#1

Dirk Michaelis in Borna

in Ostrock allgemein 29.04.2009 23:23
von Maschine62 | 529 Beiträge | 557 Punkte
Meine Frau war letzten Samstag bei Dirk Michaelis und Gisela Steineckert beim Konzert, oder besser gesagt zu einem lyrischen Abend. Petra bat sie mal was fürs Forum zu schreiben. Hier der Bericht, ist etwas länger:



Dirk Michaelis und Gisela Steineckert in Borna

Lyrik und Lieder am 25.4.2009 im Stadtkulturhaus
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Hallo miteinander,
Petra bat mich, euch von dem Konzert mit Dirk Michaelis zu erzählen. Nun, ein Konzert als solches war es ja nicht. Eher ein Liederabend mit ihm und Lyrik von und mit Gisela Steineckert.
Entsprechend anders als gewohnt war auch alles.

Anders war es aber auch für mich, schon deshalb, weil Jörg, mein lieber Mann, das Ganze eingerührt hat. Glaubt ihr nicht? Ich auch noch immer kaum. Aber schon mit einer Einladung vorletzten Sonntag nach Dresden zu Hans die Geige, hat er mich total überrascht. Tja, und so ging es dann auch den anderen von euch vom Puhdys-Forum, die ihn dann dort sahen. Ihn, den Nur-Puhdys-Fan und Nur-zu-den-Puhdys-Konzert-Geher dort sitzen zu sehen. - - Tja, und mich hat er dann gleich noch mal mit diesem Liederabend überrascht. Selber ist er dann zwar nicht mit hin, aber da er am nächsten Tag Frühschicht hatte, hatte ich natürlich vollstes Verständnis.
Aber er hatte dazu noch ein Silvesterfeuerwerk in Petto; als Knaller einen lyrischen Liederabend mit Gisela Steineckert und Dirk Michaelis am 25.4.09 hier im Bornaer Stadtkulturhaus. WOW! Und WOW war es dann auch! Leider ohne ihn, weil er am nächsten Tag Frühschicht hatte. Dafür hatten meine Freundin und ich einen herrlichen und unvergesslichen Weiberabend. Alle die nicht kommen konnten oder wollten, haben echt was verpasst! Auch nach dem Konzert war noch lange nicht Schluss, an Schlafen gehen war überhaupt nicht zu denken. Zu sehr haben uns die Lieder, die Texte, die Einlagen, die ganze Darbietung, die tolle Stimmung, - einfach alles eben, noch in ihrem Bann gehalten.

Dabei fing alles ganz geruhsam an. Nur allmählich trotteten die Leute ein, die meisten hatte sowieso Platzkarten. Aber gespannt waren sie schon. Das sah man, an ihren funkelnden Augen, dem dann immer aufgeregterem hin-und hertrippeln, dem noch mal hastig eine rauchen, oder die Frauen zum vierten Mal doch noch mal schnell auf die Toilette rennen und dazwischen immer wieder zur Eingangtür-Schielen…

Es gab aber auch welche, für die es, bis sie den Bücher-und CD-Tisch sahen, noch eine Überraschung war, was sie hier erwartet. Umso mehr, umso intensiver werden sie dann wohl die vor ihnen liegenden zwei Stunden genossen haben.

Gut 120 Leute sollen es gewesen sein, ein paar hätten sicher noch Platz gefunden. Von 20-jährigen bis zu einigen hochbetagten Frauen, die nur noch mühsam mit ihren Gehhilfen laufen konnten, war alles dabei. Männlein, Weiblein – die letzteren in der Mehrzahl, ebenso die mittleren Semesters.

Ärger mit der Security gab es hier keine, die war gar nicht da. Im Gegenteil: hier konnte jeder der wollte, ein Glas Wein oder ein anderes Lieblingsgetränk mit in den kleinen Saal nehmen. Dem Saal selbst, war dann allerdings nicht mehr viel als solchen anzumerken. Die Mitarbeiter des Hauses hatten den Raum liebevoll mit kleinen runden Tischen vor den Stuhlreihen ausgestattet. Darauf Teelichter gestellt und diese angezündet, und das Deckenlicht gedämpft eingestellt. So hatten sie dann alles in eine behagliche Weinstubenatmosphäre verzaubert, die uns sogleich angenehm auf die bevorstehenden Stunden einstimmte.

