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BRIAN AUGER - eine Rock-Legende live in Dresden's TANTE JU

in Off-Topic 16.10.2010 15:41
von HH aus EE (gelöscht)
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Brian Auger’s Oblivion Express zu Gast in der „Tante Ju“

Die frühe Beat-Revolution der 60er mit „She Loves You“ und allem, was danach kam, wäre relativ schnell am Ende gewesen, hätte sie nicht mit Musikern stattgefunden, die sich als Suchende verstanden und ungemein experimentierfreudig waren. Kein Wunder, kamen sie doch aus sehr unterschiedlichen Ecken und mit verschiedenen Vorstellungen daher, um die Welt zu erobern. MAYALL und KORNER spielten Blues, GINGER BAKER oder PETE YORK liebten Jazz und FRANK ZAPPA außerdem die Collagen. Keinem war irgend etwas „heilig“, um die Grenzen vor sich her zu treiben und allerspätestens mit „Yesterday“ der BEATLES war auch die Klassik einbezogen.

Nachgespielt wurde auch schon immer quer durch die Überlieferungen aus früheren Zeiten. Davon könnten sie alle erzählen, von Elvis bis Robert Plant. Besonders gelungene Varianten hießen irgendwann Cover-Versionen und viele von ihnen waren eindrucksvoller als das schlichte Original. Das legendäre „Rock’n’Roll Music“ kannte ich zuerst von den BEATLES und „Little Red Rooster“ eher von den ROLLING STONES. Nur bei „With A Little Help From My Friends“ kannte ich das Original mit RINGO’s Stimme eher als JOE COCKER’s eindrucksvolle Neu-Interpretation.

Einer, dem diese Ehre, von anderen als Quelle der Inspiration entdeckt zu sein, Zeit seines Lebens bis heute zuteil wird, ist BOB DYLAN. Als Beispiele mögen JIMI HENDRIX mit „All Along The Watch Tower“ und MANFRED MANN’s Version vom „MIGHTY QUINN“ genügen.

Einer, dem auch schon Mitte der 60er klar war, dass nur Klassik, Jazz und Blues den Rock’n’Roll weiter bringen würden, war der Engländer BRIAN AUGER, denn in dieser Musik war „all das Wissen vorangegangener Musikergenerationen“ vereint. Der gebürtige Londoner ist einige Monate älter als der Meyer von den Puhdys und es liegen nicht nur territoriale Welten zwischen beiden. AUGER wuchs in den 50ern auf, in denen er sich Inspiration vom Jazz holte. Er machte Bekanntschaft mit der Musik von HERBIE HANCOCK und MILES DAVIS, wechselte vom Piano zur Hammond-Orgel und blieb dennoch mit seiner Band STEAMPACKET, mit ROD STEWART, JOHN BALDRY und der extravaganten Sängerin JULIE DRISCOLL ohne Erfolg. Als STEWART und BALDRY die Band wieder verließen, gründete er 1966 TRINITY und die hatten mit DYLAN’s Cover von „This Wheels On Fire“ 1968 einen Welt-Hit, den ich im legendären BEAT-CLUB zum ersten Mal hörte und die Band sah. Mit den folgenden Nummern „Indian Rope Man“ und „Saison Of The Witch“ konnten sie das sogar wiederholen. Im Doppelalbum „Streetnoise“ (Strassengegeräusch) von 1969 ist diese Zeit eindrucksvoll dokumentiert. Als dann aber die Band und Folgeprojekte zerfielen, machte AUGER wieder das, von wo er kam: Jazz’n’Blues’n’Rock. So weit die Geschichte.

Die Gegenwart heißt OBLIVION EXPRESS und der machte wieder mal Station in Dresden bei TANTE JU. Im Zentrum der Bühne stehen im matten Scheinwerferlicht die Hammond mit den Fender-Tasten darauf und das Drum-Set daneben mit einer Bass-Box. Während ich mit anderen noch warte, gehen mir viele Namen durch den Kopf, mit denen der Mann, der da so unscheinbar Richtung Bühne läuft, in seinem Musikerleben gespielt hat. Er kennt sie alle und mit jedem zweiten hat er’s getan. Eine Legende, nicht mehr aber auch nicht weniger.

BRIAN AUGER steht hinter seinen Tasten und beinahe kindlich-spielerisch lockt er die ersten Töne vom 1970er Album „Befour“ aus dem Instrument und augenblicklich springt der Funke über. Der satte knackige Sound der Hammond, die er seit Zeiten ohne die „obligatorische“ Leslie-Box spielt, erfüllt den Saal. Bass und Schlagzeug drängeln sich zwischen die Akkorde und plötzlich habe ich den Sound im Ohr, der mich von meinen Platten hierher gelockt hat, Jazz-Rock vom Allerfeinsten.
Es kommt eine zierliche Dame auf die Bühne und BRIAN AUGER bittet, seine Tochter SAVANNAH GRACE zu begrüßen. Die stellt sich mit geschlossenen Augen vor das Mikro und zu den träge stampfenden Blues-Akkorden der Band röhrt sie mit einer satten weißen Soul-Stimme den „Trouble Man“ von Marvin Gaye heraus in die Welt, das einem der Atem stockt. Da werden Erinnerungen an JULIE DRISCOLL und alte Zeiten wach!

