Ein wunderbuntes Wunder im Kreißsaal der Puhdys
Irgendwann fragte mich mal mein Sohn, wer denn dieser Rio Reiser wär, er hätte da mal was gehört…
Ich glaube solche Stichworte lassen sich alle ostrockverrückten Elternteile zur Höchstform auflaufen.
Im Interesse der humanistischen Bildung des Nachwuchses, den man auf die Welt losgelassen hat, wurde sofort der Profit von Amazon gesteigert und Hörbares bestellt.
Klar, das gängige von Rio kennt man in meiner Generation, aber so genau kannte ich mich mit dem Thema auch nicht aus. Im Netz fand ich ein Hörspiel über das Leben von Rio Reiser, was uns Zwei neugierig machte, mal zu gucken, wer sich so alles des Erbes von Rio annimmt.
So kamen wir zu der Band Wunderbuntd - die aus der Nähe von Freiberg ihre rockigen Botschaften in die Welt sendet.
Voriges Jahr haben wir sie in Dresden das erste Mal gesehen und sofort ins Herz geschlossen. Wunderbuntd gibt es seit über 20 Jahren, die Seelen des Ganzen sind Isolde und Jens Lommatzsch, sie spielt Keyboard und er ist der Sänger mit der sagenhaften Rioröhre.
Wunderbuntd ist eine Bigband und bekommt ihren unverwechselbaren Sound durch die drei Bläser.
Die acht Herren und zwei Damen sind altersmäßig wunderbunt gemischt – sie alle eint der Spaß an der Sache – auf dieser winzigen Bühne im Chillout des Tivoli fackelten sie ein Rockfeuer werk ab, was seines Gleichen sucht. Sie sind auch eine Showband die rocken kann.
Diese Band ist nicht nur „Erbepfleger“ etwa ein Drittel des Programms machen ihre eigenen Titel im Stile von Rio Reiser aus. Auf der CD „Da“ haben sie ihre Werke aus 20 Jahren verewigt und sie arbeiten an einer neuen Live CD. Ganz besonders liebe ich von ihnen „Steh auf!“ und „Bist du dabei?“, was sie gestern auch zu meiner Freude spielten. Ganz toll finde ich auch den Titel „Gaukler“, der aber nicht auf der CD ist.
Wuderbuntd ist eine Band, die nicht nur musikalisch punktet, sondern durch ihre ausgefeilten, knallharten, zeitbezogenen und kritischen Texte sich von der „Trallala – Fraktion“ gehörig abhebt.
Sie schreiben selbst, lassen aber auch von Bernd Rump oder Olaf Stelmecke texten.
Gestern im Kreissaal der Puhdys, waren sie die Lokalmatadoren und hatte viel Fanpublikum mitgebracht. Ab der zweiten Halbzeit ließen sie die Fans hüpfen – ob jung oder alt, alle hatten Spaß mit Wuderbuntd und viel zu schnell waren die über drei Stunden um.
Die Rio und Ton Steine Scherben Klassiker brachten das Chillout zum Brodeln und ich glaub alle Besucher verließen das Tivoli mit einem optimistischen Lächeln.
Der den Puhdysfans bekannte „Herr Puddis“ brachte der Band extra weiße Handtücher zum Abwischen des reichlich fließenden Schweißes.
Als (gemeiner) Puhdysfan fühlte ich mich diesmal im Kreißsaal der Puhdys regelrecht „verascht“.
Anstatt stundenlang wie zu den Puhdyskonzerten vor der Tür anzustehen, öffnete sich diese Pforte automatisch und ich stolperte mit Schwung in die heiligen Hallen. Die übliche Terrorbeschallung vor und nach dem Konzert blieb aus, es wurden passende Klänge eingespielt, die noch eine normale Kommunikation zuließen. Ich glaub, die können auch anders. Aber ob sie wollen?