Als Dirk Michaelis, Gisela Steineckert galant an der Hand führend, pünktlich auf die Minute die Bühne betrat, brandete sogleich der Beifall los. Diese Intensität, hat mich doch etwas überrascht, denn wir Bornaer wollen lieber „erstmal gucken, und dann mal seh´n“. Nun, vielleicht lag es auch mit an den Auswärtigen, den Fans der beiden, die extra aus der Leipziger und Altenburger Ecke herkamen. Aber am weitesten her kam wohl meine Freundin, Richis Mutter, nämlich aus Frankfurt – von der Oder natürlich. - Überhaupt der Osten, auf das Leben hier waren die meisten Texte und Lieder zugeschnitten, damals und heute.

Kaum hatten sich die beiden auf ihre Plätze gesetzt, Gisela Steineckert auf einem Stuhl, vor sich den Tisch mit Unterlagen aus denen sie dann vorlas; Dirk Michaelis auf einen breiten Hocker vor dem Klavier, daneben seine Gitarre, da legten sie auch gleich los. Nur Sekunden dauerte es, und die beiden hatten uns in ihren Bann gezogen - und um den Finger gewickelt.

Und das, obwohl – oder gerade weil??? es erstmal „Schimpfe“ gab. Von Frau Steineckert mit ihrer direkten, zugleich ironischen Art für die Zuspätkommer, und von Dirk Michaelis auf total witzige Art, indem er kurzerhand den Text seines Liedes - ich weiß leider nicht mehr welches – abänderte und den nervenden Fotografen fragte, wie er heißt, und darauf hinwies, dass es ja abgemacht war, dass er nur fotografieren durfte, wenn er dabei nicht stört. Das Publikum tobte, nur der gute Mann merkte nichts, absolut nichts. Auch als Dirk das ganze noch mal so sang, wir konnten vor Lachen schon nicht mehr, nur er fotografierte unberührt weiter. Dirk konnte selbst kaum an sich halten, schüttelte dann nur noch mit dem Kopf und verdrehte vielsagend die Augen und sang von Lachern unterbrochen weiter. Irgendwann hat der Mann dann aber zum Glück doch begriffen…

Überhaupt: Gelacht wurde an dem Abend ganz viel. Das geht bei den beiden wohl auch gar nicht anders. Sie warfen sich gegenseitig die Bälle zu und schwupps waren wir mittendrin. Sie spielten mit Blicken, mit Worten und mit Tönen, mit den Instrumenten und ihren Stimmen, mit Tempo und mit Bedacht, alles mit ganz viel Charme und nicht weniger Witz, und ganz viel mit uns. Mal sollten oder wollten wir mitmachen, aber immer haben sie was mit uns gemacht. Uns mit den Liedern verzaubert, uns mitgerissen mit den Geschichten und mit den Texten gefangen genommen; mit hinein in gegenwärtige und vergangene Zeit. Die Texte und Geschichten dabei oft voll unerwarteter Wendungen oder auch Stimmungen. Stets mit Pointen – haargenau an der richtigen Stelle.

Als Gisela Steineckert aus „Meine erste Liebe“ las, wir haben über so vieles geschmunzelt, über so manches gelacht, weil es so lustig war, und sich mancher wohl dabei auch selbst an das Schöne mit der eigenen ersten großen Liebe erinnerte. In diesem wunderbaren Glücksgefühl hörst du sie dann weiter reden: „Er war blond, also kein Jude“. Und da war es still, plötzlich ganz still. Es dauerte einen Moment, bis du das Gesagte verstehst. Und mit einen Mal ist alles ganz anders und du begreifst, dass da viel mehr war und ist, als nur Spaß, Sehnsucht und Schmetterlinge im Bauch. Und mehr als jedes Geschichtsbuch zeigt dir dieser eine Satz, nein, lässt dich fühlen, was das allgegenwärtig bedeutete: „Er kann nicht abgeholt werden“. – Ob sie es war, die diese Worte sagte, oder ob ich es dachte – ich weiß es nicht mehr. Aber gefühlt habe ich es, was es bedeutet. Und so gefühlt, als wenn er meine erste große Liebe wäre. In dieser Situation.

Oh ja, das kann Gisela Steineckert hervorragend: einen ganz tief berühren. Sie bringt dich zum Lachen und plötzlich bleibt dir genau das im Halse stecken. Und wieder ein paar Sätze weiter die urkomische Wendung: „Und dann stand er da, und hatte seinen Finger ganz tief in seine Nase gebohrt – da war es vorbei mit meiner ersten Liebe“ Da mussten wir wieder lachen. Doch fertig war sie noch immer nicht, sie setzte noch eins drauf: Ich war 8 Jahre damals.“ Und wir konnten nicht anders, als wieder lachen. Und das war so befreiend.

