Die JACKPOTBAND, „Gräfin Cosel“ und ein Stück Papier
Eigentlich ist mir seit einigen Tagen, als hätte ich diese berühmte LMA-Stimmung gepachtet. Das Wasser ist raus aus dem Keller und die Bescherung wird immer deutlicher. Wir hatten inzwischen kurzfristigen Besuch, der den Zustand bestaunt hat und danach ist mir das Staunen gründlich vergangen. Zumindest für zwei oder drei Tage.
Aber jedes Ende hat auch die Chance für einen neuen, vielleicht auch reizvollen Beginn und deshalb versuche ich gerade, meinen Kopf neu zu justieren. Laß’ das Wasser in den Mauern machen, hat’s geflüstert, und sieh’ nach vorn. In meinem Kopf klingt eine Melodie, die ich gerade zu begreifen beginne: Where ever I lay my hat, that’s my home.
Das sind die Gedanken, die mir so beim Laufen über die Dresdner Augustusbrücke im beginnenden Abend durch den Kopf gehen. Vor mir die Hofkirche und die Brühlsche Terrasse und hinter mir ein bereits winterfest gemachter Biergarten. Unten haben einige Dampfer angelegt und genau dorthin tragen mich die müden Knochen mit den roten Schuhen an den Füßen. Die ich dort treffen werde, haben ebensolches Schuhwerk im Gepäck und werden meine Roten treffen. Der Zielort heißt „Cosel“ und die Dame ist ein Luxusliner, der irgendwie zu den alten Raddampfern nicht passen will.
Die Gräfin ist hier schon immer zu Hause und „die Cosel“ ist ein WendeErfolg der Neuzeit, wie mir einer der Musikanten von JACKPOT süffisant ins Ohr flüstert. Schön, sich wieder an gleicher Stelle zu treffen, die Saison ausklingen zulassen und die lästigen Gedanken irgendwo am Ufer abzustellen. Wir nehmen nur den „Hausrat“ einer Kapelle mit an Bord und die Kapelle mich. DANKE Jungs!
In der aufkommenden Dämmerung sammeln sich draußen die Fahrgäste, drinnen wird lustig rumgestöpselt, verkabelt und letztlich der Sound gecheckt. Das alles geschieht im Foyer des Elbliners mit dem Rücken zum Wasser der „Gelben Elbe“, wie die Stern-Combo aus Meissen neuerdings frozzelt. Die Bordmannschaft wird auch neu eingewiesen und ich staune, mit welcher Ruhe und Ausgeglichenheit das alles geschieht. Die Freundlichkeit der Crew wird mich durch den ganzen Abend begleiten, kleine Späße eines verkannten comediandischen Stewarts inbegriffen, und wer’s nicht glaubt, sollte die nächste Dampferfahrt der „Madame Cosel“ mit ihrem Kapitän einfach buchen.
Dann wird die Gangway frei gegeben und zu den Klängen von „Hello Dolly“ und „When The Saints (Go Marchin’ In)“ stürmt das vorwiegend reifere Volk an Bord. Mir ist, als hätten die meisten der Gäste bereits ihr Abendmenü im Kopf, denn im Hinterteil mit dem großen Tresen wird’s schnell voll. Mein Platz ist vorn und dort haben sich die Gäste dezent im Umfeld der Bar verteilt. Beim Ablegen erklingt der „King Of The Road“ und als einziger Fan der Combo stehe ich singender Weise vor ihr und mach Digital-Fotos. Schon wieder! Meine roten Schuhe wippen den Takt von „Hit The Road Jack (No More, No More)“ und die sieben roten Schuhpaare mir gegenüber tun es den meinen gleich. Sieben im gleichen Takt, statt auf einem Streich.
JACKPOT sind Profis, will sagen, auch wenn erst mal keiner stehen bleibt, den deftigen Boogie, den Swing und den Dixieland nehmen sie alle mit auf ihren Platz „im Bauch des Riesen“, um dann, getrieben von den Eindrücken, doch wieder zum Foyer zurück zu kommen. Spätestens aber nach dem zweiten Bier. Dort hören sie den alten Mungo Jerry – Klassiker „In The Summertime (When The Weather Is High)“ und siehe da, die ersten schwingen das Tanzbein oder schauen sich das Treiben vom Oberdeck aus an. Dort steigt auch die Stimmung, während unten „Yes, Indeed“ erklingt.
Die JACKPÖTTE sind in Hochform. Schneidige Bläsersätze (Till Patzer, Jürgen „Heinzel“ Heinzmann mit der Kuhhaut und Frank Gerth), eine knackige Rhythmusgruppe (Georg „Schorsch“ Fröde am Schlagzeug und Jürgen „Bäumel“ Baum am Bass) sind das Markenzeichen der Band. Der Mann an den Tasten, Reinhard Clausnitzer und nebenbei Melonär, lockert das Ganze auf und der Chef an der Gitarre, Michael Heiderich, hält das alles zusammen und spielt außerdem ein geiles Brett. JACKPOT ist Extraklasse und bringt nicht nur Luxusliner auf Volldampf. Die würden auch einen Ozeanriesen rocken und der Melonär könnte Millionären aufspielen. Große Gage vorausgesetzt.
Mir geht’s wieder richtig gut, das Bier steht immer öfter allein auf dem Tisch, denn ich darf knipsender und swingender Weise vor der Band agieren und „schöne“ Bildchen schießen. Mal von vorn, von der Seite, von oben und aus dem Gang nach unten zum Örtchen. Es ist der Spieltrieb im Mann, der auf’m Dampfer sein darf. Na und? Ich brauch’ keinen Fernseher mit niveaulosen Doofgrammen, um einen schönen Abend haben zu können! Statt dessen intoniert die Band „What A Wonderful World“, ich hör’ den Armstrong grunzen und der Liner vollzieht im Dunkel, irgendwo hinter Schloß Pillnitz, eine ganze Drehung und richtet seinen Bug wieder dorthin, „wo möglicherweise mein Zuhause sein könnte“. „Kansas City“ oder „New Orleans“….??
Wie sagte Micha, der Chef: „ Sellerie, so ist das Leben“ (C’est la vie) und zu den Klängen von „I’m Working“ und „Let’s Work Together“ stampft der Koloss flussabwärts. Das Foyer ist gut gefüllt, einige tanzen und eine der freundlichen Borddamen hat Mühe, den Stapel Teller dort hindurch zu bugsieren. Noch mal gut gegangen! Das BLAUE WUNDER wird wieder durchfahren, es geht an der Baustelle Waldschlösschen zur „Hufi-Brücke“ vorbei und dann taucht die erleuchtete Silhouette der Stadt aus der Dunkelheit auf. Beim Wenden stampft der Dampfer und der Boogie Woogie von JACKPOT nimmt den Rhythmus zum Abschied auf.
Ich hab’ dann noch einen Zettel gemopst, auf dem so viele meiner Lieblingslieder für fröhliche Stunden aufgeschrieben sind und die JACKPÖTTER durften ihre Namen dazu kritzeln. Es war wieder ein wunderschöner Abend, Jungs, und vielleicht erhält dieses Stück Papier irgendwann in naher Zukunft mal den Status eines Dokumentes, das einen erneuten Start markiert, ohne Wasser im Keller und ohne böse Überraschungen danach. Dann lade ich Euch ein, wir lachen zusammen, machen Musik, trinken Bier und Bratwurst gibt’s dann sicher auch - „Que Sera, sera“. Versprochen!
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