Was AUGER’s Tochter mit ihrer Stimme scheinbar mühelos zaubert, wird beim „Freedom Jazz Dance“ noch deutlicher. Sie moduliert, swingt und gestaltet beinahe spielerisch auf allerhöchstem Niveau. Wenn sie vom Mikro zurück tritt, vereint sich ihr Körper mit dem Groove der Musik in einem lasziven Tanz auf der Bühne. Hinter ihr spielt ihr Bruder KARMA AUGER einen präzise knackigen Rhythmus am Schlagzeug und der Mann am Bass, NICK SAMPLE, wirft ihr mit seinen schwarz lackierten Fingernägeln den Funk zu. Alles scheint wie ein leichtes Spiel und obwohl die Vier da oben manchmal in sich versunken scheinen, kann man in ihren Gesichtern die Freude am Musizieren ablesen. Die Kommunikation funktioniert und der „alte Herr“ an der Orgel hat sichtlich Freude mit der nächsten Musikergeneration, in der offensichtlich seine Gene weiter vererbt worden sind. Das trifft übrigens auch für den Bassisten NICK SAMPLE zu, dem Sohn des Mitgründers und Keyboarders der legendären CRUSADERS.

BRIAN AUGER ist nicht nur der dezente Leader des Quartetts, sondern auch der lustige Moderator des Abends und Spezialist für denglische Sprachfetzen. Er führt uns zurück in seine frühen Jahre, „many thousand years before“, und dann folgen „Season Of The Witch“ sowie „Indian Rope Man“, die durch die Interpretation seiner Tochter einen völlig neuen und zeitgemäßen Charme gewinnen. Mit dem folgenden „Whenever You’re Ready“ zeigt die Band ihre jazzige Seite. AUGER brilliert mit rasanten Läufen auf der Orgel und SAVANNAH darf ihre stimmlichen Möglichkeiten ausloten. Mein lieber Herr Gesangsverein!

Nach der Pause „for a cup of tea“ startet die Band neu, wo sie Minuten vorher abgebrochen hatte. Von Null auf hundert mit „(Tell Me) The Truth“ und wieder ziehen die Musikanten da oben alle Register, haben die Möglichkeit, sich und ihr Können zu präsentieren. Zwischendurch stellt der Senior mal immer wieder die Junioren vor und schiebt sich auf diese Weise bescheiden in den Hintergrund.
Mir selbst macht der Meister völlig unbewusst eine Freude mit „Light My Fire“, einem Universal-Stück der Rock-Historie von den DOORS, das seine Tochter SAVANNAH zu einem Höhepunkt peitscht, um dann mit „Save Me“ noch so einen Knaller folgen zu lassen. Die Band um BRIAN AUGER spielt eine Auswahl aktuellerer Stücke und mischt ihnen die alten Songs aus TRINITY-Zeiten bei. Die verjüngte Band überträgt sie in das heutige Zeitgefühl und mit den modernen Grooves klingen sie frisch und knackig, also ganz und gar nicht von gestern.

So unkonventionell wie sie auf die Bühnen traten, gehen sie nach dem Set wieder hinter den Vorhang, wohl wissend, dass da noch ein Stück fehlt. Also klatschen und pfeifen wir und bekommen zur Belohnung natürlich „This Wheels On Fire“. Alle Augen richten sich wieder auf die Band, doch spätestens, als AUGER wieder in die Tasten greift, muss ich meine Aufmerksamkeit teilen. Es ist eine fantastische Neu-Interpretation des alten Dylan-Covers, in das sich die singende Tochter hinein steigert und das auch den Wunsch nach mehr weckt. Mit dem 10-Minuten Stück „ Compared To What“ wird dieser Wunsch erhört und das Quartett spielt sich förmlich in Trance und nimmt uns alle auf die Zauberreise in Soul, Blues, Jazz & Funk mit. Vor und neben mir folgen ein paar tanzende Ladies dem Groove, in dem ich selbst völlig versunken bin, meinen Träumen und Erinnerungen freien Lauf lassen kann, bis auch dieser Tanz der Gefühle im Gedränge der „Tante Ju“ ein Ende findet, leider.

BRIAN AUGER ist jetzt 71 und noch immer mit seiner Hammond B3 und der ihm eigenen Art, die Finger über Tasten tanzen zu lassen, unterwegs. An seiner Seite Tochter und Sohn sowie ein weiterer Rock-Zögling, die allesamt schon lange mit eigener Perfektion und Leidenschaft auf dem Weg in die Zukunft sind. Im Spiel von BRIAN AUGER sind die Erfahrungen der vergangenen 50 Jahre ineinander geflossen und wer die Chance hat, dies zuhörend genießen zu können, sollte nicht lange überlegen und auf das nächste Fan-Treffen bei einem Konzert der Puhdels, Garant, Zity & Co verzichten, um wenigstens ein Mal im Leben die lebendige Meßlatte live zu erleben, von der sich die einen Inspiration holen und der andere ein Leben lang hinterher orgeln.

Es war mir ein Vergnügen, in der ersten Reihe stehend und dem Rhythmus körperlich folgend mal immer wieder die Momente mit dem Digi-Knipser zu erwischen. Der „Alte“ hat’s gesehen und die Junioren haben lächeln posiert, um den grauen anderen „Alten“ in ihr Spiel einzubinden. Der „Rest“ hinter mir war mir Wurscht und wisst Ihr was, ich werd’s immer und immer wieder tun! Auch, weil mir NICK SIMPLE nach einem Gespräch seine Visitenkarte gab und mich um ein paar Fotos bat, „anyway how bad it looks“. Für ORK und andere steife Selbst-Inszenierungen fehlt mir also schlicht die Zeit und die Inspiration sowieso. Alle anderen sehen mich gern und darüber bin ich sehr glücklich.

Angefügte Bilder:
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zuletzt bearbeitet 16.10.2010 15:45 | nach oben springen

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