Neil Young - ein „Herz aus Gold“ wird 65
Er ist aus jenem Holz geschnitzt, aus dem man Legenden machte: Holz aus Kanada und das Ahornblatt, das Symbol des Landes der weiten Wälder, Goldsucher und Holzfäller, ziert noch immer seinen Pass. Da ist er noch immer genau so konsequent, wie er auch konsequent seinen eigenen unverwechselbaren Weg im Rockzirkus ging und geht. Keine sozialen Hindernisse oder Kinderkrankheiten konnten ihn aufhalten oder zwingen, einen anderen Weg zu gehen.
Also ging er illegal in die USA, um dort Musik zu machen, seinen Traum davon zu verwirklichen. Seine Band nannte er CRAZY HORSE und mit der Truppe „Verrückter Pferde“ spielte er Songs wie „Cinnamon Girl“, „Cowgirl In The Sand“ oder „Rockin’ In A Free World“ ein. Es zog ihn nach L.A., wo er STEPHEN STILLS traf und mit ihm gemeinsam BUFFALO SPRINGFIELD gründete. Deren erstes gleichnamiges Album ist heute längst Rock-Geschichte, Meilenstein und Meßlatte gleichermaßen.
Doch seine Umtriebigkeit hielt ihn nur drei LP’s lang bei den „Büffeln“. Dann ging er, um eine Solo-Laufbahn einzuschlagen, deren Endpunkt heute noch lange nicht abzusehen ist.
Als DAVID CROSBY (Byrds), STEPHEN STILLS (siehe oben) und GRAHAM NASH (Hollies) beim legendären Woodstock – Festival auf der Bühne stehen, ist NEIL YOUNG der vierte Mann und damit sind Crosby, Stills, Nash & Young für einige Zeit komplett. In dieser Konstellation erschien 1970 das Album „Deja Vu“ in einem Klappcover aus Lederimitation und darauf seine Komposition „Helpless“. Zu diesem Kultsong, der übrigens auch live von RENFT als „Hilflos“ gecovert wurde, muss man nicht wirklich ein zusätzliches Wort verlieren.
Als im gleichen Jahr 1970 an der Kent-University vier Studenten bei Unruhen erschossen werden, bezieht NEIL YOUNG mit „Ohio“ klare Position gegen die Nixon-Politik:
„Tin soldiers and Nixon coming,
We’re finally on my own,
This summer I hear the drumming,
Four dead in Ohio”
Ähnlich klar bezieht NEIL YOUNG in “Southern Man” Stellung gegen den Rassismus in den Amerikanischen Südstaaten und reizt damit LYNYRD SKYNYRD als Gegenreaktion, ihn in „Sweet Home Alabama“ (Süße Heimat Alabama) zu verewigen.
Seine Wandlungsfähigkeit und Vielseitigkeit beweist er mit seinem Album „Harvest“ (Ernte, 1972) und bis heute identifizieren ihn die meisten mit „Heart Of Gold“ (Herz aus Gold), das von dieser LP stammt.
Für mich selbst ist NEIL YOUNG der lebendige Beweis, dass man wie ein Cowboy aussehen, wie frisch aus dem Pferdestall gekommen riechen und wie ein Hippie nicht nur überleben kann, sondern noch immer etwas zu sagen hat. Kein Wunder also, dass auch die Vertreter jüngerer Rock-Generationen ihn entdeckten und sich als Vorbild auserkoren haben. Leute wie die Musiker von SONIC YOUTH oder auch CURT COBAIN zählten zu seinen Verehrern und mit PEARL JAM spielte er gemeinsam das wuchtige Album „Mirror Ball“ (Spiegelball, 1995) ein.
Zu meinen ganz persönlichen Lieblingsscheiben gehört „American Dream“ (1988) von Crosby, Stills, Nash & Young und darauf das unvergleichliche „This Old House“ von Neil Young. Mit diesem wunderschönen Song im „Helpless“-Stil nimmt er quasi, wenn man ein wenig Kaffeesatzleseirei betreiben möchte, die Finanzkrisen der USA schon mal textlich vorweg:
„This old house of ours is built on dreams
And a business man don’t know what it means.
There’s a garden outside she works in every day
And tomorrow morning a man from the bank’s
Gonna come and take it all away.”
Diese Offenheit und kritische Distanz zum wahren Leben in den USA hat er sich bis in die Gegenwart bewahrt und hält damit auch nicht hintern Berg. Mit „Living With War“ (Leben mit Krieg, 2006) geht er schonungslos mit dem Irak-Krieg ins Gericht.
Das letzt Vinyl, das ich mir von ihm in den Plattenschrank gestellt habe, ist die Doppel-LP „Prarie Wind“ (2005), die faktisch die Triologie von „Harvest“ und „Harvest Moon“ (1992) komplett macht.
Der Mann, der wie kaum ein zweiter rauen Rock’n’Roll und fein gesponnene Folk-Sehnsucht in einer Person verkörpert, begeht am heutigen 12. November seinen 65. Geburtstag und nichts deutet darauf hin, dass der grauhaarige Hippie und sozial-engagierte Musiker einen Gedanken an Ruhestand verschwenden könnte. Wahrscheinlich hat NEIL YOUNG, in Anlehnung an ein deutsches Sprichwort, auch immer wieder einen seiner Songs („Rust Never Sleeps“) im Hinterkopf, denn „wer rastet, der rostet“ auch.
Herzlichen Glückwunsch, alter Cowboy, und „Carry On“!