Andreas Schirneck meets „Acoustic Young“
So ein Dauerregen der letzten Tage aber auch! Ständig schüttet irgendwer Unmengen von Wasser auf uns herab, als ob wir mit dieser schwarz-gelben Koalition nicht schon genug bestraft wären. Das Scheiß-Wetter und das Agieren von denen „da oben“ hinterlässt leichte Anfälle von Wut und Ohnmacht gleichermaßen. Bei diesem Wetter würde keiner nicht mal eine Katze vor die Tür jagen (siehe Foto). Trotz des Dauerregens und gerade wegen der miesen Stimmung bin ich nach Dresden gefahren, zum Kunsthof in Gohlis. Musik ist Balsam für die Seele und die braucht dringend musische Streicheleinheiten.
ANDREAS SCHIRNECK hatte sich irgendwann in früheren 70er Jahren, wie viele andere auch, von der Musik des Kanadiers NEIL YOUNG anstecken und inspirieren lassen. Jeder, der jene Zeit als Musiker oder Fan miterlebt hatte, wollte wohl schon mal selbst „Heart Of Gold“ mit Gitarrenbegleitung singen oder gedanklich wenigstens bei Crosby, Stills, Nash & Young dabei sein, um gemeinsam „Ohio“ oder „Helpless“ zu intonieren. Wie sich doch die ganz persönlichen Erfahrungen manchmal gleichen!
Im Folk-Boom der späten 70er in der DDR spielte SCHIRNECK in einer dieser Folk-Gruppen, die im Sog der Folkländer, von Wacholder oder Liedehrlich wie Pilze aus dem Boden schossen. „Schlehdorn“ bestand nur kurze Zeit, die aber genügte dem Sänger und Gitarristen, um sich nach und nach der Musik von YOUNG zu nähern und sie für sich zu entdecken. Die neuen Zeiten nach 1989 ließen andere Dinge wichtig erscheinen. Auch das hat er mit vielen anderen gemeinsam. Erst die Begegnung mit KLAUS RENFT sorgte für eine persönliche Wende in seinem Leben und damit auch für das Erwachen einer Idee - „Acoustic Young“.
Wie er da so am Mikro steht, die Gitarre umgehangen und das Mundi-Besteck am Hals, erwachen auch bei mir die Erinnerungen. Die Stimme von ANDREAS SCHIRNECK ist verdammt nah am Original, als er den Abend mit „Comes A Time“ eröffnet und während „Old Man“ vom legendären 1972er Album „Harvest“ (Ernte) erklingt. So stellt sich auch das Gefühl von damals wieder ein, das ich schon auf der Fahrt nach Dresden hatte, denn so lieblich auch „Captain Kennedy“ in den Ohren klingen mag, der Songs ist eine einzige Anklage gegen die Amerikanischen „Herren der Kriege“ (Bob Dylan), die auch immer noch in Deutschland die Strippen z.B. für Afghanistan und andere profitable Waffengeschäfte ziehen. Nichts gelernt, fällt mir da nur ein und SCHIRNECK singt uns den „Captain Kennedy: „Mein Vater war ein Seeman namens Kapitän Kennedy, er verlor seinen hölzernen Schoner durch die Deutschen auf hoher See.“
ANDREAS SCHIRNECK versteht es, mit sparsamen Worten die Hintergründe und Geschichten der Lieder erkennbar zu machen, mit denen er sich und uns manchmal auch durch ein Stück Amerikanischer Geschichte(n) singt: „Ohio“, „Southern Pacific“ oder „Southern Man“, wobei letzteres als Eindruck aus YOUNG’s erster Reise in den Amerikanischen (Bush)Süden entstand. Als „Antwort“ auf diesen Song und auf „Alabama“ schrieben übrigens Lynyrd Skynyrd dann ihr berühmtes „Sweet Home Alabama“.
SCHIRNECK singt die meisten Lieder zur Gitarre, doch ab und an nimmt er auch ein Banjo, um dann für „For The Turnstile“ oder „Human Highway“ den Raum mit den typisch trockenen Saitentönen eines Banjos zu füllen.
Ein solcher Abend ohne „Helpless“ und damit ohne ein „Deju Vu“ ist natürlich nicht denkbar, obgleich der Sänger den Namen des Albums von 1970 nicht ausspricht. Dieses Gefühl, alles schon mal erlebt und gehört zu haben, ist wie auf Kommando da und auch die Erkenntnis, daß dies inzwischen 40 (!) Jahre her ist. An der eindringlichen Faszination des Songs ändert das freilich nichts und an der Unruhe, die er mitbringt auch nicht: „ In my mind I still need a place to go“. Da hat mich einer schon vor 40 Jahren unbewusst durchschaut und das Empfinden hat sich bis heute gehalten.
Neben den vielen bekannten Klassikern erklingen im Kunsthof Gohlis auch weit weniger bekannte Stücke des Kanadischen Rock-Chamäleons aus frühen Jahren oder irgendwo auf einer der über 40 Alben versteckt.
SCHIRNECK lässt den Abend mit „Harvest Moon“ vom gleichnamigen 1992er Album ausklingen, das quasi die Weiterführung von „Harvest“ darstellt. Damit ist der Brückenschlag ins Heute geglückt, zumal jemand aus dem Publikum sich aus diesen alten Zeiten „Heart Of Gold“ wünscht. Auch mir hätte dieser Klassiker gefehlt. Ganz zum Ausklang setzt sich der Thüringer noch ans Klavier, um ohne jeden technischen Schnickschnack sehr gefühlvoll „Alabama“ zu singen, eine bissige Botschaft, die wieder über die Hintertür kommt, „Southern Man“ vergleichbar (siehe oben).
Es war so ein Treffen der Erinnerungen und Gefühle, mit denen noch immer Denkweisen und auch Haltungen verbunden sind. Viele der Lieder von NEIL YOUNG schmeicheln sich in die Ohren und wer sie versteht, kommt oftmals um Nachdenken oder gar einen Schreck nicht herum. Das hat uns in den 60ern und 70ern verbunden und das ist auch heute nicht viel anders, wenn man sich den Inhalten öffnet. YOUNG, der im November dieses Jahres 65 wird, und ANDREAS SCHIRNECK sind keine Teenies mehr, deshalb aber noch lange nicht von gestern oder gar altes Eisen, wie der Kanadier mit „Prairie Wind“ (2005) eindrucksvoll dokumentiert: „… it’s a long road behind me, it’s a long road ahead.“ (The Painter)… „ein lange Straße liegt hinter mir und eine lange noch vor mir…“.