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Shawue 04.02.12 im „Irish Pub – Black Raven“ Hoyerswerda

in Konzertberichte Ostrock allgemein 08.02.2012 20:30
von Kundi (gelöscht)
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Ich bin eine Frostbeule und ich kann mir lebhaft schöneres Wetter als dieses sibirisch anmutende Tiefkühlwetter vorstellen. Fast bin ich geneigt zu schreiben, dass ich kein Fischstäbchen bin und deshalb muss ich auch nicht unbedingt gefrostet werden. Trotzdem zog es mich am Sonnabend zu abendlicher Stunde wieder in die weite Welt hinaus. Das Ziel meiner Reise hieß natürlich nicht Oimjakon oder Irkutsk im fernen Sibirien, sondern Hoyerswerda in Sachsen. Da bestehen schon noch ein paar Unterschiede, vor allem in der Entfernung und in den Temperaturangaben. Die Kälte lässt sich jedoch trefflich ertragen, wenn man gemeinsam im gut beheizten Auto reist. Als Lissi und ich die Gundermann-Stadt erreichten, gingen mir wieder Gundi’s Melodien durch den Kopf.
„Hoywoy, dir sind wir treu, du blasse Blume auf Sand. Heiß, laut, staubig und verbaut, du schönste Stadt hier im Land“(aus dem Lied „Hoywoy“) summte es in mir. Ich haderte in Gedanken scherzhaft mit dem Sänger, denn von heiß und laut war an diesem Abend wieder gar nix nichts zu merken. Die Stadt schien auf dem ersten Blick menschenleer, nahezu still und ungastlich. Unkundige Mitmenschen lassen sich von so einem Ersteindruck vielleicht in die Flucht schlagen und fahren lieber weiter in eine vermeintlich schönere Stadt. Doch ich bin längst fasziniert von Hoywoy, seiner Geschichte und den Menschen, die hier leben.

Man sagt ja der Lausitz, besonders ihren Tagebaulandschaften und den Eingeborenen nach, spröde zu sein. Das mag stimmen oder auch nicht. Wobei spröde ja ein mit Wort verschiedenen Bedeutungen ist. Ein Werkstoff kann spröde sein und das heißt dann, dass er ziemlich brüchig, unelastisch, leicht reißend ist. Lippen können spröde sein und sind dann sehr trocken, rau und ungeschmeidig. Im allgemeinen Sprachgebrauch sind mit spröden Menschen auf einen selbst zurückhaltend, unnahbar oder reserviert wirkende Zeitgenossen gemeint. Hoyerswerda entfaltet für mich und manch anderen aufmerksamen Betrachter auch einen spröden Charme, der sich zum Beispiel durch die baulichen Gegensätze von Altstadt und Neustadt ergibt. Was ich eigentlich mit dieser „Spröderei“ sagen möchte, ist die Tatsache, dass dieser so oft negativ besetzte Begriff alles mehr verschleiert als erklärt. Auch die Bewohner von Hoywoy sind alles andere als zurückweisend und abweisend, wenn man sich auf Land und Leute offenen Herzens einlässt.

Es schlug uns eine Eiseskälte entgegen als wir aus unserem Silberkäfer stiegen.
„Nur eins war seltsam hier gleich hinter dem Ortseingangsschild war es plötzlich ganze vier Grad wärmer und der Wind so mild“(aus Hoywoy II). Mensch, Gundi - von wegen 4 Grad wärmer und mild, da lagst Du wettertechnisch am Sonnabend voll daneben ;-). Aber wir mussten vom abgeparkten Auto nur ein paar Schritte durch die Kälte gehen bis wir warme Räume erreichten. Der heutige „Irish Pub – Black Raven“ in der Hoyerswerdaer Albert-Einstein-Straße war zu DDR-Zeiten ein Jugendclub. Damals wie heute begegnen sich im diesen kleinen Haus die Menschen von Hoyerswerda auf der Suche nach Abwechslung und Entspannung. Ich mag Pubs und die damit verbundene Gaststättenkultur sehr, denn hier kann man sich ganz ungezwungen unterhalten, kann Spaß haben und im Gegensatz zu mancher Konzerthalle ist es in einem solchen Lokal am Gemütlichsten, wenn der Laden knüppeldicke voll ist und wenn man sich schon mal durch die Menschen zum Tresen drängeln muss. Das nimmt einem dort niemand übel und man kommt mit vielen Menschen ins Gespräch. Besonders gerne gehe ich in solche Läden, wenn es gute Livemusik gibt. Das liegt daran, dass Musiker und Publikum sehr nah beieinander sind und über dem ganzen der Hauch einer Party bei Wohnzimmeratmosphäre liegt. Die Getränke in einem Irish Pub sind natürlich auch nicht zu verachten ;-).

