Als der, mich seit über einem Drittel Jahrhundert auf dem Hals Habende, vorige Woche mal eben so bemerkte: „Wir gehen mal zum Zöllner“ löste er eine erhebliche Störung des häuslichen Friedens aus, denn meine alten Ohren hatten verstanden: „Wir gehen zum Söllner!“, was er sich in regelmäßigen Abständen alleine antut. Das Wort „Wir“ hatte mich da schon auf die Palme gebracht.
Ich musste mich bei meinem ostrockfernen Angetrauten rückversichern, ob er vielleicht den Dirk Zöllner meint, den wir im Kesselhaus beim Herrn Rockgeiger gesehen haben. Er meinte.
Nichts besser als das, also machten wir uns am 15.01.09 auf nach Leipzig in die Moritzbastei.
Genau dieses Mosaiksteinchen fehlte mir noch, das Sündenprogramm und den „Club der Toten Dichter“ hatte ich schon gesehen, die Konzertlesung zu den „7 Sünden“ in Schriftform noch nicht.
Also ich finde das Wort „Konzertlesung“ den Kern der Sache nicht trifft – aber was Besseres fällt mir auf die Schnelle auch nicht ein. Es ist einfach eine Performance aus Gelesenem, Gesungenem, Gespielten, Geknipsten und Gefilmten.
Das Buch zur Show haben Dirk Zöllner und seine Muse Denise Naumann geschrieben und die Handlung lässt sich in einem Satz zusammenfassen. Es wird berichtet, wie aus der Mätresse des Paten von Meerane eine angehende Frau Zöllner wird und nebenbei noch eine Konzept CD zu den 7 Sünden entsteht.
Ja und das alles wurde in knapp 2 Stunden an den staunenden Zuhörer gebracht.
Andre Gensicke begleitete den großen Meister am Keyboard und so gab es viele Titel aus dem Sünderprogramm zu hören. Sehr schön in diesem kleinen Rahmen, man konnte gemütlich in erster Reihe ansitzen.
Untermalt wurde das Ganze von reizenden Fotos der Sündertruppe, die an eine riesige Leinwand geworfen wurden. Besonders hatte es mir der Titel „Rot“ angetan. Als Zugabe erhielten die Konzertbesucher dann noch einen Videoclip mit diesem Titel gezeigt. Dort rennt Dirk Zöllner als Hund verkleidet durch Berlin und seine Band hinter ihm her. Schließlich wird er in einen Müllsack verfrachtet. Für solche Clips bin ich nicht mehr Zielgruppe, aber der hat mir klasse gefallen.
Als Denise zu lesen begann, war ich noch skeptisch, ihr fiel es auch erst mal schwer, da reinzukommen, aber ich glaube sie hatte auch nur die Funktion, Appetitshäppchen zu verteilen. Als sie sich freigeschwommen hatte und auch bei den älteren Damen der Groschen gefallen war, hab ich mich köstlich amüsiert.
Wer ostrockinteressiert ist, kennt die handelnden Personen und hat da noch mehr Freude dran. Es wird einiges beim Publikum vorausgesetzt. Also man sollte schon wissen, wer Matmann, der Heiland oder A-Low ist. Ansonsten bleibt einem nicht anders übrig, als dieses Buch zu lesen.
Dies habe ich dann gestern auch in der Sauna getan. Warum ich den Saunaeintritt bezahlt habe, ist mir immer noch schleierhaft – ich konnte das Buch nicht aus der Hand legen. Es ist auch rein optisch ein Highlight.
Es ist kein Ostrocksachbuch – es ist eben Literatur, super erzählt und sicher nicht mit dem Anspruch, die ganze Wahrheit zu verbreiten. Spannend für den Leser, herauszufinden, was authentisch ist und was erdichtet. Dies wird uns wohl nie gelingen. Und neugierig sind wir doch alle, wie es so bei Künstlers zuhause zu geht – oder?
Das frappierende an dem Buch ist für mich, wie hier Dirk Zöllner von seinem Thron runter steigt, auf den ich ihn gestellt hatte. Künstler sind auch nur Menschen – aber er hat hier viel gucken lassen, auch wenn es nicht immer die blanke Erfolgsstory war.
Hinter jedem erfolgreichen Mann steckt eine kluge Frau - sagt man jedenfalls. Wenn diese sogar mit auf die Bühne darf – umso besser!