#1

Jan Josef Liefers, auf Abwegen in Wien

in Off-Topic 17.09.2010 14:11
von Bimbo (gelöscht)
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Ich habe da mal heute einen Artikel gefunden, wo sich bitte jeder selber seine Meinung trüber bilden sollte:

Zitat

Nachrichtenüberblick
Jan Josef Liefers: Ost-Schmäh

16.09.2010 | 18:35 | von Christina Böck (Die Presse - Schaufenster)

"Tatort"-Publikumsliebling Jan Josef Liefers kommt mit einem Musikprogramm nach Wien. Eine launige Zeitreise in die DDR.

Aaaaalberich!“ Menschen, die Sonntagabend einen Pflichttermin haben – den „Tatort“ nämlich –, wissen, was das bedeutet. Das bedeutet, dass einer der beliebtesten und für viele auch der beste „Tatort“-Ermittler wieder einmal am Zug ist. Das ist Jan Josef Liefers als blasierter Münsteraner Pathologe Karl Friedrich Boerne, kongenial verpartnert mit Kommissar Jan Thiel (Axel Prahl). Und „Alberich“ – so ruft Boerne die mit ihm gestrafte Assistentin, eine Dame von gar kleiner Gestalt, wie sein elaborierter, politisch unkorrekter Spitzname für sie aus der germanischen Mythologie verrät.

In Kürze gibt es in Wien die Möglichkeit, Liefers live zu erleben. Auch wenn man da, Boerne-verwöhnt, vielleicht zunächst etwas enttäuscht sein wird. Denn das brillantinierte Haar, den affigen Kinnbart und das Rotweinglas lässt der Schauspieler grundsätzlich immer am „Tatort“ zurück. Das manieriert-exzentrische Äußere seiner bekanntesten Rolle hat sich Liefers sogar selbst einfallen lassen, damit er privat nicht dauernd auf die TV-Serie angesprochen wird. Das funktioniert einwandfrei.

Keine Eskimos im Osten
Und noch eine Überraschung gibt es wohl bei Liefers’ Auftritt im Wiener Konzerthaus. Denn man wird ihn nicht als Schauspieler sehen (obwohl er sogar einst ein Angebot des Burgtheaters gehabt hätte). Er spielt dort den „Soundtrack seiner Kindheit“, und das ist ausschließlich sogenannter Ostrock aus der ehemaligen DDR. Kunststück, ist doch Jan Josef Liefers auch in Dresden geboren. Das wusste nur irgendwie bisher niemand. Als er seine Tour in Deutschland startete, war er mit verblüfften Journalistenfragen konfrontiert und fühlte sich bemüßigt zu erklären, dass er ja seine Herkunft nie verschwiegen habe. Er wollte nur nie den Vorzeige-Ossi spielen: „Das empfand ich als eine besonders lieb gemeinte Form von Diskriminierung“, sagte er etwa der „TAZ“. Außerdem: „Oft sagen Leute zu mir: ‚So was, Jan Josef, du bist aus dem Osten, das merkt man gar nicht.‘ Diese Reaktion habe ich nie verstanden.“ Das Verbindende ist denn auch das Thema in seinem Konzert. Da zeigt er vergilbte Super-8-Filme von seiner Familie und erzählt launige Anekdoten aus seiner Kindheit und Jugend. „Ich will zeigen, dass wir da drüben im Osten keine Eskimos aus der Arktis waren. Unser Alltag war gar nicht so viel anders als im Westen.
Ich habe doch als 15-Jähriger nicht täglich an die Stasi gedacht, sondern an Musik, Mädchen und Fußball“, sagte er dem „Spiegel“ einmal. Die Menschen, und da ist wohl das österreichische Publikum nicht auszuschließen, würden die DDR nur aus TV-Zweiteilern mit Veronica Ferres kennen: „Das Leben ist nicht immer nur Drama gewesen, zwischen Stasi und Widerstand gab es ein reiches Leben, aber das spielte sich in Parallelwelten ab.“ Sich selbst findet er nicht in diesen schwarz-weiß gezeichneten Heldengeschichten: „Das Leben, das meine alten Kumpels und ich kannten, kommt in dieser Dramaturgie nicht vor.“ Und weiter: „In einer Diktatur zu leben, hieß für mich nicht, in Lumpen und mit gesenktem Kopf herumzulaufen, im Nackengriff der Stasi.“