Ja, das hat sie drauf, dich von einem Gefühl ins nächste zu treiben, dich zu verwirren und dich alles hautnah fühlen zu lassen. Sie weckt deine Neugier und nimmt dich mit auf Entdeckungstour und eine Erlebnisreise durch verschiedene Zeiten. Aber eins ist immer gleich: du hast stets das Gefühl, du bist mittendrin und hautnah dabei. Sie öffnet dir die Augen und Sinne für die kleinen und großen Dinge, lässt dich im Alltäglichen das Besondere finden, das Schöne und auch das Schwere. Und sie stellt Fragen, nicht nur bequeme. Und immer ist da Optimismus dabei, und ein fast trotziges: Und dennoch! Dass Gisela Steineckert toll schreibt, wusste ich; aber nicht, dass sie ebenso liest. Nein: Vielmehr so lebendig erzählt.

Dirk Michaelis steht ihr dabei in nichts nach. Der singt nicht nur seine Lieder, der lebt sie. Und eigentlich sind es deine Lieder. Mich hat an dem Abend am meisten sein „Opa, erzähl mal… „
berührt. Ganz aufgeweckt, neugierig geht es da los, „ob sie denn wirklich so toll waren die Zwanziger Jahre und die Frauen damals, und die aufregende Kriegszeit, die Länder die er sah ….“ Ich kenn sie noch diese Fragen, die ich einst meinem eigenen Vater so stellte. Das klang ganz genau so, und ganz genauso die Antworten. Nicht nur die Worte, auch wie er es sagte. Erst als ich älter wurde, vielleicht alt genug dafür und mehr wissen wollte, eben die ganze, die wahre Geschichte, so wie alles tatsächlich war, da wurde auch er plötzlich sehr schweigsam. Plötzlich kamen die Worte nicht mehr so locker, sondern nur noch mühsam heraus, und sie hatten einen ganz anderen Klang. Oftmals antwortete auch er dann nur noch, wenn ich nachfragte. Seine Augen blickten auch ganz anders als noch kurz zuvor. Viel hatte er noch nicht erzählt, aber die wenigen Worte, und mehr noch die Art des Sprechens und noch mehr sein Schweigens sagten genug. Ich jedenfalls wollte dann nicht mehr und auch nie mehr wirklich alles, nicht mehr die ganze wahre Geschichte hören. Und ich spürte, er hat es verstanden. Inzwischen kann er sie auch nicht mehr erzählen. Aber oftmals denke ich, er hätte sie gern mal jemanden erzählt. Sicher nicht mir, aber jemanden, der das aushält und der ihn da aushält. Und wo er diese Last ein Stück oder wenigsten mal einen Moment abladen kann. Jemand, der wirklich bereit ist, der alles hören will. Und so, wie es tatsächlich war. Jemand der aber auch stark genug dafür ist. Ich weiß nicht, ob er jemals so einen für sich gefunden hat, aber tief im Inneren hoffe ich es für ihn; selbst wenn es erst auf dem Sterbebett war.

Was die beiden den Abend noch so im Programm hatten, ich konnte es mir gar nicht alles merken, das war so viel, das ging oft so tief, auch wenn es oft so „leicht“ erschien.

Die einzigen beiden Wermutstropfen an dem Abend waren: Es war viel zu kurz. Und: Die Stühle dort waren ne einzige Katastrophe. Viel zu hoch, viel zu unbequem, viel zu eng aneinander gereiht und viel zu hart. Wer weiß, vielleicht sagte ja auch deshalb Gisela Steineckert nach einer Stunde: „So, ich brauch jetzt erstmal ne Pause. In 19 ¾ Minuten sehen wir uns wieder“. Stand ganz schnell auf und verließ schnurstracks mit Dirk Michaelis die Bühne.


