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Rezension PANKOW-CD "Neuer Tag in Pankow", Buschfunk 4.11.2011

in Off-Topic 25.10.2011 18:12
von HH aus EE (gelöscht)
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Neuer Tag in Pankow“, Buschfunk, 4.11. 2011
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01 Neuer Tag in Pankow 5:15
02 Ich wache auf 4:57
03 Es gibt keine besseren Zeiten 3:18
04 Du musst schneller gehen 4:12
05 Ich mach ’ne Liste 3:48
06 Was willst du mehr 3:01
07 Korrekt, korrekt 3:32
08 Plattes Land 3:32
09 Wie weit kannst du gehen 3:43
10 Ich bin da 3:45
11 Krach 3:12
12 Auswendig 3:23
13 Babel 3:42
14 The Day They Took The Wall Away 3:02
15 Take W 0:32

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Eigentlich sind mir Schubladen zuwider und dennoch fallen mir manchmal eben doch Synonyme ein. Entweder live im Konzert oder, wie in diesem Fall, beim Hören einer CD. PANKOW wird gern zu den „etablierten“ Bands der damaligen DDR gerechnet und dennoch hat das Hörbild ihrer Musik so viele Stacheln, Widerhaken und Anspielungen, so viel Vollblutschnoddrigkeit in der Sprache, dass mir immer wieder nur „unangepasst kantig“ einfällt, wenn mir die Band in die Ohren kommt, und das ist alles andere, nur nicht etabliert und übrigens könnte man dies der Band auch heute schon wieder nachsagen. Aber das nur nebenbei und vorneweg.

„Neuer Tag in Pankow“ heißt das neueste Werk der Band und beim Lesen des Titels stellten sich wie von selbst Erwartungen ein. Bei den ersten Tönen des Titelsongs wird mir klar, ich liege voll daneben und kriege dennoch Pankow volle Breitseite. Es ist wie in ein Uhrwerk einsteigen, das nach vorn tickt, aber auch den Geschichten der letzten Zeit nachsteigt, denn „Paule Panke ist abgehauen und ich bin immer noch da“. Es ist nur ein neuer Tag, aber die Zeit ist jetzt und spätestens mit Herzberg’s Stimme und Ehle’s dreckigem Gitarrensolo ist der Hörer mit dem Titelstück schon mittendrin in der Platte, fühlt sich mitgenommen.
Eine treibende Bass-Figur steigert danach das Tempo und „Ich wachte auf“ – es rockt richtig los, heftig, schnell und vor Energie strotzend, während es im Hintergrund klingt, als würde Billy Preston die Tasten drücken. Wie die inhaltlich aktuellere Version von „Ich bin rumgerannt“ im Hier und Heute, drückt der Song ein Stück gereiftes Zeitgefühl aus.
„Es gibt keine besseren Zeiten“ vermittelt, vor allem durch das Funky-Spiel der dezent eingesetzten Bläsergruppe (Saxophon und Trompete), etwas vom Großstadtblues und dem Treiben, in das man sich jeden Tag neu schmeißt, „wenn der Frühling“ kommt. An Liedern und Worten wie diesen, spürt der Hörer deutlich, dies ist der Rock’n’Roll und Wortwitz, den er von PANKOW kennt.
Genau dieser Wortwitz der Band paart sich auch gern mit bissigen Kommentaren zum Leben und Zeitgeist und um den besser hören zu können, ist „Du musst schneller gehen“ in einen beinahe traurigen Blues verpackt, zu dem die Mundi ab und an schluchzt. Hier ist Herzberg in seinem Element, hier wirkt seine schnoddrige Art zu singen am besten und er schleift mich mit, wenn er über Gedankensplitter bissig reflektiert. Ein Song mit relaxt gespielten Instrumental-Passagen, den sicher auch Westerhagen singen würde und dann hätte er auch Chancen, im Radio gespielt zu werden, denke ich mir.

