#1

Persönliche Gedanken

in Off-Topic 19.09.2008 18:50
von HH aus EE (gelöscht)
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Nein, Musiker bin ich nicht geworden, obwohl mein Vater das sicher gern so gesehen hätte.

Er lebte zu einer Zeit, als statt dem Spielen auf einem Instrument zur Freude vieler Menschen, andere Menschen der Meinung waren, daß Menschen Menschen erschießen müßten. Damals schickten Menschen andere Menschen in einen Vernichtungsfeldzug und anstatt Musik zu spielen, lernte mein Vater schießen.

Als eine Folge dieses Wahnsinns überlebte die erste Familie meines Vaters diese Bombennacht im Februar auf Dresden nicht. Seine Frau und zwei Kinder starben in der Flammenhölle in der Nähe der Semperoper.

Ich bin sein erstes Kind aus zweiter Ehe und er wollte, daß ich in Frieden und wenn möglich, mit Musik aufwachsen solle. Folgerichtig hatte ich die Möglichkeit, von meinem 7. bis zum 14. Lebensjahr das Spielen auf einer Violine zu erlernen. Das hätte Jahre davor mein Vater auch gern gemacht.

Nein, Musiker bin ich nicht geworden. Aber mein Vater hat mir seine Liebe zur Musik mit auf den Lebensweg gegeben und seine alte Klampfe gleich mit. Eines meiner ersten Lieder, zu dem ich mich auf der Gitarre begleiten konnte war „Oh my darling, Clementine, you are lost for me forever, dreadful sorry, Clementine.“ (--> YouTube)

Ich kam 1964 zur „Penne“ zu einer Zeit, als die Beatles, Rolling Stones, Kinks, Small Faces, Byrds, Who und die Lords durch den Äther jagten.
Es war die Zeit von Hootenany und der Singebewegung. Es war die Zeit des Jugendtanzes und solcher Gruppen wie die Theo Schumann, Uve Schikora, Berolina Singers, Sputniks und Team 4.

Das alles habe ich sehr bewußt erlebt und mitgelebt. Ich hab’ ganz sicher keine musikalische Jugendsünde ausgelassen: Lange Haare, Schlaghosen, Blumenhemd, Westfernsehen und Westschallplatte.

Nein, Musiker bin ich nicht geworden. Ich habe Kulturwissenschaften studiert und 20 Jahre „in der Kultur“ gearbeitet. Ich bin zu vielen Konzerten gefahren und habe viele Konzerte selbst organisiert. Ich hatte das Glück, 1971 meinen Freund David in Schottland zu „treffen“ und mit ihm Schallplatten und anderen musikalischen Krimskrams auszutauschen.

Nein, Musiker bin ich nicht geworden, aber ich hatte wunderschöne Momente mit meiner Musik in jener Zeit und keine Minute, keinen Ton und keine Verrücktheit möchte ich missen.
Für mich gab und gibt es weder Ost- noch Westmusik, sondern immer nur MEINE Musik. Sie hat mich emotional geprägt, hat mich über meine geistigen und anderen Grenzen hinaus denken und fühlen gelehrt.

Die Jahre nach 1990 hatten andere Wertigkeiten. Dennoch konnte ich viele meiner Jugendsünden live und im Original erleben: Deep Purple, Black Sabbath, Rolling Stones, The Who, Pink Floyd,
Bob Dylan und Paul McCartney.

Mit Beginn der Internetrevolution wurden die Räume weiter und die Informationen dichter. Auf diesem Weg merkte ich letztlich, daß ich mit meiner Biografie gar nicht so allein war. Auch andere hatten sich wie ich ihre Liebe zur „Ostmusik“ erhalten und wollten weiter mit ihr Leben – Musiker wie Fans gleichermaßen.
Ich bin vielen begegnet. Manchen nur einen kurzen Augenblick, einen anderen ein knappes Jahr und ein paar sind mir Freunde geworden, weil es ihnen um unsere Musik geht und weil Musik zu genießen letztlich nur in der Gemeinschaft Sinn und Freude bereitet.

Das sehen einige anders, aber solcherlei Benutzung war mir schon zu DDR-Zeiten ein Graus – der „Klassenfeind“ salutiert und der „Schwarze Kanal“ läßt grüßen. NEIN, ich lasse mich weder verbiegen noch dauerhaft benutzen, für niemanden, für keine „Idee“ und für kein Thema!

