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35 JAHRE HANS "DIE GEIGE" - meine ganz persönliche Verbeugung

in Ostrock allgemein 02.03.2009 18:27
von HH aus EE (gelöscht)
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Meine Geige, die „GEIGE“ - 35 Jahre mit HANS „DIE GEIGE“

Vielleicht liegt es daran, daß ich in meinen Kinderjahren auf Wunsch meines Vaters sieben lange Jahre Geigenunterricht erhielt. Ich selbst fühlte und fühle dieses Instrument als etwas ganz besonderes, aber mein Vater hätte sich wahrscheinlich mehr erhofft, als allein diese Feststellung eines Gefühls.
Noch heute sehe ich mich ab und an täglich eine Stunde „üben“, allein im Zimmer, allein mit der Geige, manchmal lustlos. Ich sehe mich als 10-Jähriger mit meiner Violine am Kinn und einem Chor an der Seite beim alljährlichen Schülerkonzert.
Ich selbst bereute erst Jahre später, die eigentliche Chance nicht begriffen zu haben. Sicher war ich mit 7 oder 8 Jahren auch noch zu jung dafür.

Mein „Coming Out“ erfolgte zu einer Zeit, da hatte ich die Geige in ihrem Kasten schon längst vergessen. Ich hatte die 6 Saiten der Gitarre für mich entdeckt und aus dem Lautsprecher meines Tonbandgerätes klangen Songs von den Beatles, den Stones, von Deep Purple, Focus, Frumpy und plötzlich auch Klänge von Kansas, Flock, Curved Air, Fairport Convention und Steeleye Span. Die waren anders, kamen mir viel näher und bohrten sich in mein Herz. Rockmusik und Geigenklänge – dafür hatte ich fortan eine besondere Vorliebe.

Irgendwann klang während einer DT64-Sendung ein Instrumental aus dem Radio, eine Melodie irgendwo zwischen Folk, Menuett und Blues, eine faszinierende und melodische Mixtur, die ich nicht mehr los wurde. Ich war wie wild darauf, dieses Stück Musik auf’s Band zu bekommen, das „Rhododendron“ hieß.

Von diesem Moment an wußte ich mehr über die Gruppe KLEEBLATT und über den Mann an der Violine, den inzwischen jeder als Hans „DIE GEIGE“ Wintoch kennt. Fortan verfolgte ich das Tun dieses Musikers mit einem besonderes Blick, war gierig auf Songs, die vom Spiel seiner Geige veredelt wurden und freute mich darüber, wie seine Haare immer länger und länger wurden.

In jugendlichen Jahren hatte ich neben Renft, Schikora und Bürkholz auch die Klosterbrüder live erlebt, war beim legendären Konzert in Plessa um die Ecke dabei, als der Band die letzte Stunde drohte. Vielleicht war das der Grund dafür, Jahre später die Gruppe MAGDEBURG auf eben jener Bühne zu einem meiner Konzerte zu haben. An jenem 30. April 1980 lief mir auch die „GEIGE“ wieder über den Weg, denn der Teufelsgeiger war inzwischen ein „Magdeburger“ geworden.

Nach dem Konzert hab’ ich ihm von meiner Idee erzählt, mal einen intimen Abend zum Thema „Geige & Rockmusik“ zu machen, ein gemütliches Beisammensein mit Musik, Gesprächen und Dokumenten rund um dieses Thema. Er hat nicht sofort JA gesagt und es waren noch einige Telefonate notwendig, ehe ich die „GEIGE“ endlich für diese Idee begeistert und ihn allein unter Vertrag hatte.

Es war Donnerstag, der 8. Mai 1986 – wir sind im Klub „DIE STUBE“ Elsterwerda. Neben mir sitzt der Rockgeiger und der Raum ist voll mit unseren Stammgästen. Die Wände sind dekoriert mit Plattencovern und Plakaten, dazwischen (wie völlig normal) die LP-Hüllen von „Point of Know Return“ und „Dinosaur Swamps“ (1986!). Die erste eigene LP von Hans erschien erst 1988 bei Amiga.

Mit einem Zigarillo zwischen Fingern erzählt die „GEIGE“ aus seinem Leben und von seiner Liebe zum Instrument, seiner Begeisterung für Rockmusik und manchmal auch vom turbulenten Leben als Musiker.
Wie er schon frühzeitig in Sangerhausen und Halle Violinenunterricht bekam und warum ein Musiker Klassik und Rock’n’Roll gleichermaßen lieben kann. Er sprach von seinen Stationen bei Sieghart Schubert, Report, Kleeblatt, Diestelmann und Magdeburg und von Gruppen, ganz weit weg, wie KANSAS oder FLOCK.
Zwischendurch griff er immer wieder zur Violine. Schon damals war „Klassik I“ zu hören und „Face To Face“ auch, zwei Stücke, die dann zwei Jahre später auf die Platte kamen. Wie auch heute noch spielte und sang er „Dust In The Wind“, seine Lieblingsnummer von KANSAS.
Na klar, er nahm die Violine und ließ den „Rhododendron“ aus KLEEBLATT – Zeiten wuchern, dieses tolle Stück von Wolfgang Kobischke, dem stillen Gitarristen und Komponisten von KLEEBLATT. Er hat es 20 Jahre später, als wir uns 2007 in Riesa im ART-CLUB wieder trafen auch gespielt mit der Bemerkung „Auf Wunsch eines älteren anwesenden Herren“ und ich hab’s ihm einfach geglaubt, weil ich es glauben wollte.