Vielleicht sollten sich die Stones mit Pankow irgendwo (in Pankow) einschließen, um sich zeigen zu lassen, wie heute Rock’n’Roll-Riffs funktionieren und zu klingen haben. Das war jedenfalls der erste Gedanke, der mir beim Hören von „Ich mach ’ne Liste“ hatte. So herrlich trocken rockend, fetzig, hätte ich früher gesagt. Ein gnadenlos geiles Riff, das Ehle da aus der Gitarre rotzt. Hitpotential und eine Ladung Ohrwurmqualität stecken in diesem und weiteren Songs. Ähnlich geht mir’s auch mit dem Kunert & Pannach – Cover „Was willst du mehr“ (The Day They Took The Wall Away). Nur will ich gleich feststellen, dass die Assoziation zu „You Gotta Move“ der Rollenden Steine bei diesem Stück nun bei weitem nichts schlechtes darstellt, sondern eher, dass man beim Übernehmen bestimmter Spielformen, gepaart mit einem neuen Inhalt, einen völlig neuen und wirkungsvollen Effekt erzielen kann. Meist gehen solche Versuche voll in die Hose, der hier ist überaus gelungen und der alte Stones-Chorus und die Vorstellung, „dass zwei im ehemaligen Mauerstreifen“ spazieren gehen können, machen den Reiz einer solchen Adaption rundum passend.
Einfach nur knackigen Rock’n’Roll, gepaart mit einem gehörigen Schuss Rhythm’n’Blues, genussvoll von einer Orgel eingeworfen, gibt es mit „Korrekt, korrekt“ in die Ohren und raue Bildfetzen des Alltags dazu. Dem gleichen Muster folgt „Plattes Land“, nur dass hier eine beinahe melancholische Weise erklingt, die dezent akustisch in Tönen schwelgt und kontrastreich Worte hinzu fügt, so wie es der Sänger Andre Herzberg gelegentlich eben gern tut.

„Wie weit kannst Du gehen“ stammt aus der Feder des Gastes und Bassisten Ingo York,
der dieses Stück passgerecht zu den anderen Songs der Scheibe mitgebracht hat. Das Stück ist zwischen „Plattes Land“ und „Ich bin da“, den beiden gefühlvollen Herzberg-Kompositionen, ein wenig „eingeklemmt“ und verliert daher ein wenig an Wirkung. Mir hätten die beiden akustisch dominierten Songs nebeneinander besser in mein eigenes Hörerlebnis gepasst, was an der musikalischen Qualität der Lieder nichts ändert. Es hätte nur zur Folge, dass „Krach“, die knackige Ehle-Nummer besser nach der York’schen Komposition gewirkt hatte, so mein Empfinden. Nicht immer macht’s der permanente Tempo- bzw Stilwechsel. Wenn es eine etwas schwächere Minute gibt, dann die dieser vier aufeinander folgenden Tracks, was aber dem persönlichen Geschmack des Schreibers geschuldet ist, der sich nicht so gern mehrmals hintereinander aus einer gerade gewonnen Stimmung reißen lässt, denn eigentlich geht es mit „Auswendig“ genau so weiter. Die kleine Ballade führt in Richtung Schluss, wo es dann noch einmal rockiger wird, wenn Pankow mit „Babel“ noch einmal tief in die Rock’n’Roll – Kiste greift, um die Ohren herzhaft zu rocken.

Das besonders Schöne dieser neuen CD scheint mir zu sein, dass es den Rockern von Pankow wieder einmal gelungen ist, genau so wie Pankow zu klingen. Die Scheibe wirkt keine Sekunde langweilig oder ermüdend, hält sowohl textlich als auch musikalisch das bereit, was die „Stones des Ostens“ immer sperrig genug bleiben ließ, um nicht „eingegliedert“ werden zu können. Die nach Stones schmeckende instrumentale Reprise von „The Day They Took The Wall Away“ mag dafür als ein hörbarer Beleg gelten und „Take W“, setzt dem das kurze i-Tüpfelchen beim Ausklang auf. Dann ist die Scheibe am Ende und lässt den Hörer zufrieden innerlich ausschwingen und vielleicht sogar den einen oder anderen Song noch ein zweites Mal auswählen und spielen. Beim Hören dann am besten mit einem Auge die Texte im Booklet verfolgen, in denen, ebenso wie in den Liedern, so manch interessante Passage und Nuance entdeckt werden will. Mit dieser CD im Gepäck werde ich eines der Konzerte besuchen, denn live ist Pankow noch einmal einen Zacken schärfer. Der neue Silberling hat meine Neugier mal wieder angestachelt und sollte, so hoffe und wünsche ich, recht viele zufriedene Käufer und dann noch begeisterte Hörer finden.

HH, 23.10.2011

Angefügte Bilder:
Pankow - Neuer Tag - Cover.jpg
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