Nikolaustag 1978 - POND live im Konzert
in Konzertberichte Ostrock allgemein 06.12.2009 10:25von HH aus EE (gelöscht)
Der Klang der Sturmglocke - POND im Konzert, Nikolaustag 1978
POND – das klingt kraftvoll und voller Energie. Jedenfalls ging es mir damals so, als ich das erste Mal von dem Projekt hörte bzw. las. Das klang nicht nur nach einer neuen Combo, Formation oder Band, sondern auch nach einer gewagten Idee, wenn man sich die Besetzung vor Augen führte: Schlagzeug plus zwei Keyboarder. Etwas ähnliches war mir bis dahin nur international mit dem Duo HARDIN & YORK, der „Welt kleinste Big Band“, bekannt, deren musikalische Ambitionen aber eher in Richtung Jazz’n’Rock gingen.
Die drei Berliner Wolfgang „Paule“ Fuchs, Manfred „Manne“ Henning und Frank Gursch hatten bis dorthin Erfahrungen in diversen anderen Bands (Joco-Dev, Babylon) gesammelt. Mit POND wollten sie neue und vor allem eigene Wege beschreiten, ganz zu Beginn als Duo, dann mit Frank Gursch als Trio. Den Dreien schwebte zunächst eine am Art-Rock orientierte Musizierweise vor
Es ist der 6. Dezember 1978, Nikolaustag, Geburtstag meines Vaters und beide Ereignisse liegen genau 31 Jahre zurück in der Vergangenheit, da ich mich durch diese Zeilen daran erinnere.
Im Gesellschaftshaus Hoppenz Elsterwerda ist es arschkalt und Achim, die gute Seele der alten Hütte, versucht dem mit haufenweise Briketts entgegen zu wirken, während Conny (eigentlich Konrad), der Wirt und Betreiber, wieder mal einen auf Hektik macht. Dabei geht trotz der Kälte alles ziemlich ruhig und gelassen und seinen ganz normalen („soz.“) Gang.
Aus Berlin ist POND angereist. Die beiden Techniker und die drei Musiker bauen auf den alten Bühnenbrettern die Technik und die Instrumente auf. Paule’s Schlagzeug hatte vor ihm Gunther Wosylus von den PUHDYS bearbeitet. Das ganze Set sowie ein Gong brauchten viel Platz in der Bühnenmitte. Links und rechts am vorderen Bühnenrand standen die Tasten für Manne und Frank. Vor allem die schwere Hammond-Orgel musste bei dieser Kälte erst mal in Gang gebracht werden. Auf die Instrumente hatten wir passend zum Anlaß je eine Kerze und einen Nikolausstiefel gestellt, natürlich gefüllt, was sonst!
Der Bühnenaufbau mit den Tasten zu beiden Seiten und dem wuchtigen Drum-Set in der Mitte bot einen ganz besonderen Anblick.
Das Konzert begann pünktlich und die Herren Fuchs, Hennig und Gursch ließen ein Klang-Gewitter über den alten Saal des Gesellschaftshauses hereinbrechen. Das erste Stück war wohl „Was wird sein“ und gab eine Vorstellung davon, welch faszinierende Musik nur mit Tasten und Drums machbar ist, wie filigran einerseits und wuchtig in anderen Passagen Art-Rock in so einer Minimalbesetzung klingen konnte.
POND spielte im damaligen Konzertprogramm eine dreiteilige Rock-Suite, die schon im frühen Stadium der Band erahnen ließ, in welche Richtung sie sich später entwickeln und wie einmalig im Konzertalltag der DDR so ein Konzept sein würde.
Im ersten Satz „Baumgeflüster“, einem reinen Instrumentalpart, waren die elektronisch vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten, Effekte und Geräusche, die mit einem solchen Tastenarsenal machbar sind, die tragende und gestalterische Idee. Besonders reizvoll empfand ich das Zusammenspiel von Synthesizer und Hammondorgel, die weichen Akkordmalereien einerseits und die verspielten melodischen Läufe und Improvisationen auf der anderen Seite.
Im zweiten Satz „Tritonos“ erlebten wir ein furioses Zusammenspiel der Tasten mit dem Schlagzeug, in dem jeder der beiden Tastenvirtuosen auch die Möglichkeit nutzte, sich mit seinem Instrument solistisch vorzustellen. Ein solcher solistischer Höhepunkt war für mich jener Moment, als Frank Gursch aus den Tasten der Hammond-Orgel die „Toccate und Fuge d-moll“ von J.S. Bach zauberte und krachend in den kleinen Saal schmetterte.
Mit der damals gehörten Version des dritten Satzes „Sturmglocke“ fegte die aufkommende Sturmflut hörbar über die Bühne und Wolfgang„Paule“ Fuchs bearbeitete den Gong und die „Sturm“Glocke darüber, dass es eine wahre Freude war, dem Geschehen auf der Bühne zu folgen. Diese Fassung, gespielt von Schlagzeug und zwei Keyboardern, ist, zumindest in meiner Erinnerung, der absolute Höhepunkt des Abends gewesen. Das Schlagwerk trieb die Keyboardklänge, die Melodieschleifen und Akkorde der Tasten förmlich vor sich her, den Sturm und die Wucht der Wellen nachempfindend um dann schwächer werdend im hellen Klang der Glocke zu münden. Aus wuchtig grollenden Zusammenspiel aller Instrumente wurde ein feiner und klarer Glockenklang. Die ließ „Paule“ übrigens für die Live-Präsentation dieses Werkes extra gießen, damit der Klang auch tatsächlich harmonisch zur Komposition und zum Gesamtausdruck der Suite passte.