Die Poesie der Zensur
Allerdings war die Atmosphäre in Liefers’ Familie frei geistiger als vielleicht in anderen, denn seine Eltern waren Künstler: „Bei uns wurde sehr viel gelacht über das Politbüro“, erzählt er. Doch der Beruf seiner Eltern sollte Liefers auch Schwierigkeiten bereiten: Weil sie politisch nicht genehm waren, bekam er einen Vierer in Betragen. Und der führte dazu, dass er kein Abitur machen durfte. Außer er wäre zur Nationalen Volksarmee gegangen, was er aber ablehnte. Im Endeffekt schadete es ihm nicht, denn für die Schauspielschule reichte auch eine abgeschlossene Tischlerlehre. Damals natürlich war der Jugendliche vor den Kopf gestoßen und kiefelte daran, dass die Willkür eines Mannes, „der keine zwei Sätze fehlerfrei sagen konnte“, eine solche Macht auf sein weiteres Leben ausüben konnte. Da half die Musik: „Der Song ,Am Abend mancher Tage, da stimmt die Welt nicht mehr‘ von Lift, der hat mir damals den Arsch gerettet.“
Lift, Renft, die Puhdys, Silly (da spielt jetzt übrigens Liefers‘ Ehefrau Anna Loos), Karat – lauter Bandnamen, die einem heute nicht direkt geläufig sind. Fragt man Liefers, was das Besondere am Ostrock sei, dann heißt es erst einmal kurz und bündig: „Dass es ihn gab und wie er sich behauptete.“ Aber besonders ist natürlich auch die eigenwillige Poesie, die sich aus den versteckten Hinweisen ergibt, die der Zensor nicht erkennen durfte, das Publikum aber schon. Aber keine Sorge, im Konzert macht Liefers schon auf die Subtilitäten und auch auf die Gefahren für die Künstler aufmerksam. „Ostalgie“, wie man undifferenzierte Verklärung der DDR gern nennt, will sich Liefers aber wirklich nicht vorwerfen lassen: „Die DDR war eine misstrauische und restriktive Diktatur, da gibt es nichts zu verklären.“

Von so überlegten Worten, die nirgends anecken wollen, kann Fettnäpfchenspezialist Karl Friedrich Boerne ja wiederum nur träumen. Die nächste „Tatort“-Folge aus Münster kommt dann übrigens am 10. Oktober ins Fernsehen.

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#2

RE: Jan Josef Liefers, auf Abwegen in Wien

in Off-Topic 18.09.2010 08:01
von PM | 4.235 Beiträge | 5060 Punkte

Ich hab diesen Soudtrack als Hörbuch und muss sagen, dass es super geschrieben ist. Hätte ich normaler Weise nicht gekauft, aber mein Mann hat bei einem Kulturradio einen Ausschnitt gehört und war begeistert.
Es ist keine hämische Abrechnung mit der DDR sondern ganz objektiv gemacht. Hätte ich eigentlich aus der Richtung gar nicht so erwartet.


Klick mal druff hier:

zuletzt bearbeitet 18.09.2010 08:06 | nach oben springen

#3

RE: Jan Josef Liefers, auf Abwegen in Wien

in Off-Topic 20.09.2010 00:13
von Sonny | 1.753 Beiträge | 2061 Punkte

Danke, Petra, für die Ergänzung.
Ich staune, was Kerstin immer so findet.
Den Artikel habe ich aufmerksam gelesen und freue mich über Petras Aussage.
Da bin ich nun neugieriger als zuvor.


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