Die „Baker Street“ trägt Trauerflor – zum Tod von Gerry Rafferty
JOE EAGAN und GERRY RAFFERTY nannten sich ab 1972 als Duo STEELERS WHEEL und hatten ein Jahr später einen mittelprächtigen Hit mit „Stuck In the Middle With You“. Dieses One-Hit-Wonder konnten die beiden Schulfreunde nicht wiederholen und die Auflösung der erfolglosen Gruppe war die logische Konsequenz. Den Song hatte ich auf Band und das Duo bald vergessen. Die beiden Künstler aber machten solistisch weiter.
Vier Jahre später aber machte eines der wohl markantesten Saxophon – Soli und ein Song auf sich aufmerksam – „Baker Street“. Das Saxophon – Solo steuerte Raphael Ravenscroft bei, der Kennern von BRAND X, ein Projekt, an dem u.a. Phil Collins beteiligt war, bekannt sein sollte. Die Platte, auf der das Saxophon zu hören war, hatte aber wesentlich mehr zu bieten. „City To City“ (1978) sollte das Erfolgsalbum von GERRY RAFFERTY werden. Diese Platte hatte alles, was damalige Pop-Platten so unverkennbar machte, als da wären, tolle Songs, emotionale Lyrik, überraschende Melodien und ein durchgängiges Konzept. Wer sich die Scheibe heute, 30 Jahre später, auflegt, wird sie wahrscheinlich in einem Rutsch durchhören. Von „The Ark“, über „Baker Street“, zu „Stealin’ Time“ bis hin zum ergreifenden „Whatever’s Written In Your Heart“ ist man gefesselt und beeindruckt von der musikalischen Dichte. GERRY RAFFERTY war im Pop-Olymp angelangt, das Album allgegenwärtig und der Künstler in aller Munde. Wie schön doch das Leben als Star sein kann...
Der Schottische Songwriter mit der einschmeichelnden Stimme und der Begabung für ausgefallene Chorusse schrieb danach weiter fantastische Songs, konnte aber den kommerziellen Erfolg weder mit „Night Owl“, (1979) auch nicht mit Snakes & Ladders“ (1980) und auch nicht mit „Sleepwalking“ (1982) wiederholen. Was danach beinahe konsequenter Weise folgte, wie so oft und bei vielen vorher auch, war der Griff zum Alkohol und eine Odyssee, die letztlich tragisch enden musste. Die dunkle Seite der Rock’n’Roll – Macht hatte zugegriffen und ihn wohl nicht mehr losgelassen.
GERRY RAFFERTY erlag am gestrigen 4. Januar 63-jährig einem Leiden, das im Rock’n’Roll – Zirkus nicht viele als Sieger überleben. Seine Platten hab’ ich damals alle pünktlich und Stück für Stück aus Schottland geschickt bekommen und bin seither der Faszination seiner Musik erlegen. Nicht nur „City To City“ wegen und auch nicht der genialen „Baker Street“ folgend, deren Klang weit in die Zukunft reichen wird, sondern auch wegen solcher kleinen Song-Perlen wie „Mary Skeffington“, eine Hommage an seine Mutter, die ihresgleichen suchen und deswegen für die Ewigkeit halten werden.
Während ich die Platten in der Hand halte, die Musik höre, fehlen mir die Worte und die Luft wird mir knapp – die „Baker Street“ ist ab heute schwarz geflaggt!
Mir ist mit meinen 61 Jahren schlicht zum Heulen zumute.