch eine Herausforderung. Wir kannten von unseren Westtouren ja das Geschäft und wussten, wie es in etwa läuft. Es war uns klar, dass wir eine Menge tun und hart daran arbeiten mussten, aber letztendlich wollten wir unsere Fans auch nicht enttäuschen. Außerdem: Das mit dem Aufhören wäre mir auch nicht so leicht gefallen...
Wie habt ihr in der DDR diesen Spagat hinbekommen, also einerseits nicht zu staatstragend zu sein, andererseits aber auch nicht so aufmüpfig, dass ihr verboten wurdet?
Ach, wir waren ganz normale Musiker. Wir wollten einfach Musik um der Musik willen machen und nicht irgendwelche Botschaften transportieren. Das kam dann allerdings später dazu, als wir anfingen, eigene Lieder zu schreiben. Aber am Anfang wollten wir einfach auf einer Bühne stehen und Krach machen so wie die Rolling Stones. Das war unsere Motivation - ohne jegliches politisches Denken. Als wir dann nicht mehr nur nachgespielt haben, war uns schon wichtig, dass wir keine Schlager-Texte sangen. Wir wollten Aussagen machen, aber natürlich konnte man im Osten nicht über alles singen so wie heute.
Aber verklausuliert habt ihr dann doch untergebracht, was euch wichtig war.
Ja, man hat ja immer zwischen den Zeilen gelesen. Man konnte nicht gegen die Mauer singen, aber man konnte eben verblümt texten: "Die Mauer steht noch, es fehlt das Dach." Manchmal haben wir das selber gar nicht so direkt gemeint, aber die Leute haben dann etwas da hinein interpretiert. Die Texte wurden alle abgenommen, und da sind solche Zeilen eben auch nicht beanstandet worden. Bei "Außenseiter" wollten wir übers Schwulsein singen, das wurde abgelehnt, weil es hieß, "Schwule, das ist bei uns kein Thema!" Da wurde dann der Text etwas entschärft, und man musste damit leben. Genauso war es, wenn es um Umweltschutz gehen sollte - da war in der DDR angeblich immer alles in Ordnung.
Habt ihr euch als die erfolgreichste Band der DDR einen Status erkämpft, durch den ihr mehr sagen konntet als andere?
Wir konnten da auf jeden Fall mehr ausdrücken als ein Arbeiter auf einer Betriebsversammlung. So habe ich das jedenfalls gesehen. Ein gewisses Maß an Kritik ging. Unser Publikum wusste, was gemeint war, und stand immer hinter uns. Ich weiß nicht, ob wir politisch noch mehr hätten sagen können. Ich kann das nicht beurteilen, weil ich nicht weiß, was man bei anderen Leuten abgelehnt hat. Aber es gab natürlich keine offiziellen Platten, wo Musiker wirklich Klartext gesprochen haben. Die einzige, die das versucht hat, war die Renft-Combo - und die ist dann ja auch rausgeflogen.
Hast du selber nach 1989 nachgelesen, was die Stasi über dich in ihren Akten gesammelt hat?
Nein, ich hatte mir das mal vorgenommen, aber ich habe es noch nicht gemacht.
Grüße von
Torsten