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Duo MURDER (DK) live im Dresdner THALIA

in Off-Topic 23.09.2010 17:49
von HH aus EE (gelöscht)
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Zwei „Murder“ aus Dänemark im Thalia-Kino Dresden

Es sind nicht immer die besonders schönen oder sonst irgendwie blendenden Momente, die man in seiner Erinnerung abspeichert. Manchmal sind es auch Ereignisse oder Augenblicke, die durch ihre Gegensätzlichkeit auffällig sind und daraus den Reiz des Besonderen beziehen. Das Film-Duo „Dick und Doof“ alias Laurel & Hardy sind so ein Paradebeispiel. Allerdings war ich gestern nicht im Dresdner THALIA-Kino, um die beiden klassischen Film-Komiker zu erleben, sondern mich zog mal wieder Neugier auf unbekannte Musik an diesen Ort. Was das mit Kontrast zu tun hatte, sollte sich im Laufe des Abends noch zeigen.

Skandinavien ist für viele bis heute ein weißer Fleck auf dem Musikatlas der populären Musik, wenn man mal ABBA, AHA oder TITANIC beiseite lässt. Ganz still wird es, wenn man in diesem Zusammenhang an Dänemark denkt. Eventuell fallen einem noch die OLSEN BROTHERS als Grand Prix – Gewinner aus dem Jahr 2000 mit ihrem „Fly On The Wings Of Love“ ein. Aber dann ist Schweigen im Wald.
Das alles ging mir auf dem Weg zum THALIA in Dresden durch den Kopf und so langsam nahmen mich die Neugier und Gedanken um das Kommende in Besitz. Das Duo MURDER aus Kopenhagen gibt ein Klubkonzert und die Übersetzung als „Mord“ assoziiert alle möglichen Gedanken an Böses und Skurriles. Beide haben in ihrer Heimat einen guten Namen, aber wer wie ich meint, vom Namen auf das musikalische Profil schließen zu können, ist dem Kontrast, der sich ergibt, und dem Irrtum ziemlich nah.

Auf dem kleinen Podium des Thalia stehen zwei leere Stühle. Kurz nach 20.30 Uhr nehmen darauf der schlanke und ranke ANDERS MATHIASEN (guit, voc) und auf dem zweiten ein völlig anders erscheinender JACOB BELLENS (voc) Platz. Die Optik könnte kaum gegensätzlicher ausfallen. Erst ein „Guten Tag“ von ANDERS, danach aber doch „Guten Abend“ von JACOB und ein Gruß mit Hand, ein Lächeln aus dem Bart und ein Blitzen aus den Augen hinter der Brille.

„Providence“ (Voraussicht) ist der erste Song des Abends und mit ihm beginnt eine Reise in eine nahezu mystische und entrückte Musikwelt. Vom ersten Moment an nimmt mich die dunkle und warme (Bariton)Stimme von JACOB gefangen. Sie wirkt wohltuend schwer, beinahe hypnotisierend und lässt mich tief in mich selbst versinken. Das hatte ich so, bei diesem Namen, nicht erwartet.
Die Gitarre von ANDERS begleitet diese eigenartig schöne Stimme dezent mit einem filigranen Spiel, das intensiv und zurückhaltend gleichzeitig wirkt. Ich fühle mich augenblicklich in spätabendliche Stimmung in einem der kleinen Inselhäfen von Dänemark versetzt. Das ist so eine Mischung aus Freiheit und Melancholie, die süchtig macht. Diese Stimmung vertieft sich mit Songperlen wie „Picker Of Cotton“ (Baumwollpflücker) und „No Room For Mistakes“ (Kein Raum für Irrtümer).
Die Melodien von der brandneuen CD „Gospel Of Man“ sind berauschend schön und dennoch irgendwie sperrig, weil sie sich gängigen Strophe-Refrain-Mustern gänzlich entziehen. Das Gefühl kann man durchaus geheimnisvoll nennen und ein wenig fühle ich mich in eine musikalische Märchenwelt versetzt, wo Schamanen ihre Beschwörungen stoisch und entrückt zelebrieren. MURDER präsentierten die neuen Songs diese Albums im THALIA live schon vorab, denn die CD wird erst Mitte Oktober erscheinen.