Ich habe mich in den vergangenen Wochen entschieden, mit all jenen ein Stück des Weges weiter zu gehen, die nach vorn schauen wollen, ohne den Blick nach hinten zu verklären und die Musik so ähnlich empfinden wie ich selbst.
Musik ist Bereicherung meines Lebens, Musik ist Lebensfreude und manchmal Anregung und Nachdenklichkeit. Musik ist Stille oder monumentale Gewalt. Manchmal ein Schrei.
Musik ist Liebe und Gleichschlag der Herzen und sie ist Berührung der Sinne.

Eines ist Musik ganz sicher nicht – Selbstzweck oder Mittel zu einem Zweck! Sie ist immer das, was wir aus ihr machen, die Musikanten und die Fans.
Laßt uns also tun, was Musik bewirken kann – miteinander reden oder schweigen und gemeinsam genießen. Deshalb bin ich hier und nicht irgendwo sonst. Freunden und Weggefährten möchte ich in die Augen sehen können, Freude und Trauer entdecken und immer noch „Dummheiten“ machen.

Einen anderen Weg möchte und werde ich NICHT gehen!

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zuletzt bearbeitet 20.09.2008 12:05 | nach oben springen

#2

RE: Persönliche Gedanken

in Off-Topic 19.09.2008 20:29
von Bernd (gelöscht)
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Nachdenkliche Worte, welche seinesgleichen suchen! Ich bin gerührt von dieser konsequenten Lebenseinstellung und gestehe mir ein, daß auch ich da viel lernen muss.
Und diese gemeinsamen Dinge sind es, welche uns auch in Zukunft verbinden.
Ich bin froh und glücklich, Dich kennen und als Freund schätzen zu dürfen!

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#3

RE: Persönliche Gedanken

in Off-Topic 20.09.2008 11:05
von Tammi (gelöscht)
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Hallo HH ! Danke für diese Einblicke! Auch mich hat Dein Artikel sehr bewegt, konnte ich auf diesem Wege noch mehr über Dich erfahren. Ja, die Musik vermag so einiges in Bewegung zu bringen, obwohl mich unsere Musik damals mehr prägte, als die, vor der damaligen Mauer. Und diese, meine DDR Musik LIEBE & LEBE ich heute immer noch. Ich bin und bleibe - sorry - nun mal ein Ostkind! Ich möchte keine Zeit ohne "meinen" geliebten Manne Krug und Co. missen und ich höre diese tollen Lieder noch heute immer wieder mit Vergnügen ....

Und wie Du in Deinen persönlichen Gedanken erwähntest, hat uns beide ja auch die Internetrevolution zusammengebracht, als ich auf der Suche nach Liedern von Thomas Natschinski war.

Danke das es Dich gibt Hartmut und mach weiter so ! ! ! Bist ein wahrer Freund für mich geworden! tammi :)

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#4

RE: Persönliche Gedanken

in Off-Topic 20.09.2008 15:41
von Kundi (gelöscht)
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Es ist die Musik, die uns verbindet.Es ist schön, dass aus Internetbekanntschaften nach und nach Gesichter, Menschen und viele auch Freunde wurden. Jedes gemeinsam erlebte Konzert, jede Begegnung oder jedes Telefonat
mit euch sind für mich eine Bereicherung meines Lebens.
Ich habe in den zwei Jahren hier in diesem Forum meinen persönlichen Horizont auch kräftig erweitert.
Ich freue mich auf die nächsten Jahre mit euch und unseren musikalischen Helden.

Liebe Grüße

Gundolf

zuletzt bearbeitet 21.09.2008 06:05 | nach oben springen

#5

RE: Persönliche Gedanken

in Off-Topic 21.09.2008 12:47
von Mary (gelöscht)
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Einfach DANKE, für die sehr persönlichen Worte!
Einfach DANKE, dass Du den Mut hast mit so persönlichen Einstellungen und Erlebnissen an die Öffentlichkeit zu gehen!
Einfach DANKE, dass auch ich Dich kennen lernen konnte!
Einfach DANKE und herzliche Grüße!
Mary
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zuletzt bearbeitet 21.09.2008 12:47 | nach oben springen

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