Nein, Musiker bin ich nicht geworden, obwohl mein Vater das sicher gern so gesehen hätte.
Er lebte zu einer Zeit, als statt dem Spielen auf einem Instrument zur Freude vieler Menschen, andere Menschen der Meinung waren, daß Menschen Menschen erschießen müßten. Damals schickten Menschen andere Menschen in einen Vernichtungsfeldzug und anstatt Musik zu spielen, lernte mein Vater schießen.
Als eine Folge dieses Wahnsinns überlebte die erste Familie meines Vaters diese Bombennacht im Februar auf Dresden nicht. Seine Frau und zwei Kinder starben in der Flammenhölle in der Nähe der Semperoper.
Ich bin sein erstes Kind aus zweiter Ehe und er wollte, daß ich in Frieden und wenn möglich, mit Musik aufwachsen solle. Folgerichtig hatte ich die Möglichkeit, von meinem 7. bis zum 14. Lebensjahr das Spielen auf einer Violine zu erlernen. Das hätte Jahre davor mein Vater auch gern gemacht.
Nein, Musiker bin ich nicht geworden. Aber mein Vater hat mir seine Liebe zur Musik mit auf den Lebensweg gegeben und seine alte Klampfe gleich mit. Eines meiner ersten Lieder, zu dem ich mich auf der Gitarre begleiten konnte war „Oh my darling, Clementine, you are lost for me forever, dreadful sorry, Clementine.“ (--> YouTube)
Ich kam 1964 zur „Penne“ zu einer Zeit, als die Beatles, Rolling Stones, Kinks, Small Faces, Byrds, Who und die Lords durch den Äther jagten.
Es war die Zeit von Hootenany und der Singebewegung. Es war die Zeit des Jugendtanzes und solcher Gruppen wie die Theo Schumann, Uve Schikora, Berolina Singers, Sputniks und Team 4.
Das alles habe ich sehr bewußt erlebt und mitgelebt. Ich hab’ ganz sicher keine musikalische Jugendsünde ausgelassen: Lange Haare, Schlaghosen, Blumenhemd, Westfernsehen und Westschallplatte.
Nein, Musiker bin ich nicht geworden. Ich habe Kulturwissenschaften studiert und 20 Jahre „in der Kultur“ gearbeitet. Ich bin zu vielen Konzerten gefahren und habe viele Konzerte selbst organisiert. Ich hatte das Glück, 1971 meinen Freund David in Schottland zu „treffen“ und mit ihm Schallplatten und anderen musikalischen Krimskrams auszutauschen.
Nein, Musiker bin ich nicht geworden, aber ich hatte wunderschöne Momente mit meiner Musik in jener Zeit und keine Minute, keinen Ton und keine Verrücktheit möchte ich missen.
Für mich gab und gibt es weder Ost- noch Westmusik, sondern immer nur MEINE Musik. Sie hat mich emotional geprägt, hat mich über meine geistigen und anderen Grenzen hinaus denken und fühlen gelehrt.
Die Jahre nach 1990 hatten andere Wertigkeiten. Dennoch konnte ich viele meiner Jugendsünden live und im Original erleben: Deep Purple, Black Sabbath, Rolling Stones, The Who, Pink Floyd,
Bob Dylan und Paul McCartney.
Mit Beginn der Internetrevolution wurden die Räume weiter und die Informationen dichter. Auf diesem Weg merkte ich letztlich, daß ich mit meiner Biografie gar nicht so allein war. Auch andere hatten sich wie ich ihre Liebe zur „Ostmusik“ erhalten und wollten weiter mit ihr Leben – Musiker wie Fans gleichermaßen.
Ich bin vielen begegnet. Manchen nur einen kurzen Augenblick, einen anderen ein knappes Jahr und ein paar sind mir Freunde geworden, weil es ihnen um unsere Musik geht und weil Musik zu genießen letztlich nur in der Gemeinschaft Sinn und Freude bereitet.
Das sehen einige anders, aber solcherlei Benutzung war mir schon zu DDR-Zeiten ein Graus – der „Klassenfeind“ salutiert und der „Schwarze Kanal“ läßt grüßen. NEIN, ich lasse mich weder verbiegen noch dauerhaft benutzen, für niemanden, für keine „Idee“ und für kein Thema!
Ich habe mich in den vergangenen Wochen entschieden, mit all jenen ein Stück des Weges weiter zu gehen, die nach vorn schauen wollen, ohne den Blick nach hinten zu verklären und die Musik so ähnlich empfinden wie ich selbst.
Musik ist Bereicherung meines Lebens, Musik ist Lebensfreude und manchmal Anregung und Nachdenklichkeit. Musik ist Stille oder monumentale Gewalt. Manchmal ein Schrei.
Musik ist Liebe und Gleichschlag der Herzen und sie ist Berührung der Sinne.
Eines ist Musik ganz sicher nicht – Selbstzweck oder Mittel zu einem Zweck! Sie ist immer das, was wir aus ihr machen, die Musikanten und die Fans.
Laßt uns also tun, was Musik bewirken kann – miteinander reden oder schweigen und gemeinsam genießen. Deshalb bin ich hier und nicht irgendwo sonst. Freunden und Weggefährten möchte ich in die Augen sehen können, Freude und Trauer entdecken und immer noch „Dummheiten“ machen.
Einen anderen Weg möchte und werde ich NICHT gehen!