Was haben wir gelacht, als ich dann die Fotos aus der „STUBE“ von vor 20 Jahren rausholte, wir beide, er mit Zigarillo und ich mit einem Glas in der Hand oder Hans singend (mit Zopf) vor dem Mikrofon. Was haben wir gegrinst, über einen Rockgeiger mit Schürze (und Zigarillo) frühmorgens in unserer Küche. Was mußte meine Frau schon alles „erdulden“, aber man hat ja auch nicht jede Nacht einen kochenden Rock-Geiger in der eigenen Küche!
Wir sahen uns an, lachten und wußten sofort, wir beide sind noch immer so wie damals, nur die Haare sind nicht mehr ganz so dicht und ein paar mehr Jahresringe haben sich gut sichtbar auch gebildet, never mind.

Einer meiner ganz großen Momente war das gemeinsame Musizieren von GEIGE und CÄSAR während der 5. Rocknacht in Mittweida am 20. Mai 2007 in der Bürkel-Halle. Gemeinsam gaben sie damals Clapton’s „Tears In Heaven“ für den tödlich verunglückten Heinz Prüfer von RENFT, nicht ahnend, daß dies ihr einziger gemeinsamer Auftritt bleiben sollte. Inzwischen ist auch dieser Augenblick unwiederholbar und Geschichte, aber eben nicht vergessen!

Hans „DIE GEIGE“ ist einer, der, ähnlich wie CÄSAR, in meinem Leben immer irgendwie präsent war, anders zwar, aber immer im Hinterkopf und im richtigen Augenblick auch ganz persönlich anwesend.
HANS vergißt Menschen nicht und auch nicht bleibende Momente mit ihnen und ich denke, er ist einer von denen, die immer sie selbst blieben, in Tiefen wie in Höhen. Einer, der sich selbst nicht zu wichtig nimmt und stets Zeit für andere hat. Einer, der in 35 Jahren so viel Leben stecken hat, wie manch andere mit 70 nicht.
Einer, der meinte, man müsse sich unter Musikerkollegen auch schon mal „zwischendurch“ treffen und nicht erst warten, bis man sich wieder auf irgend einem Friedhof im Lande einfinden muß.

Ich denke, HANS ist ein wenig so, wie auch ich mich fühle: Er lebt voll und ganz für seine Musik und ist dabei manchmal ein wenig zu offen und dabei sehr ehrlich! Wir trafen uns bei Solo-Konzerten und wir sahen uns mit MAGDEBURG oder mit der SCHUBERT-BAND, wir sahen uns beim Abend mit CÄSAR & den Spielern, zum Weihnachtsfest mit CITY, wo er gemeinsam mit Joro Gogow den „Little Drummer Boy“ in den Saal von Weinböhla fiedelte, oder zum 60. Geburtstag von Reinhard Fißler.
Der nächste Termin ist auch schon fest eingeplant und sicher wird’s dann auch wieder Gelegenheit geben, Musik zu hören und bei einem Gläschen über Musik zu reden, irgendwann im Sommer und irgendwo in Brandenburg.

Der Mann ist jetzt wie ein besessener Unruhegeist mit Geige und Bogen 35 Jahre „on stage“, er hat dieses Jubiläum mit Musikerkollegen, Freunden und Fans in Berlin gefeiert. Ich konnte leider nicht dabei sein und deshalb wollte ich trotzdem ganz persönlich und ein wenig individuell meine GRATULATION an den Geiger bringen und sagen: DANKE HANS, unsere und meine „GEIGE“.
Angefügte Bilder:
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HdG und HH  1986 a.jpg
Klein HH mit Geige a.jpg
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zuletzt bearbeitet 02.03.2009 18:39 | nach oben springen

#2

RE: 35 JAHRE HANS "DIE GEIGE" - meine ganz persönliche Verbeugung

in Ostrock allgemein 02.03.2009 18:47
von Mary (gelöscht)
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Danke Hartmut! Nach diesem Bericht freu ich mich doch gleich noch mehr auf den 18.04.09 und Hans die Geige in Dresden/Meußlitz...

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#3

RE: 35 JAHRE HANS "DIE GEIGE" - meine ganz persönliche Verbeugung

in Ostrock allgemein 02.03.2009 19:04
von Bernd (gelöscht)
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Auch von mir DANKE für diese Zeilen und Fotos ! Ja, die Vielseitigkeit von unserem Foren-Lieblings-Rockgeiger ist, es, was ihn ausmacht. Nun ist ja nächsten Monat der Termin in Dresden und auch wir sind dabei.

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