Es passte an diesem Abend einfach einiges sehr gut zusammen. was ich euch mit den nächsten Sätzen kurz schildern möchte. Lissi war endlich mal wieder mit mir unterwegs. Wenn wir gemeinsam die Gegend unsicher machen, haben wir immer viel Spaß. Um manche unserer Unternehmungen renken sich sogar schon Legenden *g*. In letzter Zeit war sie jedoch privat und beruflich sehr angespannt. Deshalb ließ sie auch manche Mugge ausfallen.
Der Veranstaltungsort in Hoyerswerda war besagter irischer Pub und die Gefahr des Verdurstens an der Quelle irischer Getränke war auch nicht gegeben, denn Lissi war schon als Kraftfahrerin für die Heimfahrt eingeteilt. Wir trafen dort unverhofft liebe Freunde, die wir einige Monde nicht persönlich getroffen haben und dazu gab es die wunderbare Livemusik von Shawue. Wenn das nicht ein persönlicher Festabend werden würde, wollte ich für immer Claudius heißen *g*;-) Um Spekulationen an dieser Stelle auszuschließen, ich musste weder meinen bürgerlichen Vornamen noch meinen Spitznamen nach dem Besuch im „Irish Pub – Black Raven“ ändern.

Obwohl ich die Band Shawue schon mehrmals live erlebt hatte, sah ich diesem Auftritt mit einer gewissen Spannung entgegen. Ich hatte die Band noch nie in so familiären Rahmen und ohne Schlagzeug erlebt. Manuel Kaatsch und seine Drums blieben diesmal daheim. Außerdem kam der Band im Dezember 2011 der Gitarrist Andreas Mann abhanden und die Band musste damit nach längerer Zeit mal wieder einen Besetzungswechsel verkraften. Seinen Nachfolger hatte ich bis zu diesem Abend auch noch nie live gesehen. Den letzten großen Umbruch davor gab es ja im Jahr 2007. Mastermind Lutz „de Shawue“ Neumann, der die Band bereits im Mai 1987 noch unter dem Namen „Dejá-vu“ gründete, hat in der rund 25 jährigen Bandgeschichte schon diverse Höhen und Tiefen erlebt. Das Personalkarussell drehte sich zeitweise ziemlich schnell, aber immer ist Shawue gestärkt aus Krisen hervorgegangen. Der Grundsound blieb zwar grundsätzlich gleich und deutlich erkennbar, aber die unterschiedliche Handhabung der Instrumente durch die verschiedenen Musiker ließ Shawue dann immer etwas anders und moderner klingen. Nun greift bei Shawue also der junge Ronny Jank in die Saiten.

Das Konzert begann mit „Macht die Leinen los“, dem Titelstück der 2010er Lutz de Shawue-Solscheibe „Leinen los“. Wenn das Lied am Konzertanfang gespielt wird, klingt das für mich immer wie ein Befreiungsschlag. Endlich geht die Mugge wieder los. Der Band wird es in diesen Augenblicken wohl ähnlich gehen. Lutz gab in seinen Ansagen zu den Liedern diesmal ganz den Kapitän auf einer Schiffsreise. Diesen Ansatz, einige Lieder so in einer musikalischen Schiffsreise zu präsentieren, fand ich mal eine sehr gute Idee. Leider hatten die 2 Frauen und 2 Männer auf der kleinen Spielfläche nicht sehr viel Platz sich auch körperlich ordentlich zu entfalten. Das fiel mir besonders bei Lutz und Charlott (Bass) sofort auf. Die beiden sind ja ansonsten als absolute Wirbelwinde auf der Bühne bekannt. Doch musikalisch gab es natürlich für alle Anwesenden eine ordentliche Portion Shawue’schen Message Folk und zwar gut portioniert in 3 Konzertblöcken. In einem Irish Pub möchte man sich ja ab und zu auch was zu trinken ordern. Dazu sind die beiden Pausen zwischen den Blöcken natürlich bestens geeignet. Bei Shawue ist kein Konzert wie das vorherige. Titelfolgen ändern sich sehr häufig, es werden auch immer mal wieder ausgewählte andere Lieder ins Programm genommen. Das ist natürlich besonders für Leute, die den Message Folk häufiger live genießen eine schöne Geschichte. So ist immer auch noch etwas Überraschung für sie dabei.