Dirk kam natürlich nicht um „Als ich fortging…“ herum. Das Publikum war zwar nicht ganz sattelfest mit dem Text, aber sang dann einfach aus vollem Herzen auf „na-na-na-na“ mit. Geklatscht wurde sowieso stets fleißig, nach diesem Lied wollte es gar nicht aufhören. Die Zugabe war nur noch eine Frage der Zeit. Und die hatten wir! Die beiden scheinbar auch, denn sie ließen uns noch eine Weile zappeln. Vielleicht musste Dirk auch erst noch mal neue Kräfte sammeln für den unbestrittenen Höhepunkt des Abends, sein: „Wie ein Fischlein unterm Eis“ a cappella. Und das sang er einfach grandios. Den Saal, in dem eigentlich nicht die beste Akkustik herrscht, füllte er voll aus mit seiner Stimme. Es war einfach großartig! Unbeschreiblich! Die Leute klatschten Beifall, bis sie nicht mehr konnten. Auch Dirk konnte nicht mehr, er hatte sich voll verausgabt. Er stand dann erstmal nur da, völlig ausgepowert, aber auch richtig glücklich. Irgenwann dann, stieß er einen Freudenschrei aus warf die Faust in sie Luft: man konnte zusehen, wie sich seine Anspannung dabei löste. Das Publikum raste noch lange vor Begeisterung, hatte dann aber ein Einsehen und gönnte den beiden ihren Feierabend.

Nur, Feierabend hatten die zwei dann doch noch nicht. Im Foyer, wo die Enkelin von Gisela Steineckert die Bücher und CD`s der beiden verkaufte, gaben sie dann noch Autogramme. Einige nutzen die Gelegenheit um noch ein paar persönliche Worte mit ihnen zu wechseln. Da meine Freundin und ich zu schüchtern dafür waren, sind wir nach einer Weile des Lauschens und noch Beobachtens gegangen. Raus, spazieren und dabei noch mal den ganzen Abend Revue passieren lassen. Einen tollen Abend. Unvergesslich und einfach WOW!

Was bleibt sind Freunde im Leben

zuletzt bearbeitet 29.04.2009 23:39 | nach oben springen

#2

RE: Dirk Michaelis in Borna

in Ostrock allgemein 30.04.2009 09:38
von Maschine62 | 529 Beiträge | 557 Punkte

Habe grade festgestellt, das ich das eigentlich unter "Konzertberichte" rein stellen sollte. Na ja zu spät. Man möge mir verzeihen. LG Jörg


Was bleibt sind Freunde im Leben

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#3

RE: Dirk Michaelis in Borna

in Ostrock allgemein 30.04.2009 15:49
von Sonny | 1.753 Beiträge | 2061 Punkte

Ja, lieber Jörg, nun steht es hier und wir werden den Bericht trotzdem finden und lesen. Was heißt lesen?
Kathrin zaubert mit den Worten, die Du aufgeschrieben hast.

Danke liebe Kathrin. Das Gelesene wirkt noch nach und ich denke gerade:"Ein schöner Abend und so tief empfundene Erlebnisse."


*
Doch die Zeiten ändern sich. Ob wirs mögen oder nicht. Alles hat seine Zeit.

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#4

RE: Dirk Michaelis in Borna

in Ostrock allgemein 30.04.2009 18:50
von PM | 4.235 Beiträge | 5060 Punkte

Ein riesengroßes Dankeschön nach Borna. Haste uns ja toll erzählt, was du bei der Konzertlesung erlebt hast. Bei Gisela Steineckert war ich schon viele Male zur Lesung, ein tolle Frau die viel zu sagen hat. Ich liebe ihren trockenen Humor und ihre Beobachtungsgabe, wie sie über die alltäglichen Sachen des Lebens schreibt.Viel tolle Texte hat ihr der Ostrock und der Ostschlager zu verdanken. Ob sie jetzt noch aktuell für Künster schreibt, weiß ich nicht.
Dirk Michaelis hab ich auch schon oft gesehen, aber leider nicht in den letzten zwei Jahren. Muss auch mal wieder werden, du hast mir wieder mal auf die Sprünge geholfen.
Schöne Grüße zu Kathrin und Jörg


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#5

RE: Dirk Michaelis in Borna

in Ostrock allgemein 01.05.2009 18:40
von HH aus EE (gelöscht)
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Hab' jedes Wort,
jeden Moment des Lesen aufgesogen,
hab' die Augen geschlossen
und hab' mich im Brauhaus Radigk Finsterwalde sitzen sehen.
Sitzen auf unbequemen Bänken
mit einem Sänger da vorn,
der Dich einfach nur packt und nicht wieder los käßt.
Bei mir war's eine Band,
die dem Sänger die Zeit gab zum Sehen
und uns zum Nachdenken.

Das alles ist mir noch immer gegenwärtig
und der Wunsch auch,
das mal wieder zu erleben.

Hast mich daran erinnert
und die CD hab' ich mir auch wieder eingelegt.

D A N K E.

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