Die rein elektronische LP-Fassung der „Sturmglocke“, die Amiga 1984 auf der LP „Planetenwind“ veröffentlichte, kann da nach meinem ganz persönlichen Empfinden leider nicht annähernd mithalten. Schade, dass das Originalband eines Live-Mitschnitts der Rock-Suite mit der „Sturmglocke“ als Höhepunkt irgendwo in den Rundfunkarchiven schlummert. Dieses Schicksal teilt sie sicher mit vielen anderen Kompositionen und Mitschnitten, die damals in den Rundfunkstudios entstanden und nur noch selten „entdeckt“ werden, so wie erst kürzlich die Aufnahmen zu „Savannah“ der Hansi Biebl Band.
Natürlich boten sich bei dieser Besetzung internationale Rock-Klassiker, deren Sound vor allem von den unterschiedlichsten Tasteninstrumenten geprägt waren, förmlich zum Nachspielen an.
Ein solcher echter Klassiker ist ohne Zweifel bis heute Leonard Bernstein’s „America“ aus der „West-Side Story“, einst von Keith Emerson mit den NICE zu einem frühen Welthit des Genres gemacht. Mit den beiden Tastenspezialisten kam die Live-Version von POND dem Original sehr nah.
Ein weiteres Stück im Konzert von POND war Procol Harum’s „A Whiter Shade Of Pale“, das ganz besonders von der Melodieführung durch die Hammond-Orgel synchron zum Gesang und im Gleichklang mit einem Piano getragen wird. Gesungen hat bei POND damals Manne Hennig, auch wenn natürlich das Timbre und die Faszination eines Gary Brooker unerreichbar bleiben mussten. Dem Zauber dieses Songs, zumal live gespielt, kann man trotzdem immer wieder neu erliegen.
An einem Klassiker haben sich, so glaube ich, fast alle Tastenspezialisten versucht, wenn auch mit unterschiedlichen Ergebnissen. Die Engländer Emerson, Lake & Palmer spielten sie live und der Japaner Isao Tomita produzierte die „Pictures At An Exhibition“ von Modest Mussorgski rein elektronisch.
Auch POND versuchten sich schon sehr frühzeitig an den „Bildern“ und gaben im Konzert 1977 eine Probe davon, wie der Betrachter mittels „Promenade“ von Bild zu Bild wandelt, um sich von „The Gnome“ oder von „The Hut Of Baba Yaga“ nach den Klängen der Band ein eigenes Bild im Kopf zu malen. Darin besteht wohl auch immer wieder neue Reiz des ganzen Werkes, gleich in welcher Bearbeitung es gespielt wurde und wird. Erst viele Jahre später sollte POND dieses Werk elektronisch komplett neu bearbeiten und einspielen.
Der Abend mit POND ist mir aus mindestens zwei Gründen in besonderer Erinnerung. Zum einen, weil dieser Abend ein klassisch winterlich kalter und zum anderen, weil mit den Musikern von POND auch in so schwierigen Momenten ein unkompliziertes Auskommen und Miteinander möglich war.
Mehr als 30 Jahre danach, ich hatte endlich wieder zur Musik und zum Konzertalltag gefunden, haben wir uns beim 30. Bandjubiläum von POND als Duo, Wolfgang „Paule“ Fuchs und Harald Wittkowski, in Halle in der Ulrichskirche wieder getroffen. Zu erleben, dass die Freude darüber nicht nur bei mir groß war, ist etwas, das in diesem Business inzwischen wieder häufiger anzutreffen ist. So mache Freundschaft zwischen Musiker und Fan hält auch über lange und schwierige Zeiten.
Manne Henning hat noch zu DDR-Zeiten seinen Weg zu CITY gefunden und vervollständigt seither die Herrenriege ohne Haare. Frank Gursch trat letztmalig mit LIFT und deren 1987er LP „Nach Hause“ in’s Rampenlicht. Inzwischen hat er sich beruflich von den Tasten verabschiedet und soll, so sagt man(n), in altbundesländlichen Gefilden Steuertabellen und Zahlen bewerten – wie schade!
Paule werde ich allerspätestens dann wieder sehen, wenn er mit Tasten und großem Orchester seinen neusten Geniestreich, die „Bilder einer Vernissage“ nach Werken von Willi Sitte live zu Gehör bringen wird. Dann werden sich zwei „alte Säcke“ wie zwei kleine Kinder freuen und einen Moment Zeit finden, auf reichlich drei turbulente Jahrzehnte zurück zu blicken. Die Zeit vergeht rückblickend tatsächlich fast wie so ein „Planetenwind“, in dem der Klang der „Sturmglocke“ und die Erinnerungen an vergangene unwiederbringliche Erlebnisse leise nachhallen.
RE: Nikolaustag 1977 - POND live im Konzert
in Konzertberichte Ostrock allgemein 06.12.2009 10:58von Bernd (gelöscht)
Danke für Deine Eindrücke!
Es dürfte sich neben der Stern Combo Meissen um eine der wenigen Bands gehandelt haben, welche die elektronische Musik zu ihrem Schaffensmittelpunkt machten.
Interessant für die PUHDYS-Fans sicher auch, daß das Schlagzeug-Set vom "PUHDY" Gunter war.
Ich kann mich auch erinnern, daß es im Berliner Rundfunk eine tägliche Stunde (Mo-Fr) gab, welche sich "Duett-Musik für Ihren Recorder" nannte. Da wurden nicht nur Seiten von LPs von AMIGA gesendet, sondern auch rundfunkeigene Mitschnitte von Konzerten, die sie selbst aufzeichneten. Müßte man vielleicht mal über diesen Sender erfragen oder das DRA.
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