„Scharlatan“, „Volkslied“ und „Ein Wort“ sind nur einige der Gassenhauer, die am Sonnabend gespielt wurden. Besonders im Blickpunkt stand natürlich der neue Gitarrist. Ronny Jank heißt der Mann und er kommt wie Shawue auch aus dem brandenburgischen Luckau. Er spielt(-e?) dort bei der Band Kopfüber und die Shawue-Bassistin Charlott hat bei der Formation auch schon aushilfsweise ihren Bass gespielt. Ronny spielte seine 6 Saiten ganz ordentlich und auch beim Backroundgesang griff er stimmlich gut ins Geschehen ein. Ich bin gespannt, wie er sich bei Shawue entwickelt, wenn er mehr Konzerte in dieser Besetzung auf dem Zähler hat und wenn die Band auch wieder größere Bühnen bedient.

Der Folkrock Shawue’scher Prägung ist sehr gitarrenlastig und das Folklastige wird durch Heike Neumann’s Geige oder die zeitweise von Lutz bedienten Mandolinen noch richtig betont. Die Mandoline ist längst zu einem Markenzeichen der Band geworden, denn sehr viele Rockbands verwenden dieses Instrument ist. Viele Shawue-Lieder können sich sehr schnell und tief in die Ohrgänge graben, denn es sind echte Ohrwürmer. Das wurde auch in Hoyerswerda wieder deutlich, wenn man das Publikum beobachtete. Beste Beispiele dafür sind die sehr melodiösen Songs „Silbermond“ und „Scheißkerl“. Da geht immer so ein kleiner Ruck durch die Leute. Die von Charlott gesungene Ballade „Nach Haus“ kommt ein wenig ruhiger daher und durch Lotti’s Sologesang sticht das Lied auch etwas hervor, weil bei den anderen Titeln ja Lutz die Hauptlast des Gesangs trägt. Für „32 Volt“ und „Dann schrei“ habe ich auch eine besondere Schwäche. Das sind so richtig treibende Gitarrenock-Nummern. Da kann man als Musikfan gar nicht stille und teilnahmslos vor der Band stehen. Obwohl die Band bis weit nach Mitternacht spielte, hatten wir immer noch nicht genug und es gab natürlich eine musikalische Ehrenrunde unter anderem mit „Ich komm heim“, Auf besonderen Wunsch des Hausherrn wurde erstrahlte der „Silbermond“ ein zweites Mal in dieser Nacht.

Als wir nach dieser satten Vollbedienung das gastliche Haus verließen, zeigte das Thermometer zwar wieder minus 17 Grad Celsius an, aber das machte uns gar nichts mehr aus. Wir waren so aufgeheizt, aufgekratzt und happy von der Mugge, dass uns einfach nichts mehr die Laune verderben konnte.

Gruß Kundi

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zuletzt bearbeitet 08.02.2012 20:49 | nach oben springen

#2

RE: Shawue 04.02.12 im „Irish Pub – Black Raven“ Hoyerswerda

in Konzertberichte Ostrock allgemein 09.02.2012 08:48
von PM | 4.235 Beiträge | 5060 Punkte

Also bei Shawue hat bei mir Kundis Agitation noch nicht gefruchtet. Aber nur, weil sie immer zu weit weg spielen.
Hast du wieder spannend erzählt, auch das "Drumherum". Wieder mal ein richtig schöner Konzertbericht.


Klick mal druff hier:

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#3

RE: Shawue 04.02.12 im „Irish Pub – Black Raven“ Hoyerswerda

in Konzertberichte Ostrock allgemein 09.02.2012 19:44
von Kundi (gelöscht)
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Das mit Shawue und Dir bekommen wir aber auch noch hin, liebe PM;-)

LG Kundi

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#4

RE: Shawue 04.02.12 im „Irish Pub – Black Raven“ Hoyerswerda

in Konzertberichte Ostrock allgemein 09.02.2012 19:46
von HH aus EE (gelöscht)
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"Ich sei, so gewährt mir die Bitte, in Eurem Bunde.... "

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#5

RE: Shawue 04.02.12 im „Irish Pub – Black Raven“ Hoyerswerda

in Konzertberichte Ostrock allgemein 09.02.2012 19:48
von Kundi (gelöscht)
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Da könnten wir ja mit Petra nach EE kommen. Ich glaube, am 02.06.12 spielt Shawue dort, lieber HH;-).

LG Kundi

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