Auch die beiden Songs vom CD-Vorgänger „Stockholm Syndrome“ folgen dieser kühl-warmen Stimmung. „Sound Below The Sun“ (Klang hinter der Sonne) und „Feast In My Honour“ (Fest mir zu Ehren) sind wie eine Mixtur aus Folkmusic und nordischer Zurückhaltung. Mitten im nächtlichen Großstadtgewühl von Dresden entsteht eine gefühlte Insel der inneren Einkehr. Während ANDERS völlig in sein Gitarrenspiel versunken die Töne und Akkorde schweben lässt, erzählt JACOB, die Beine aufeinander gelegt, manchmal den Rhythmus mit den Händen auf die Fußsohle klopfend, von besonderen Menschen, von deren Ängsten, Gedanken, von der Liebe sowie von Gott und der Welt.
Das typische dieser Musik, sind die schlichten musikalischen Mittel, mit denen die beiden einprägsame Songs mit raffinierten Tempowechseln und überraschenden Melodiewendungen wie aus dem Nichts zaubern. Immer, wenn ich meine, noch tiefer in dieser mystischen Klangwelt versinken zu können, sind die kurzen Lied-Geschichten schon wieder am Ende und JACOB grinst wieder spitzbübisch aus seinem Bart-Brille-Gesicht wie jemand, der mich gerade erwischt hat.

Nach zehn Songs mit der Energie von Stille und der Sehnsucht nach Ruhe geht ein zauberhafter Abend zu Ende und mir ist, als hätten uns beide soeben ihre Seelen und Herzen vor die Füße gelegt, wie ein liebevolles Geschenk, dessen Nachhall man mit nach Hause nehmen kann. Ein Duo, das sich „Murder“ nennt, tut etwas, das im krassen Gegensatz zu aufkommenden Assoziationen mit diesem Namen steht. Da bekommen die Gedanken genug Nahrung, sich auszutoben und die eigenen Emotionen spielen mit, denn „Murder“ kann im Englischen auch als Wort- und Sprachspiel verstanden werden. Vielleicht ist es das, was diese Dänen erreichen wollen.
Mit „Mary“ folgt noch ein Lied zum Schluß, dann gehen die Lichter wieder an. Die Frage nach dem Hintergrund des Bandnamens hat die Musik hinweg gespült. Als ich draußen am Tresen stehe, habe ich sie schon wieder vergessen. Dort werde ich zu JACOB sagen, daß ich mich „deeply impressed“ fühle, aber eigentlich ist es eine eigenartig „schwere Leichtigkeit“, die mich noch Minuten lang gefesselt hält und mich auch am Morgen danach, beim Hören der Lieder von „Stockholm Syndrome“ wieder schmeichelnd einhüllt. Am liebsten würde ich aus meiner Koje im Segler kriechen, mich vor zum Bug begeben und den Sonnenaufgang auf Laesö begrüßen. Statt dessen schlürfe ich den heißen Kaffee in der Kühle des Morgens auf meiner Terrasse, wo die ersten Sonnenstrahlen durch die Blätter schielen.

Die Dänen MURDER scheinen mir so etwas wie ein Geheimtipp zu sein. Wer
widerborstig schöne Melodien und die zeitweilige Gefangenschaft in mystischen Stimmungen mag, sollte sich die beiden unbedingt live antun oder eine ihrer CDs zulegen, sich dem „Sound Below The Sun“ einfach hingeben und genießen. Ich komme gerade nicht los von diesen beiden sperrigen Typen und ihrer Musik. Da hab’ ich mich wohl irgendwie infizieren, verführen und entführen lassen.


http://www.myspace.com/murderdk
www.sunsetmission.de
http://thalia-dresden.de/

Angefügte Bilder:
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zuletzt bearbeitet 23.09.2010 17:51 | nach oben springen

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